Kapitel 4: Amadou

Kurzgeschichte zum Thema Jahreswechsel/ Silvester

von  BLACKHEART

Dezember 2016. Amadou ist nun seit über einem Jahr in Deutschland und lebt bei dem Mann, der vor Jahren aus dem selben Dorf in Mali geflohen ist, wie er, in einem Vorort von Leverkusen. Wie es sich herausstellte ist dieser Mann über mehrere Umwege sein Onkel und agierte vom ersten Tag an als Vormund.
Durch ihn lernte er nicht nur schnell die Grundlagen der deutschen Sprache, er kam auch im örtlichen Fußballverein unter, wo er in kürzester Zeit zu einem der Leistungsträger avancierte. Seine Mannschaftskameraden sehen in ihm ein Talent und eine echte Verstärkung. Hautfarbe, Herkunft oder Religion sind ihnen egal. Für sie ist er einer von ihnen und er ist mit vielen von ihnen inzwischen auch gut befreundet.
Gemeinsam wollen sie auch mit dem inzwischen 18-jährigen Amadou Silvester in Köln feiern. Auf dem Bahnhofsvorplatz gerät die Gruppe, bestehend aus diversen Nationalitäten in eine Polizeikontrolle. Zwei tunesische Freunde sollen aus der Gruppe herausgezogen werden. Auch andere junge Männer, die aussehen, als wären sie nordafrikanischer Herkunft, werden willkürlich am Weiterkommen gehindert. Ausweise werden kontrolliert und etlichen wird der Zutritt zur Domplatte verweigert.
Amadou versteht die Situation und auch das Wort „Nafri“, das er mehrfach in den gedämpften Gesprächen der Polizisten hört, nicht. Er geht zu einem der Polizisten und fragt nach, warum die Polizei seine Freunde von ihnen absondern will, aber seine Freundin zieht ihn mit sich von den Polizisten weg Richtung Dom. Auch die beiden Tunesier werden gehen gelassen, weil sie zur Gruppe gehören.
Bald ist die Situation vergessen und alle feiern gemeinsam Silvester.
Einige Stunden später ist Amadou allein auf dem Weg nach Hause. Gerade hat er sich von seiner Freundin an deren Haustür verabschiedet. Übermorgen will sie bei ihm vorbei kommen und mit ihm gemeinsam kochen. Beflügelt von dem Gedanken daran, biegt er in eine Gasse ein, von deren anderen Ende er bereits das Haus seines Onkels sehen könnte.
Was er aber sieht, sind zwei Gestalten, die sich aus den Schatten lösen und auf ihn zu kommen. Beschwingt wie er ist realisiert er nicht, dass sich ihm eine weitere Gestalt von hinten nähert. Er will den beiden ein „Frohes Neues Jahr.“ wünschen, allerdings bleiben ihm die Worte im Hals stecken, als er von hinten mit einem stumpfen Gegenstand nieder geschlagen wird. Die folgenden Schläge und Tritte bekommt er schon gar nicht mehr mit.
Später wird der Notarzt zu Protokoll geben, dass er noch nie ein Gewaltopfer gesehen habe, in dessen Augen sich ein solches Maß an Überraschung wieder gespiegelt hätte.
Alle tot, die Folgen? Es ist Winter in Deutschland.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram