Kapitel 2: Chakour

Kurzgeschichte zum Thema Grenzen/ Grenzen überschreiten

von  BLACKHEART

Seit Wochen lagern sie nun schon in diesem Waldstück. Keiner der drei Brüder denkt noch an die Wüste zurück. Alle denken nur nach vorn. Und dort vorn, keinen Kilometer entfernt ist das nächste Etappenziel in Sichtweite: Melilla.
Und doch ist die spanische Enklave so weit entfernt. Mehrere meterhohe Zäune, Stacheldraht und spanisches Militär, das auch vor dem Gebrauch der Schusswaffen nicht zurückschreckt um die Grenze zu verteidigen, sollten eigentlich als Abschreckung reichen.
Dennoch lagern sie zu hunderten, wenn nicht tausenden in den Wäldern, die die Stadt umgeben. Immer wieder versuchen sie in kleineren oder größeren Trupps, den Grenzzaun zu stürmen. Die Wenigsten haben Erfolg. Die, die es schaffen, wissen was zu tun ist. Namen, Zeiten und Treffpunkte machen die Runde.
In der Dämmerung macht sich ein Trupp auf den Weg in Richtung Grenzzaun. Unter ihnen die drei Brüder. Tagelang haben sie diesen Teil des Zauns beobachtet. Sie wissen, dass es ein kurzes Zeitfenster gibt, in dem sie unbeobachtet sind, wenn die Wachposten ihre Schicht beenden. Diesen Moment passt die Gruppe ab. Die ersten beiden, die den Zaun erklimmen, haben Messer dabei, mit denen sie eine Lücke in den Stacheldraht schneiden sollen. Einer von ihnen ist Chakour.
Gerade als sie den Stacheldraht erreicht haben und beginnen zu schneiden, fallen Schüsse. Die Wachposten haben sie bemerkt. Chakour wird mehrfach getroffen. Beim Sturz vom Zaun verfängt sich sein Fuß im Stacheldraht und er bleibt hängen.
Mehrere Flüchtlinge, u.a. seine Brüder, nutzen ihn als Schutzschild und gelangen so in die befestigte Stadt. Chakour bekommt etliche weitere Kugeln ab, die eigentlich für andere bestimmt waren.
In seinen Augen erkennt man noch immer eine Mischung aus Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa und der Erkenntnis, dass diese Hoffnung vergebens war.
Zweie tot, zwei folgen. Es ist Sommer in Melilla.

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Kommentare zu diesem Text

toltten_plag (42)
(27.11.17)
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 BLACKHEART meinte dazu am 28.11.17:
Ich habe mal in einer Dokumentation über Melilla gesehen, dass es da ein Waldstück gibt, von dem aus Flüchtlinge immer wieder versuchen, den Zaun zu stürmen. Wie groß dieser Wald ist, wurde nicht gesagt, allerdings das sich einige hundert, wenn nicht gar tausend Menschen darin aufhalten sollen.
Wenn ich den Wald jetzt tatsächlich größer gemacht haben sollte, als er ist, kann man das, denke ich mal, unter den Begriff "künstlerische Freiheit" fallen lassen.
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