Gottes Laborratten

Essay zum Thema Glaube

von  shadowrider1982

Was bedeutet es, wenn jemand sein Leben in Gottes Hand legt? Ich habe einen Text gelesen, in dem es um einen Menschen ging, der den christlichen Glauben für sich gefunden hat. Dieser Mensch ist, nach Darstellung des Autors, eine gebildete, humanistische Person, die den Weg zu Gott durch einen langen Entwicklungsprozess gefunden hat. Nun aber hadert dieser bis dato selbstbestimmte Mensch mit der Entscheidung, sein Leben vollends in Gottes Hand zu legen. Es stellt sich nun die Frage, was bedeutet dieser Übergang von einem selbstbestimmten Leben zu einem Leben in Gottes Hand? Wie geht ein solcher Übergang von statten?

Ob es einen solchen Gott überhaupt gibt, sei hier dahingestellt. Diese Frage ist sehr mühselig zu diskutieren und niemand wird je eine Antwort darauf finden, die von allen akzeptiert wird. Der wissenschaftlich und rational orientierte Atheist wird diese Frage stets verneinen, da ihm niemand die Existenz eines Gottes beweisen kann. Der Gläubige wird keinen Beweis brauchen. Ihm reicht es, zu glauben.

Nehmen wir also für einen Moment an, dass es einen Gott gibt. Wie kann ich als Individuum nun mein bis dato selbstbestimmtes Leben in die Hand dieses Gottes legen? Soweit ich die christliche Lehre richtig verstanden habe, ist es hierfür nur notwendig, an ihn zu glauben. Nehmen wir also weiter an, ich entscheide mich nun für den christlichen Glauben, ich lasse mich taufen, bete, lese die Bibel, tue all die Dinge, die ein Christ als tugendhaft betrachtet und unterlasse all das, was im Christentum als sündhaft oder schlecht angesehen wird. Ich habe jetzt also mein Leben nach bestem Wissen und Gewissen in Gottes Hand gelegt. Doch was hat sich für mich dadurch geändert? Ob ich am frühen Morgen rechtzeitig wach werde, hängt nach wie vor davon ab, ob ich mir einen Wecker stelle. Gott kommt nicht zu mir, um mich zu wecken. Er kocht auch keinen Kaffee zum Frühstück. Er sagt mir nicht, welchen Beruf ich ausüben soll. Er sagt mir nicht um elf Uhr abends, dass ich schlafen gehen sollte, um am nächsten tag fit für die Arbeit zu sein, zu dieser Erkenntnis muss ich, nach wie vor, selbst gelangen, egal wie spannend der Film ist, den ich mir gerade ansehe. Gott sorgt nicht dafür, dass ich etwas esse. Und wenn ich selbst dafür sorge, dass ich etwas zu essen habe, dann sagt Gott mir nicht, ob ich Gemüse oder lieber Fleisch essen soll. Ich kann mich also nicht einfach auf meinen Hintern setzen und darauf bauen, dass der Herr es schon richten wird, ich muss mich selbst kümmern. Als Christ hinterfrage ich natürlich nicht, warum das so ist. Ich finde darauf eine ganz einfache Antwort. Ich bin das Werkzeug Gottes, so etwas, wie sein verlängerter Arm. Was ich tue, ist sein Wille. Gott muss nicht zu mir kommen und mir sagen: "Junge, iss mehr Obst!" Wenn ich mehr Obst esse, so hat das Gott so gewollt, wenn ich es nicht tue, dann wollte Gott das auch so.

Als aufgeklärter Mensch müsse ich nun die Frage stellen, was sich überhaupt geändert hat. Es hat sich nichts verändert. Der einzige Unterschied ist, dass ich als Christ nun alle meine eigenen Entscheidungen und Taten als gottgewollt betrachten kann. Die Art und Weise, wie ich diese Entscheidungen treffe, hat sich aber nicht verändert. Wenn diese Entscheidungen sich aber, nach dem ich mein Leben in Gottes Hand gelegt habe, nicht verändert haben, dann müssen sie ja schon immer gottgewollt gewesen sein. Wie konnte ich also mein Leben in Gottes Hand legen, wenn er doch sowieso von Anfang an die totale Kontrolle über mein Tun und Handeln hatte?

Wenn ich nun ein Christ bin, so muss mich das alles gar nicht weiter verwundern. Da ich jetzt an meinen Gott glaube, weiß ich natürlich, dass er schon immer da war und immer da sein wird. Es ist also gar nicht verwunderlich, dass er mein Leben schon immer gelenkt hat, es hat nur einfach ein wenig gedauert, bis ich das für mich erkennen konnte.

