Nun lasse ich mich treiben

Gedicht zum Thema Einsamkeit

von  GastIltis

Es war die Einsamkeit, mich zu bewahren,
den Fluss zu queren in nachtschwarzer Zeit.
Die Qualen ließen nach in all den Jahren
und reichen doch bis in die Ewigkeit.

Mich hielt die Müdigkeit, das Boot zu nehmen,
um ihn zu zwingen, diesen kalten Fluss.
Vielleicht ließ mich die alte Vorsicht lähmen.
Sie ist und bleibt mein stetiger Verdruss.

Es war die Unvernunft, nur zu verharren.
Warum? Das weiß ich heute auch nicht mehr.
Ich war genauso blind wie andre Narren,
so einsam, müde, hoffnungslos und leer.

Als Strandgut lasse ich mich nur noch treiben;
am Ufer will ich gerne liegen bleiben.


Anmerkung von GastIltis:

Empfohlen von: AZU20, Dieter Wal, EkkehartMittelberg, Gerhard-W., Graeculus, niemand, plotzn, Sanchina, Sätzer, Stelzie, Sylvia, TassoTuwas, TrekanBelluvitsh, unangepasste, wa Bash.
Lieblingstext von: Graeculus, Sanchina.
Vielen herzlichen Dank!

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Kommentare zu diesem Text

Gerhard-W. (78)
(26.01.18)
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 GastIltis meinte dazu am 27.01.18:
Lieber Gerhard, danke für deine Deutung. Natürlich kann man sich dem nicht verschließen, auch wenn z.B. der griechische Strand für uns ein Märchen war. Melancholie hat ihre Eigenheiten. Mein Großvater hat für seine Tochter (meine Mutter) auf Platt mal ein Gedicht geschrieben, das so anfing: „Mensch, wenn ich dir raten kann, gewöhn dir nicht das Grübeln an ...“ Manchmal hat man solche Phasen; dann ist es oft gut, allein zu sein. LG von Gil.

 Sylvia (26.01.18)
Guten Morgen äh, fast Mittag Gil,
Dein Gedicht fasziniert mich, doch das Thema Einsamkeit trifft es nicht wirklich, sondern ausgelaugt oder des Lebens müde ist m.E. eine Steigerung von Einsamkeit.
Die 1. Strophe erinnerte mich an den Tod, der vielleicht Styx überqueren wollte? Das LyrI befindet sich in einer schwarzen Zeit, dass ich als depressiv interpretiere.
In der 2. Strophe irritierte mich das ‚zwingen‘. Doch dann erschien es mir, als stünde das LyrI zwanghaft unter Erklärungsnot. Diese Erklärungsversuche ziehen sich durch die 3. Strophe und dann auf einmal Gegenwart. Das sich treiben lassen, loszulassen, mal sehen, wohin es führt und dort gerne liegenbleiben. Das liest sich wie eine Befreiung :)
Gerne gelesen
LG Sylvia

 GastIltis antwortete darauf am 27.01.18:
Liebe Sylvia, der Begriff „depressiv“ ist vielleicht etwas überzogen. Ein Beispiel dazu: vor einigen Jahren hatte ich ein paar ähnliche Gedichte in das Gästebuch einer forum-ähnlichen Einrichtung gepostet, zunächst ohne Reaktionen, bis sich dann jemand meldete, um mir anzubieten, dass ich meine Probleme (Drogen, Alkohol, Suizidgefahr) eventuell mal in einer Nachtsendung (von eins bis zwei) bei Jürgen Domian zur Diskussion stellen sollte. Damit hatte ich weder gerechnet, da keines der Probleme bestand, sodass ich alles richtig stellte und ab dem Zeitpunkt dort keine Zeile mehr platzierte.
Wenn du diese Sicht mal beachtest, und, dass dies Gedicht später entstand, dann könnte man deiner Interpretation ab Strophe zwei folgen. Es ist ein Gedicht; Spiegelbild des Ich? Wer weiß es? Ob das Treibenlassen bzw. am Ufer-Liegenbleiben eine Befreiung ist, stelle ich mal in den Raum. Danke für die Intensität deiner Beschäftigung und liebe Grüße von Gil.

 TassoTuwas (26.01.18)
Treib gut Gasti,
denn so nett ist Treibgut ))
LG TT

 GastIltis schrieb daraufhin am 27.01.18:
Hallo Tasso, sehr liebenswürdig von dir. So nett mag ich nicht schreiben, weil ich damit nicht zurecht komme: zu den Begriffen These, Antithese, Synthese usw. habe ich leider keine Bindung. Vierzehn Zeilen: OK. Ich lasse mich halt treiben. Dank und Gruß von Gil.

