Stationär

Text

von  Oskar

Bei jedem einfahrenden Zug der diffuse Wunsch auf die Gleise zu springen. Ein Sog. Wie ein Kind, das Schokolade in Reichweite seiner Hände sieht. Ein Ziehen in Brusthöhe. Für einen kurzen Moment wach. Dann das Quietschen der Bremsbacken. Vorsicht bei der Einfahrt. 30 Minuten gependel mit all den Anderen. Zwei links, zwei rechts. Da hinten ist ein Vierer frei. Treten gegen Schienbeine, Knie an Knie. Die Blicke auf leer gestellt. Ein ewiges Scrollen. Endloser Text. Das größte Meisterwerk, gäbe es ein außen, dass alles umrundet. Die Landschaft, die Phones, das Rattern und Tuscheln. Ein Güterwagen mit geschmolzenem Stahl, der aussieht wie ein kleines U-Boot, fährt langsam vorbei. Nie wieder aussteigen. Immer weiterfahren. Die Zugestiegenen, Fahrkarte bitte. Und raus. Im Rucksack kramen, dann im Portemonnaie. Die richtige Fahrkarte finden. Scheiße, jedes Mal reißen sie einen raus.

Das Hemd zerknittert, die Hose ungebügelt. Das Eine kariert, das Andere schwarz. Halbhohe Schuhe, mit Matschresten des letzten Festivals. Warum aufmotzen, sich schick und unnahbar machen? Mein jetziger Vertrag wurde verlängert, kann also vollkommen gelassen sein. Wie bei jedem schrägen Machtgefüge, lassen sie die Bewerber warten. Vielleicht zehn, vielleicht auch zwanzig Minuten. Der Warteraum fügt sich perfekt in das ihn umgebende Gebäude und dieses wiederum ohne Nahstellen in den Rest der Einrichtung ein. Die späten 50er, mit ihren klaren Kanten, verwaschenen Farben und Lustlosigkeiten erzeugen definitiv kein großes Verlangen länger als nötig zu bleiben. Wäre nicht der, das Gelände umschließende Wald und ein Magnolienbaum der kurz vor der Blüte und direkt vor dem Verwaltungsgebäude steht. Das nur Frauen beim Gespräch zugegen sind, tut sein übriges. Im Speziellen. Im Allgemeinen besteht Pädagogik aus mehr oder minder fleißigen Bienchen mit Helferkomplex und einem starken Patriarchen an der Spitze, der zu meinem Glück nicht anwesend ist.

Nur noch fünf Minuten. Fünf Minuten in denen aus dem Boot ein Bett, aus Bett Alltag und aus Alltag Grauen wird. Ungewaschen, mehr Bart als Gesicht, der Spiegel auf Dresden 45. Ein Wort, Rückführung, im Ohr. Unter der Schädeldecke, im Pumporgan. Drei scheiß Jahre umsonst. Wieder zurück zu einer Mutter, die nicht mal ein Kind hätte bekommen sollen. Oder. Wer bin ich, mir ein Urteil zu bilden wer was sollte oder nicht. Das Unvermeidbare. Alles wächst, niemand hat Einfluss.

Wir könnten einen Wohnwagen kaufen.
Und dann? Und wovon? Ich bin mindestens bis ins Greisenalter verschuldet. Meine Bedürfnisse entsprechen nicht meinem Geldbeutel.
Dann willst du lieber einen Job, der dich zerfrisst, denn du zwar kannst, aber nicht deiner Persönlichkeit entspricht. Der dich jedes Mal in den Suff treibt, wird es emotional hart. Und wie oft passiert das? Alle zwei Monate?
Die Besten können es sich nicht aussuchen.
Scheiß Spruch aus einem scheiß Film.
Offensichtlich neige ich zu Dingen, die nicht mit mir übereinstimmen. Wären wir sonst ein Paar?
War klar, dass das kommt. Und du weißt, dass mich das suckt.
Klar. Heißt aber nicht, dass ich mich daranhalten muss. Dein Wunsch nach Harmonie ist nicht meiner.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (02.07.17)
Zu Teil sehr eigenwillige Groß- und Kleinschreibung, was das Lesen sehr erschwert. Titel passt nicht zum Textinhalt.

 Oskar meinte dazu am 02.07.17:
Doch. Passt. Sogar auf mehreren Ebenen.
Fehler versuche ich zu finden. Ist aber eigentlich dein Job.

 Habakuk (02.07.17)
Scheiß auf die Groß- und Kleinschreibung, welche auch immer. Liest sich gut für mich.

 Livia (03.07.17)
Gerade einen Campingbus verkauft. Warum? Um nicht einen Job anzunehmen, der...

 Isensee (10.08.17)
Wie gelungen der Text ist.
Man will sowas ja nicht kommentieren, weil es richtig geiler Scheiß ist.
Man selbst nicht auf die Idee gekommen ist
"30 Minuten gependel mit all den Anderen. Zwei links, zwei rechts. Da hinten ist ein Vierer frei. Treten gegen Schienbeine, Knie an Knie. Die Blicke auf leer gestellt. Ein ewiges Scrollen. Endloser Text. Das größte Meisterwerk, gäbe es ein außen, dass alles umrundet. Die Landschaft, die Phones, das Rattern und Tuscheln. Ein Güterwagen mit geschmolzenem Stahl, der aussieht wie ein kleines U-Boot, fährt langsam vorbei. Nie wieder aussteigen. Immer weiterfahren. Die Zugestiegenen, Fahrkarte bitte. Und raus. Im Rucksack kramen, dann im Portemonnaie. Die richtige Fahrkarte finden. Scheiße, jedes Mal reißen sie einen raus."
Hier hat es mich erwischt.
So gutes Zeug treibt mir Gänsehaut auf die Pelle.
Das ist natürlich nah an der Perfektion und liest sich wieder und wieder und wieder.
"Wäre nicht der, das Gelände umschließende Wald und ein Magnolienbaum der kurz vor der Blüte und direkt vor dem Verwaltungsgebäude steht"
Auch perfekt.
Ja keine Ahnung, was soll man dazu sagen.

 Oskar antwortete darauf am 10.08.17:
Freut mich. Ist die Urzelle von was Längerem. Grade in Sluis. Eine Stadt wie Phantasialand. Kaum Einwohner, alles Touristen. Mit alter Mühle im Zentrum. Aber 4 Sexshop. Viel kultivierte Natur drumherum. Entspannt.

Das Wetter ist gut.
Das Essen lecker.

Liebe Grüsse
Oskar

 Isensee schrieb daraufhin am 10.08.17:
Freue mich, dass es dir gefällt.
Mit Natur kann ich ja nicht so viel anfangen.Verstehe nicht, wie man Berge oder so toll finden kann.
Oder ewig am Meer zu stehen und warten bis endlich mal die Sonne weg ist.
Aber so angelegte Parks mit beschnitten Büschen die sich Symmetrisch an die Objekte in der Umgebung anpassen sind schon nice.
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