Einen ganz großen Vorteil habe ich als Gläubiger jetzt darin, dass ich mich wegen persönlicher Verluste oder Misserfolge nicht mehr grämen muss. Ich finde jetzt Trost in meinem Gott. Wenn ein geliebter Mensch stirbt, so ist das zwar traurig, aber es war Gottes Wille und im Sinne seines Masterplans ist es sicher nötig und gut so. Wenn ich einen Fehlschlag erleide, so muss ich mir nicht unbedingt Gedanken machen, ob ich versagt haben könnte. Der liebe Gott hat es eben einfach nicht gewollt, dass mir mein Vorhaben gelingt. Und selbst wenn die Ursache des Misserfolgs eindeutig darin liegt, dass ich etwas falsch gemacht habe, so war es doch in einem höheren Sinne richtig und ich muss mir selbst deshalb keinerlei Vorwürfe machen. Ich könnte mit dieser Argumentation nun sogar noch weiter gehen und meine Missetaten durch Gottes Willen rechtfertigen. Der Herr hat mir die zehn Gebote an die Hand gegeben, damit ich ein tugendhaftes und rechtschaffenes Leben führen kann. Als Christ bin ich dazu angehalten, mich nach diesen Geboten zu richten, doch wenn ich es nicht tue, wenn ich mich entscheide, zu morden oder zu vergewaltigen, hat Gott dann nicht gewollt, dass ich das tue? Ich habe doch mein Leben in seine Hand gelegt, ich habe sogar erkannt, dass mein Leben schon immer von ihm gelenkt wurde.

Als aufgeklärter Mensch muss man nun fragen, warum dieser Gott es eigentlich zulässt, dass es überhaupt Kriege, Mord, Vergewaltigung, Totschlag und all die anderen kleinen und großen Verbrechen gibt. Entweder ist es sein Wille, dass solche Dinge geschehen, oder er toleriert es zumindest, indem er sich bei der Führung seiner Menschen in Zurückhaltung übt. Wenn wir nun einmal unterstellen wollen, dass dieser Gott nicht in Wahrheit der Teufel ist, dass dieser Gott sich nicht an Mord, Totschlag, Hunger, Krankheit, Tränen, Jammern und Elend vergnügt, so bleibt nur die Möglichkeit, dass er es schlichtweg toleriert. Dann hat dieser Gott zwar die Erde, die Tiere, die Menschen und alles andere geschaffen, beschränkt sich doch aber nun im Großen und Ganzen auf eine Rolle als Beobachter. Er hat uns Gebote gegeben, an die wir uns halten sollen um ein gottgefälliges Leben zu führen. Er hat aber offensichtlich nicht jedem Menschen die Kraft oder den Willen gegeben, nach diesen Geboten zu leben. Wer es schafft, im Sinne der christlichen Lehre, ein guter Mensch zu sein, der wird mit dem ewigen Leben im Paradies belohnt. Wer versagt, muss in der Hölle schmoren. Er hat also eine Menge von Individuen, ausgestattet mit unterschiedlichen Fähigkeiten, in eine Umgebung gesetzt und beobachtet nun, wie diese sich verhalten und entwickeln. Es drängt sich bei diesem Gedanken das Bild eines Wissenschaftlers auf, der ein paar Ratten in ein Labyrinth gesetzt hat und nun beobachtet, wie diese emsig und bemüht nach dem Ausgang und dem dort auf sie wartenden Leckerli suchen. Wenn es diesen Gott also gäbe, so wie wir es angenommen haben, so wären wir offensichtlich nichts als seine Laborratten, an denen er ein Experiment vornimmt.

Was bedeutet es also, sein Leben in Gottes Hand zu legen? Die Ratte kann nicht wissen, ob sie eine, in Freiheit geborene Wanderratte, oder eine in einem Institut gezüchtete Laborratte ist. Sie ist eine Ratte und als solche lebt sie ihr Leben. Genauso wenig weiß der Mensch mit Sicherheit, ob er ein freier Mensch ist oder ob er unter der Beobachtung eines omnipotenten Wesens steht und diesem als Studienobjekt dient. Selbst dann, wenn die Ratte wüsste, dass sie in einem Labor beobachtet wird, so würde es keinen Unterschied machen, ob sie ihr Leben bewusst in die Hände des Beobachters legt. Durch das Labyrinth muss sie sich so oder so allein und aus eigener Kraft kämpfen.

