Eine bedauerliche, aber folgerichtige Entfremdung

Erzählung zum Thema Glaube

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Wenn sich die Gelegenheit bot, versuchte ich Nichtgläubigen von meinem Glauben zu erzählen. Man kann das auch ruhig missionieren nennen. Und warum auch nicht? Wäre ich ohne den missionarischen Einsatz Anderer zum Glauben gekommen? Möglicherweise nicht!? Was also lag näher als es ebenso zu tun?
    Allerdings muss ich schon zugeben, dass dies in meinem Verwandten- und Bekanntenkreis nur auf wenig Gegenliebe stieß. Man akzeptierte halbwegs meine Wandlung, aber blieb doch eher distanziert - skeptisch.  Einige dachten wohl auch - wie zum Beispiel meine Eltern - , dass ich möglicherweise in einer Sekte gelandet sei.
    Aus heutiger Sicht kann ich das Alles gut nachvollziehen, damals frustrierte mich das schon etwas. Die Nachfolge Jesu hatte ganz offensichtlich einen Preis, nämlich die Entfremdung des vormaligen Beziehungsfeldes. Wer allerdings das Neue Testament etwas genauer kennt, dürfte kaum überrascht sein. Dort wird es mehr oder weniger vorausgesagt.

Besonders schmerzlich empfand ich diese  Entfremdung bei Susanne, einer Studienfreundin.  Wir hatten zwei Jahre lang zusammen Seminare besucht,  gemeinsam Referate ausgearbeitet und gehalten, und auch ansonsten einige Zeit miteinander verbracht.
    Es bestand zwischen uns eine sehr angenehme Vertrautheit und oft hatten wir uns stundenlang über sehr private Dinge unterhalten. Sie war wirklich eine sehr gute Freundin gewesen, wenn es zu  mehr irgendwie nicht gereicht hatte. 
  Ich empfand  nun ein starkes Bedürfnis ihr von meiner Bekehrung zu Jesus zu erzählen. Und so trafen wir uns eines Nachmittags in dem kleinen Städtchen Zons, wo sie noch in ihrem Elternhause lebte.

Susanne begrüsste mich herzlich wie eh und je und schlug einen Spaziergang am Rhein vor, der dann schließlich in einem kleinen Cafe bei Kaffee und Kuchen mündete. Aber recht bald schon war die gewohnte Vertrautheit verflogen. Mein Glaubensbekenntnis und meine Bekehrungsgeschichte, die ich ihr in kurzen Zügen erzählte, nahm sie eher reserviert zur Kenntnis. Seltsamerweise hatten wir dieses Thema immer ausgespart gehabt. Jetzt sagte sie nur kurz, dass sie nicht glauben würde, dass es den christlichen Gott gäbe.
    Wir sprachen noch über dies und jenes, scherzten und lachten gelegentlich. Aber irgendetwas war zwischen uns getreten, was vorher nicht dagewesen war.  Als wir uns schließlich verabschiedeten und ich mit der Fähre ans andere Rheinufer übersetzte, verspürte ich eine leichte Enttäuschung. Irgendetwas war unwiderruflich verloren gegangen.

Als ich ihr einige Zeit später noch einmal einen Brief schickte, erhielt ich  einen recht kurzen Antwortbrief. „Jetzt, da du gläubig geworden bist, bist Du mir irgendwie fremd geworden“ schrieb sie darin. Ein Satz, der ein wenig schmerzte. Aber genau meinem eigenen Gefühl entsprach.
    Es war unser letzter Kontakt. Ich habe danach nie wieder etwas von ihr gehört und auch meinerseits mich nicht mehr bei ihr gemeldet. Wie recht doch der Prediger Salomo hatte: „Ein jegliches hat seine Zeit, ..umarmen hat seine Zeit, aufhören zu umarmen hat seine Zeit“  (Prediger 3)


Anmerkung von Bluebird:

Folge 24 meiner autobiografischen Kurzgeschichten-Sammlung und Fortsetzung von meiner autobiografischen Bekehrungsgeschichte  hier aus dem Jahre 1985

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(18.09.17)
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 loslosch meinte dazu am 18.09.17:
der witz basiert auf einer anekdote: berliner kinder gegen kriegsende auf kinderlandverschickung in bayern. der steppke berlinert: "so wie icke den laden hier kenne, isset dat liebe jesulein."
Graeculus (69) antwortete darauf am 18.09.17:
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 Dieter Wal (18.09.17)
Die von dir skizzierte Entfremdung zu deiner Studienfreundin kann ich nachvollziehen. Eventuell spitzte sich mit deiner "Bekehrung" die manchen nachgesagte Monothematik ihrer Spezialinteressen auf das Thema Biblizismus neben Schach zu. Wer kein leidenschaftlicher Schachspieler ist und Biblizismus ablehnend gegenübersteht, dem fehlen von jenem Moment an Anknüpfungspunkte und Gesprächsthemen. Die Universität lag hinter euch. Ihr wart euch von da an fremd.