 TrekanBelluvitsh (26.01.18)
Woanders is auch nur scheiße...

 GastIltis äußerte darauf am 27.01.18:
Hallo Trekan,
„ ...als sie ihn verhaften wollten, bat er um Gelegenheit,
einen Vorgang abzuschließen. Man erklärte sich bereit.
- - -
Darauf mit grüner Seife machte sich geschmeidig wie ein Aal
Nettelbeck. Dann stieg er sachte und beherzt in den Kanal.

Diesen Trick, der selbst Artisten Mühe kostet und Gefahr,
konnte Nettelbeck sich leisten, weil er Rettungsschwimmer war...“
In diesem Sinne: danke und Graßhoff und Gil grüßen dich.

 EkkehartMittelberg (26.01.18)
Fast ist die Form zu schön, um die Einsamkeit als glaubwürdig erscheinen zu lassen. Doch nein, warum sollte Einsamkeit hässlich sein?
Liebe Grüße
Ekki

 GastIltis ergänzte dazu am 27.01.18:
Hallo Ekki, nach Victor Hugo: „Melancholie ist das Vergnügen, traurig zu sein.“ oder
„thut jemand in sich selbst aus vorwitz einen blick,
so schielt er nur dahin und zieht sich gleich zurück;
und wer aus steifem sinn, mit schwermuth wohl bewehret,
sein forschend denken ganz in diese tiefen kehret,
findt oft für wahres licht und immer helle lust
nur zweifel in den kopf und messer in die brust.“ Haller (Grimmsches Wörterbuch)
Es ist schon schwierig mit der Einsamkeit. Danke + LG von Gil.

 Dieter Wal (26.01.18)
Metrisch sehr schön durchgeformt. Wie du die drei Quartette beginnst mit "Es war die Einsamkeit", "Mich hielt die Müdigkeit" und "Es war die Unvernunft" gefällt mir. Sie verleihen dem Shakespeare-Sonett ein Eigengewicht, das in seiner Eigenart vielleicht auch dadurch überzeugend und glaubhaft wirkt.

"Wie Strandgut lasse ich mich nur noch treiben" Nimm statt "wie" - Als. Es ist keine Metapher und kein Vergleich. Du b i s t das Wrack. Dadurch wirkt es einen Tick stärker.

Kommentar geändert am 26.01.2018 um 19:47 Uhr

 GastIltis meinte dazu am 27.01.18:
Hallo Dieter, dein Kommentar freut mich sehr. Dabei kann ich mit Sonetten nicht umgehen. Mir fehlen dazu einfach die elementarsten Grundbegriffe. Worte, Sätze, damit versuche ich mich. Wenn etwas heraus kommt, wie es dieses Mal geschehen ist, wundere ich mich gelegentlich selbst. Dennoch will ich mich deinem Vorschlag stellen.
Obwohl ich meine, dass das „Wie“ erkennen lässt. auch lassen soll, dass ich als Individuum noch existiere, während das „Als“ mehr darauf hindeutet, dass vom Individuum nur noch nahezu „lebloses“ Strandgut verblieben ist, habe ich deinen Vorschlag übernommen. Ich vertraue da intuitiv ein wenig auf deine größere Erfahrung im Umgang mit Menschen.
Danke und herzliche Grüße von Giltis.
Graeculus (69)
(26.01.18)
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 GastIltis meinte dazu am 27.01.18:
Lieber Graecu, du solltest dein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Sieh mal, als ich angefangen habe, mich in Foren zu präsentieren, das war Anfang 2012, war ich älter als du es jetzt bist. Und dabei hast du einen Bildungs- und Wissensstand, an den ich nicht annähernd heranreiche. Zum Lernen, heißt es, wäre es nie zu spät. Das ist jetzt, was meine „Sonettfähigkeiten“ betrifft, quasi ein Eigentor. Nein, so wie es ist, scheint es gut zu sein. Wenn ich jemand ansprechen kann, bin ich froh. Anders herum: was mich anspricht, das kennzeichne ich auch, das ist dann etwas, das ich nicht missen möchte! Danke und viele Grüße von Gil.

 AZU20 (28.01.18)
Gelungenes Treibgut. LG

 GastIltis meinte dazu am 29.01.18:
Hallo Armin, die Grüße und Zeilen sind angekommen. Danke + LG zurück von Gil.
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