Hochverehrtes Publikum!

Satire zum Thema Schreiben

von  ManMan

Lange Zeit habe ich mich darüber geärgert, dass mein Computer mich mit Willkommen begrüßt, wenn ich ihn gestartet habe. Warum soll ich mich willkommen heißen lassen von einem Sklaven,der nach meinem Gusto stumm zu sein hat? Der nicht so tun soll, als verstehe er mich, habe gar Verständnis für mich.Vergeblich. Ohne Willkommen kein Start. Für mich ein Zeichen, dass ich die Herrschaft über den PC bereits beim Start verliere. Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden.
So geschah es auch gestern abend. Nun ja, dachte ich, was soll’s. Im Fernsehen kam dann ein Programmhinweis. Der  Moderator beendete ihn mit dem Satz „Ich freu mich auf Sie.“ Und das sagt mir so ein Typ, der eine Volksmusik-Show am Sonntagmorgen begleitet, die für mich unterstes Niveau hat! Aber wahrscheinlich denkt er sich nichts dabei, wo er doch sein Publikum im Fernsehgarten auch immer „das wunderbarste Publikum der Welt“ nennt. Kennt er tatsächlich so viele – ich überlege, ob die Mehrzahl von Publikum Publika heißt oder Publikums? Ich schaue im Brockhaus-Duden nach. Vergeblich. Kein Hinweis darauf, ob es einen Plural gibt, oder ob es sich bei dem Wort um ein singulare tantum handelt, bei dem es keinen Plural gibt. Stimmt, dort kannte man auch nicht diese unvergleichliche Sonntagsvormittagssupersendung. Na ja, denke ich schon wieder, was soll’s. Und dann fällt mir ein, dass schon Tucholsky das Publikum als solches ansprach, obwohl er es ja auch nicht kannte: „hochverehrtes Publikum, sag mal: Bist du wirklich so dumm, wie uns das an allen Tagen alle Unternehmer sagen?“ heißt es in dem Gedicht „An das Publikum“. Jetzt verstehe ich. So wie es  ein „pars pro toto“ gibt, (laut Duden eine Redefigur, bei der ein Teilbegriff an Stelle eines Gesamtbegriffes gesetzt wird, gibt es offensichtlich  auch die umgekehrte Redefigur, also „totum pro parte“. Na ja, denke ich noch einmal, was soll’s.  Eine Redefigur, die weit verbreitet ist. Ach, wissen Sie, verehrtes Publikum, es ist Sonntagmorgen. Ich freue mich, dass Sie mir bis hierhin gefolgt sind. Das zeigt, dass auch Sie eines der weltbesten Publikums sind. Aber wenn Sie glauben, dass ich Sie noch ewig so weiter unterhalte, dann täuschen Sie sich echt! Ich lege mich nämlich jetzt wieder ins Bett. Basta!


Anmerkung von ManMan:

Sie dürfen sich durchaus angesprochen fühlen!

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Kommentare zu diesem Text

globetrotter (41)
(13.08.17)
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 ManMan meinte dazu am 13.08.17:
Das ehrt mich ungemein, dass ich sogar für taz-würdig gehalten werde!

 Habakuk (13.08.17)
Mit „Verehren“ sollte man sparsam umgehen. Erst recht mit „Hochverehren“. Wie sagt ein altes Sprichwort eines alten Propheten, das die Jahrtausende überdauert hat:
Schmeiß deine Ehre nicht vor die Säue, auf dass sie sich nicht umwenden und dich zerreißen.

 ManMan antwortete darauf am 13.08.17:
Aber, bei allem Respekt, hochverehrter Habakuk, es dürfte dir kaum entgangen sein, dass es sich hier um eine ironische Verehrung handelt.

 Habakuk schrieb daraufhin am 13.08.17:
Mitnichten ist mir das entgangen. Wollte auch nur ein wenig auf die ernsthafte Verehrung eingehen. Alles ist gut.

 loslosch (13.08.17)
publikum ist ein singuaretantum. tantum heißt nur. andere beispiele sind obst, fleisch, schnee. es gibt sogar einen plural von singularetanum: singulariatantum!

mich ärgert der spruch am beginn von baustellen: "... Wir danken für Ihr Verständnis." von bitten keine spur.

 ManMan äußerte darauf am 14.08.17:
singulare tantum, genau! Das Wort hatte mir gefehlt.
Graeculus (69) ergänzte dazu am 16.08.17:
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