Paulus hatte lichte Momente. Seine Briefe bezeugen ein reichhaltiges intellektuelles und emotionales Innenleben. Ihm war bewusst, dass seine Zuhörer den Kern seiner Predigt, die "Botschaft vom Kreuz", seine Opfertheologie, die sich um Jesu Lehre einen fechten Kehricht scherte, für bekloppt, idiotisch, dumm, dämlich und bescheuert hielten ("Torheit vom Kreuz"). Da Biblizismus schwerpunktmäßig sich auf Pauli Briefe stützt, wirkt er nicht nur gehirngewaschen, er entspricht einer Gehirnwäsche. Menschen, die ihm schwerpunktmäßig erliegen, dokumentieren die eindrucksvolle Geschlossenheit eines wahnhaften Weltbildes. Ist es heilbar? Eher nicht. Ideologische Borderliner sind unabhängiger, aber denen geht es auch weniger wirklich um die von ihnen propagierten Inhalte, sondern mehr um die Aufmerksamkeit, die sie dadurch erlangen. Daher wechseln sie immer mal wieder die Weltbilder. Das ist bei dir nicht zu erwarten. Dir erscheint dein Glaube folgerichtig und gibt dir Sicherheit.

In  J. M. Simmels Novelle "Die Melodie" geht es um einen Mann, der von der vielleicht krankhaften Vorstellung vom Verlust einer Melodie geheilt werden kann, indem seine Partnerin wider besseres Wissen einfach behauptet, sie würde sie wieder hören. Ich mag die Erzählung und bin nicht der Meinung, es würde viel Sinn ergeben, wenn man Menschen in gesund oder krank unterteilt. Vielleicht für Mediziner. Jeder darf sein Leben gestalten, wie er mag. Die Schnittmengen gemeinsamer Interessen müssen nicht immer besonders groß sein, um sich anzufreunden. Es gibt viele verschiedene Lebensformen. Deine ist eine davon.
Graeculus (69) schrieb daraufhin am 18.09.17:
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 Bluebird äußerte darauf am 18.09.17:
@Graeculus ... doch ich bin gelegentlich auch schach-schreibend unterwegs ....https://schach-erlernen.jimdo.com/ .... außerdem spiele ich auch noch Go, bin recht belesen in den unterschiedlichsten Wissensgebieten, fahre gern Fahrrad und bin auch gerne in der Natur unterwgs ... und gehe gelegentlich auch mal ins Kino ("Dünkirchen" war der letzte ) aber stimmt schon ... die meisten Themen langweilen mich schnell

@Dieter Wal .... die meisten meiner Kontakte sind nichtchristlicher Natur ... allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass es doch (fast) automatisch zu Konflikten kommt, wenn sie enger werden ...

 Bluebird ergänzte dazu am 18.09.17:
Ergänzung ... da ziehe ich den distanzierten Kontakt oder auch das Alleinsein vor ... ich komme ganz gut mit mir alleine zurecht
Graeculus (69) meinte dazu am 18.09.17:
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 Bluebird meinte dazu am 19.09.17:
Na ja, literarisch habe ich tatsächlich (fast) nur ein Hauptthema ... stimmt schon! Übrigens lese ich auch gerne Krimis oder schaue mir eine alten Western an ... aber welchen Mitteilungswert hätte das?
Graeculus (69)
(19.09.17)
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 Bluebird meinte dazu am 19.09.17:
Steht unter dem falschen Text .... ja, wenn ich merke, dass Menschen mir nicht guttun, gehe ich (meist) - erst einmal - etwas auf Distanz
(Antwort korrigiert am 19.09.2017)
Graeculus (69) meinte dazu am 19.09.17:
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 Dieter_Rotmund (13.05.20)
Man kann das auch ruhig missioneren nennen

Ach, kann man das? Ist dann so ein Mensch, der missionert, folglich ein Missioner? Oder ein Missionerer?

 Bluebird meinte dazu am 13.05.20:
Ja, danke ... hab´s verbessert
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