Der Fernseher spricht (1)

Fernsehspiel

von  autoralexanderschwarz

„Du bist nicht schuld“, sagt der Fernseher sanft,
„du kannst ja gar nichts dafür, dass es Anderen so schlecht geht, du kannst stolz sein auf dein Haus, dein Auto und deine anderen Statussymbole, denn du hast dir das verdient, du warst schlauer als die Anderen, hast härter gearbeitet, dich mehr angestrengt, dir mehr Mühe gegeben und wenn nicht, dann haben sich zumindest Andere für dich mehr Mühe gegeben oder du hast Glück gehabt, auf jeden Fall hast du es zu etwas gebracht, du verdienst gutes Geld und du kannst dir die teureren Produkte leisten.“

„Du kannst nichts dafür, dass es Kriege gibt, Folter und Hungerbäuche“, flüstert der Fernseher, „du selbst hast ja nie jemanden gefoltert, keinen Krieg begonnen und seit man dich wählen lässt, machst du dein Kreuzchen bei Parteien, die mit Frieden und Völkerverständigung werben. Du siehst nicht so gern die Bilder von toten Kindern und das ist o.k, wer mag die schon, und es gibt doch so viele Alternativen: alles, was seicht ist, gibt es hier zuhauf, du kannst dich überall bedienen und wenn du nichts finden solltest, kannst du immer noch streamen, Folge um Folge irgendeiner fiktiven Realität folgen, in der es Spannung, Böse und Gute und niemals Kinderleichen zu sehen gibt.“

„Du hast dir das verdient“, schmeichelt der Fernseher,
„nach so einem harten Arbeitstag, nach so einer harten Woche und man kann ja ohnehin nichts ändern, niemandem ist geholfen, wenn du auf etwas verzichtest und warum soll man sinnlose Opfer bringen? Warum soll man sich mit Ländern und Menschen auseinandersetzen, die so weit fort sind, die halt Pech gehabt haben, so wie du selbst auch schon manchmal Pech gehabt hast, – was soll man da schon tun? – klar gibt es da diese Spendenkonten, aber da kommt ja zumeist am Ende eh nur ein Teil des Geldes an und man weiß ja auch ohnehin nicht, wen man da wirklich unterstützt und überhaupt ist es gemein in diesen Hochglanzbroschüren mit den traurigen Kinderaugen zu werben. Man will sich ja schließlich nicht manipulieren lassen.“

„Du bist nicht verantwortlich“, beruhigt der Fernseher,
„es gibt da ja schon genug staatliche Stellen, die sich kümmern, da fließen doch schon Millionen und überhaupt hat man sich ja schon in dieser ganzen Flüchtlingssache verdient gemacht, irgendwann ist auch einmal genug, wie viel Steuergeld wurde denn da schon ausgegeben, um all den Menschen zu helfen, die da fliehen, dabei gäbe es ja auch im eigenen Land genug zu tun, das Schlagloch, beispielsweise, auf dem Weg zur Arbeit, das über die Jahre ohne Frage die Stoßdämpfer des neuen SUV beschädigen wird, da leistet man ja jeden Morgen ungewollt schon seinen Beitrag für die ganzen Flüchtlingsheime, wobei einem das dann ja schon Sorgen macht, diese ganzen fremden Gesichter, wenn man an den Bushaltestellen vorbeifährt.“

„Am besten bleibst du abends zuhause“, rät der Fernseher,
„denn die Welt dort draußen ist jetzt nicht mehr die, die sie mal war. Wenn du nicht aufpasst, dann wirst du von Gruppen wütender, junger Männer vergewaltigt, Taschendiebe lauern auf dein hart verdientes Geld und in den Kantinen gibt es bald gar kein Schweinefleisch mehr; nicht dass du selbst dort essen würdest, das Essen ist zu schlecht, aber wo soll das denn hinführen, bald bekommt man nicht mal mehr ein Schnitzel und Schnitzel hast du zwar nie besonders gemocht, aber es geht auch um die Freiheit und darum, dass man essen darf, was man will, trotz der Hungerbäuche, trotz der Kinderleichen und wenn die in unserer Situation wären, dann wären die nicht so tolerant und hilfsbereit wie wir.“

