Sandseele

Text zum Thema Existenz

von  RainerMScholz

Meine Augen sind fort. Jemand muss sie gestohlen haben. Schwarze leere Höhlen. Die Lider eingeschrumpft. Meine Augen sind fort.
Meine Beine sind nicht mehr da. Unterhalb der Oberschenkelstümpfe ist nichts mehr. Ich kann nicht mehr hingehen, wo ich noch nicht war. Wieso kann ich meine Beine nicht mehr fühlen. Die abgefaulten Zehen, die tumben Ballen, die abgemagerten Waden – das sind alles Phantomschmerzen. Ich habe keine Beine mehr.
Meine Arme sind amputiert. Nur die Hände scheinen noch in meinem Schoß zu liegen. Nutzlos, untätig. Wie klobige fleischige Spinnen.
Der Wurm ist weggekrochen. Ist weg. Weg, weg, weg. Vielleicht gut so.
Nur der fette Leib liegt da, der ich geworden bin und schimmelt, bläht sich, wogt zitternd auf und ab. Das unnütze, berippte haarige Fleisch. Das blutige Innere, die schmatzenden Organe, bedeckt mit kümmerlicher Haut.
Mein Mund ist ein eingefallenes, zahnloses, beängstigend düsteres Loch.
Ist sie das? Die Existenz, die schweigend durch die Tür tritt und ihren Atem in mein Gesicht drückt. Ist sie das?
So renn´ ich lachend durch die Welt;
ich bin so frei, ich brauch´ kein Geld;
und sing´ ein lustig´ Lied dem Drachen;
der lässt mich all die Sachen machen,
die meinen Untergang besiegeln
und euren noch dazu.
Dann hat die liebe Seele Ruh´.


© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text


 Habakuk (07.08.17)
Erschreckend realistisch.

 Livia (07.08.17)
Ich denke ohne das Gedicht hintendran, wärs noch plakativer: "Ist sie das?" Aus, Ende, LeserIn stehen gelassen.

 RainerMScholz meinte dazu am 08.08.17:
Kam mir so depressiv vor, ohne das Gedichtchen.
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