Reisen im Elfenbeinballon (5) - Zwischenspiel

Lyrischer Prosatext

von  autoralexanderschwarz

Unser Elfenbeinballon schwebt wieder in luftigen Höhen,
gemächlich treiben wir auf trägen Hybriswolken.
Wir sind frei.
Alles, was wir wollten,
haben wir uns einfach genommen.
Es gibt keine Abhängigkeiten mehr hier oben
und über uns: nur noch das Universum.

Wir waren schon einmal dort, wir erinnern uns:
von dort schleuderten wir einst unsere Blitze hinab
in die niederen Sphären.
Wir wussten nie, wen wir am Ende getroffen haben,
es war uns egal:
wir nahmen einfach an, dass man unsere Botschaft versteht,
uns für zornige Götter hält,
die mit einem Fingerzeig
die Erde aufreißen
und das Innere
nach außen
stülpen können.

Hier oben aber ist es immer friedlich,
es fließt noch nicht genügend Blut,
als dass man es von hier aus sehen könnte;
nicht einmal der Nachhall eines Schreis dringt in solche Höhen,
stattdessen: sanfte Schwingungen sterbender Sterne
und Planeten, die ohne Rücksicht auf die Zeit
miteinander tanzen.

Hier sammeln wir Inspiration;
hier atmen nur noch Götter.

„Es gibt ein prosodisches Problem an den Silbengrenzen“,
sagt der Steuermann in die Stille hinein,
„wir sind so nahe an der Sonne,
dass bereits die ersten Vokale anfangen zu schmelzen,
wir brauchen entschieden tiefere Töne“, sagt der Steuermann
und uvulare Konsonanten.“

Noch einmal atmen wir diese Ewigkeit,
dann nicken wir einander zu,
der Sinkflug beginnt,
wir ändern den Kurs;

auf der Suche
nach tieferen
Tönen.


Anmerkung von autoralexanderschwarz:

Der obenstehende Text ist Teil der Textsammlung „Reisen im Elfenbeinballon“, die im Athena-Verlag erschienen ist.  Reisen im Elfenbeinballon

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