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Kommentare zu diesem Text

toltten_plag (42)
(19.01.18)
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 autoralexanderschwarz meinte dazu am 19.01.18:
Erst mal vielen Dank für deinen Kommentar. Ich bin mir nicht so richtig sicher, ob du jetzt einfach den Stil des Textes adaptierst (und ihn in diesem Sinne fortsetzt) oder ob du mich meinst, wenn du bspw. – doch durchaus rhetorisch – fragst, ob „dieses System und die Millionen, die es auf Jahre und Jahrzehnte raus in ihrer Armut fesselt“ zu bejahen sind. Du echauffierst dich da ein wenig ins Leere. Ich verstehe auch nicht ganz die Stoßrichtung deiner Kritik. Wirfst du einem literarischen Text vor, dass er bestimmte Missstände nicht kritisiert, weil er sich anderen widmet? Oder bist du der Meinung, dass nur noch Sachtexte geschrieben werden sollten, die sich solchen Themen aus einer wissenschaftlichen Perspektive nähern und Thesen, Antithesen und Synthesen proklamieren? Darf man nur noch Kritik äußern, wenn man sich im Besitz der Lösung für ein Problem glaubt? Ich erachte es durchaus als legitim „eine See von Problemen der Menschlichkeit in der Welt“ zu skizzieren, eigentlich fasst es das ganz schön, aber zentral ist m. E. in diesem Text eher das vermeintlich „gute Gewissen“ im Kämmerlein vermeintlich „guter Menschen“. Und die 1 in Klammern hinter dem Titel bedeutet, dass ich das Ganze eigentlich auch durchaus noch ausführen wollte. Warst du nicht derjenige, der mir riet keine so langen Texte auf einmal zu posten? So weit sind wir gar nicht auseinander und zumindest schimpfst du diesmal nicht auf Franziska Drohsel.

AlX
Zwibelrohr (42) antwortete darauf am 19.01.18:
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 autoralexanderschwarz schrieb daraufhin am 22.01.18:
Danke für die Aufklärung und sorry für die Verwechslung.

 Dieter_Rotmund (19.01.18)
Mir ist der Text zu moralinsauer.

 autoralexanderschwarz äußerte darauf am 19.01.18:
Auf jeden Fall evoziert er augenscheinlich Abwehrmechanismen.

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 19.01.18:
Was für "Abwehrmechanismen"? Und was soll das belegen?
Falls Du glaubst, der Text sei inhaltlich prvokant: Er ist es nicht.

 autoralexanderschwarz meinte dazu am 19.01.18:
Zumindest ebenso wenig provokant, wie dein Kommentar apodiktisch.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 19.01.18:
Ja, das höre ich des Öfteren.
Das Problem mit "Der Fernseher spricht" ist, dass es sich über die Leser erhebt, besser sein will als diese. Im Grunde ist es eine Predigt. Fernsehen ist nicht per se böse, sondern nur so gut oder so schlecht wie seine Zuschauer.

 autoralexanderschwarz meinte dazu am 19.01.18:
Das ist mir ja ohne Frage klar. Ich möchte ja auch gar nicht das Fernsehen als Medium pauschal kritisieren. Ich finde ohnehin, dass der Text eher so eine Art Stream ist, in dem das, was der Fernseher sagt, in die Gedankengänge des Zuschauers übergeht und ich nehme mich davon (also dass man als vermeintlich richtig erkannte Dinge aus Bequemlichkeit nicht tut und sich dafür Erklärungen zurechtlegt) ganz ungeachtet des Umstandes, dass dies ein literarischer Text ist, auch gar nicht aus.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 19.01.18:
Ich möchte ja auch gar nicht das Fernsehen als Medium pauschal kritisieren.
Das ist Dir nicht gelungen.

 autoralexanderschwarz meinte dazu am 19.01.18:
Zumindest in dem Punkt gebe ich dir recht. Man kann das so lesen.

 princess (19.01.18)
So ein Fernseher ist einfach kein Weitblicker!

Liebe Grüße
princess

 autoralexanderschwarz meinte dazu am 19.01.18:
Diese Rolle hatte ich ihm auch nicht zugedacht.
Lieben Gruß zurück
AlX
ZUCKERBROToderPEITSCHE (60)
(19.01.18)
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 autoralexanderschwarz meinte dazu am 22.01.18:
Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Vielen Dank für deinen Kommentar und der nächste Teil kommt bald (muss ihn nur noch abtippen).
Besten Gruß zurück
AlX
Sabira (58)
(19.01.18)
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 autoralexanderschwarz meinte dazu am 22.01.18:
Jep, so ist es wohl. Nietzsche beschreibt das so ähnlich, man muss die Grenze im Verneinen finden, um sich dabei nicht das eigene Leben zu zerstören, aber das ist immer eine schwierige Abwägung. Danke für deinen Kommentar.
Lieben Gruß zurück
AlX
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