Ich bin überzeugt davon, eine in Freiheit lebende Wanderratte zu sein. Einige meiner Mitratten sehen das natürlich anders. Sie sind fest davon überzeugt, in einem Labor zu leben und sie sagen, sie legen ihr Leben in die Hand des Wissenschaftlers. Wer letztendlich Recht hat, kann niemand mit Bestimmtheit sagen. Sollte ich Recht haben, so wird es für die anderen sicher irgendwann schwierig, wenn sie in eine Situation kommen, in der sie sich auf den Wissenschaftler verlassen, der dann ja gar nicht da wäre. Und selbst wenn er da wäre, so würde er wohl kaum eingreifen, da das ja sein Experiment verfälschen würde. Wenn die anderen Recht haben und es diesen Wissenschaftler tatsächlich gibt, so stört mich das auch nicht weiter. Soll er doch beobachten, mehr tut er ja sowieso nicht. Sollten wir wirklich in diesem Labyrinth gefangen sein, so habe ich mindestens die selbe Chance, den Ausgang und das Leckerli als erster zu finden, wie die anderen.


Anmerkung von shadowrider1982:

Geschrieben am 01.12.2017

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(01.12.17)
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 Bluebird meinte dazu am 01.12.17:
Mir gefällt der Anfang sehr gut ... weil er zielsicher mein Versäumnis in den "Quelltext" offenbart. Ich hätte natürlich erklären sollen - oder muss es zumindest nachholen -wie denn so ein Leben unter der Regie Gottes überhaupt aussieht

Ansonsten finde ich den Text etwas zu lang geraten ... da sollte man vielleicht besser mehrere Abschnitte draus machen ... der durchschnittliche Online-Leser schafft nicht mehr als 20 Zeilen zu verarbeiten, denke ich mal

 Bluebird antwortete darauf am 01.12.17:
"Wie sieht den so ein Leben unter der Regie Gottes aus"?
Ich habe jetzt also mein Leben nach bestem Wissen und Gewissen in Gottes Hand gelegt. Doch was hat sich für mich dadurch geändert? Ob ich am frühen Morgen rechtzeitig wach werde, hängt nach wie vor davon ab, ob ich mir einen Wecker stelle. Gott kommt nicht zu mir, um mich zu wecken. Er kocht auch keinen Kaffee zum Frühstück.
Er sagt mir nicht, welchen Beruf ich ausüben soll. Er sagt mir nicht um elf Uhr abends, dass ich schlafen gehen sollte, um am nächsten tag fit für die Arbeit zu sein, zu dieser Erkenntnis muss ich, nach wie vor, selbst gelangen, egal wie spannend der Film ist, den ich mir gerade ansehe.
Gott sorgt nicht dafür, dass ich etwas esse. Und wenn ich selbst dafür sorge, dass ich etwas zu essen habe, dann sagt Gott mir nicht, ob ich Gemüse oder lieber Fleisch essen soll. Ich kann mich also nicht einfach auf meinen Hintern setzen und darauf bauen, dass der Herr es schon richten wird, ich muss mich selbst kümmern.
Ich greife mal den wichtigsten Punkt heraus: "Er sagt mir nicht, welchen Beruf ich ausüben soll" .... Ich kann dir versichern, dass ER dir KLIPP und KLAR macht, welchen Weg du da -Seiner Ansicht nach - einschlagen solltest ... und das betrifft auch alle anderen großen Themen deines Lebens

...ER zeigt dir klipp und klar Seinen Willen, wenn du dich Ihm öffnest und nicht dein eigenes Ding durchdrücken willst ... ob du heiraten sollst oder nicht, wenn, ja wen ...in welcher Stadt du leben sollst, welche Wohnung anmieten, welche Hobbies .usw

ER lenkt und leitet dich bis in die kleinsten Details hinein, wenn du dafür offen bist ... Aber ER respektiert immer deine Persönlichkeit und deine Bereitschaft zur Mitwirkung ... die 20 Zeilen sind voll

 Bluebird schrieb daraufhin am 01.12.17:
Falls du jetzt denken solltest : "An was für einen Spinner bin ich denn da geraten?", empfehle ich dir die folgende autobiografische Kurz-Geschichte ... sie verdeutlicht mein Statement im vorigen Kommentar : http://mauerblume-geschichten.blogspot.de/2017/08/mein-wundersamer-weg-auf-eine.html

Antwort geändert am 01.12.2017 um 18:54 Uhr
Graeculus (69) äußerte darauf am 01.12.17:
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