Kiezkicker

Anekdote zum Thema Erinnerung

von  Sylvia

Beim Besuch des Frühlingsdoms in Hamburg, Heiligengeistplatz, 12. April 2006, war das Gegröle etlicher Fußballfans zu hören. An diesem Abend spielte FC St. Pauli – Bayern München das DFB-Halbfinale der Saison 2005/06 im Millerntor Stadion, das quasi am Dom angrenzte. Seit Wochen gab es keine Karten mehr für das Spiel. Mit geschlossenen Augen atmete ich die Geräusche ein.
Nun bin ich eingefleischter St. Pauli Fan, nicht weil ich mich profimäßig mit Fußball auskenne, sondern weil sie meine Herzensmannschaft ist und ich die Familientradition aufrechthalte.
Rückblende: Nach der Flucht aus Ostpreußen strandete mein Vater mit seiner Mutter und Geschwistern auf dem Kiez. Wenige überlebende Familienmitglieder fanden über die nächsten Jahrzehnte wieder zu uns. So kam es, dass mein Daddy dort aufwuchs. Hautnah erlebte er das Wunderteam und natürlich kannten sie sich, wie auf dem Dorf üblich, untereinander. Wie mir versichert wurde, war ich schon im Krabbelalter auf dem alten Kickerplatz. Daddy nahm meine Geschwister und mich zu jedem Spiel mit. Ich erinnerte mich, auf dem Platz zu spielen, während die Mannschaft trainierte. Leider besitze ich keine Erinnerung daran, dass ich des Öfteren auf der Jagd nach dem Ball die Spieler behinderte und stur auf meinen Ballbesitz beharrte. Als ich älter wurde hielten wir uns ebenfalls auf dem Platz auf. Nach den Spielen sammelten wir die Glasflaschen auf, wobei die Platzwärter halfen und für Gerechtigkeit sorgten. Ebenso mischten sich die Spieler ein, wenn wir unsere Streitereien übertrieben auskämpften. Ihnen war es wichtig, dass wir nach jedem Streit dem anderen in die Augen sahen und die Hand reichten.

Mit dem Gefühl wieder ein Kind zu sein schlug ich die Augen auf. Ein Security Angestellter öffnete das Tor und ließ einige Fußballfans heraus. Er kam auf mich zu, schwang den Kopf zur Schulter und nickte. Überrumpelt deutete ich auf meine Bierflasche. Er zeigte mit dem Finger auf meine Jacke und ging voran. So fand ich mich ohne Eintrittskarte auf den Rängen hinterm Tor der Bayern wieder. Oliver Kahn stand darin und ich sang laut und übermütig mit den Fans ein Lied über Verena. St. Pauli verlor ungerechterweise.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (10.12.17)
Der Schlussabsatz scheint etwas missverständlich zu sein: Ein Security Mensch begleitet den Protagonisten hinters Tor? Wozu? So steht es jedenfalls im Text...

"Halbfinale der Saison 2005/06": Auch missverständlich; vieleicht das "Halbfinale der DFB-Pokalsaison 2005/06"??? Ein großer Unterschied.

Kommentar geändert am 10.12.2017 um 14:17 Uhr

 Sylvia meinte dazu am 10.12.17:
Ja, Du hast Recht. :) Ich ergänze den Text und danke für die Rückmeldung.
LG Sylvia

 LotharAtzert (10.12.17)
Ich hab immer mit dem Ewald gelitten. Weißt Du, der ist Steinbock und da wusste ich, wie der leidet ... ach ich könnt' schon wieder flenne ...

 Sylvia antwortete darauf am 10.12.17:
Ja, der hatte doch die schwere Oberschenkelverletzung..brrr..da hab ich mitgelitten.
Ich bin Schütze, was sagt das über mich?
LG Sylvia

 LotharAtzert schrieb daraufhin am 10.12.17:
Da wird alles in ein Gefüge gefügt, was bei drei nicht auf den Bäumen ist;)))
zwinkerzwinker
L.

 Sylvia äußerte darauf am 10.12.17:
lach* Na, langsam fügt sich alles zu einem grooooßen Bild zusammen :D

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 25.12.19:
SEHR befremdlich wirkt auch das Komma in "Mit geschlossenen Augen, atmete ich die Geräusche ein."

Ansonsten auch ein zweites Mal gerne gelesen.

 Didi.Costaire (10.12.17)
Schade, dass es kein Happyend gab.
Liebe Grüße, Dirk

 Sylvia meinte dazu am 10.12.17:
Das wäre natürlich die Perle der Krönung gewesen :)
Mit den Fans konnte man hinterher feiern, weil die Mannschaft gut spielte und kämpferisch verlor.
Danke und lieben Gruß
Sylvia

 princess (10.12.17)
So schnell kann man wieder in die eigene Kindheit entführt werden. Schön finde ich das!

Liebe Grüße
Ira

 Sylvia meinte dazu am 10.12.17:
Ach, so richtig nostalgisch was emotional auf mich einstürmte :)
Danke dir fürs mitempfinden.
LG Sylvia
Sätzer (77)
(10.12.17)
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 Sylvia meinte dazu am 11.12.17:
Na, Uwe, bei Dir scheinen ebenso Erinnerungen hochzukriechen :D

Hab vielen Dank
LG Sylvia

 harzgebirgler (10.12.17)
wenn wer wie kühne* zu st. pauli hält
gestehe ich daß mir das sehr gefällt!

herzliche advents- & abendgrüße
von henning, der deinen textbeitrag gerne las

*https://www.fcstpauli.com/business/sponsoren/kuehne/

 Sylvia meinte dazu am 11.12.17:
Loyalität wird oft zu wenig geschätzt,
doch so ein Senf Begleiter ist sehr nett :)
Grinsegrüße
Sylvia

 EkkehartMittelberg (10.12.17)
Liebe Sylvia, wahrscheinlich weißt du, dass die Anhänger des FC St.-Pauli für ihre Tribünenkommentare berühmt sind. Hier eine Kostprobe zur Erinnerung:
http://www.spiegel.de/sport/fussball/st-pauli-fans-zwischen-ironie-und-schnappatmung-a-1128167.html
LG
Ekki

 Sylvia meinte dazu am 11.12.17:
Danke für die lustige Seite, lieber Ekki.
Die Fans sind in der Tat sehr fantasievoll, vor allem, wenn sie die Gegner damit irritieren wollen :D

Hab Dank
LG Sylvia

 GastIltis (14.12.17)
Liebe Sylvia, wer selbst gespielt hat oder Fan war, kann ein Spiel ER-leben. Das darüber hinaus ist Kinderkram. Und wer Fan war, echter Fan, der legt es über den Tod hinaus nicht ab. Ein Fan kann sich freuen; in der Freude schwingt immer das Leiden mit. Fan bei Bayern München? Schwer vorstellbar. Geld schießt keine Tore. Stimmt! Jetzt weiß ich, warum ich einen Widerwillen gegen das Einkaufen habe …
LG von Giltis.

 Sylvia meinte dazu am 14.12.17:
Tja, die Fußballwelt mutierte zum Einkaufszentrum. Herzensspieler haben eben Herzensfans, also mich :)
Hab einen feinen Abend
LG Sylvia

 harzgebirgler (09.02.18)
wer zu st. pauli hält macht nichts verkehrt
und treue ist eh aller ehren wert.

herzliche abendgrüße
henning
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