Weiter schauen als nach Rechts

Kommentar zum Thema Aktuelles

von  eiskimo

Ja, es gibt in unserer Gesellschaft (und in Europa insgesamt) einen Rechtsruck, und wahrscheinlich spiegelt sich das auch bei KV. Dies ist ernst zu nehmen, und es ehrt jeden Demokraten, sich aktiv gegen diese Entwicklung zu stemmen.
Ich sehe aber aktuell ein paar viel bedrohlichere Zeichen, Veränderungen, die unsere Demokratie viel massiver in Frage stellen. Nämlich dass bei uns immer größere Gruppen völlig a-politisch werden. Sei es, weil sie sich nicht wahrgenommen fühlen und vom System enttäuscht sind (z.B. Verlierer der deutschen Wiedervereinigung, Einwanderer...) , sei es, weil sie gar nicht erst die Eingangsvoraussetzungen mitbringen (wollen) für diese Staatsform: Sie lesen nicht, sie verfolgen nicht die Nachrichten, sie zucken beim Thema Politik einfach nur mit den Schultern – scheinbar zu kompliziert, zu weit weg, zu langweilig.
Diese Gruppe der total Weggetauchten, die macht mir Angst. Einmal, weil sie enorm schnell anwächst, vor allem bei den jüngeren Leuten. Zum anderen, weil unser relativer Wohlstand gepaart mit hinreichender staatlicher Fürsorge – bei gleichzeitig wegbrechenden Sozialbindungen – ein total unpolitisches Leben akzeptabel, ja, sogar attraktiv macht. Es läuft doch alles ganz passabel. Und wirklich existentielle Not (oder gar Ideale, Weltanschauungen, Vorbilder) die zu politischem Aktiv-Werden führen könnten, die gibt es ja kaum noch.
Folge: Unserer scheinbar so gut ausgestatteten Demokratie – zu deutsch: Herrschaft des Volkes – der läuft das Volk davon.  Was das für die politische Willensbildung und die Kontrolle der Macht im Lande bedeutet, lässt sich leicht ausmalen. Nein, nicht etwa Nazis oder Rechtspopulisten nutzen das  vorhandene Vakuum. Die lenken bestenfalls von der eigentlichen Gefahr ab. Es gibt nämlich finanzgewaltigere, viel besser organisierte und vor allem mit der Politik intensiv verzahnte Kräfte, die nun ihre politische Einflussnahme ausweiten können: Konzerne, Multis, Global Players, die längst schon die Spielräume für eine die Gesellschaft gestaltende und Umwelt bewahrende Politik enorm eingeengt haben. Giganten wie Apple, Microsoft oder Google, die sich weltweit längst über die bestehenden Normen gesetzt haben  - mit welcher Strategie auch immer, die machen mir Angst.  Da sie auch wesentlichen Einfluss auf wichtige Medien und Kommunikationsmittel haben, da sie über jedes Smartphone aushorchen, was geade angesagt ist, kennen und steuern sie die Massen, kontrollieren die öffentliche Diskussion, sprich: Lenken geschickt von allem ab, was ihnen schaden könnte. Orwells "1984" ist angebrochen.
  Wache Bürger, kritische Journalisten, freche Literaten könnten dieser schleichenden Entmündigung etwas entgegen setzen. Sie könnten ein weiteres Abtauchen  der  Menschen ins private "Soma", die politische Debilisierung zumindest bremsen. Sie müssten es nur bald tun.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (15.02.18)
Wenn du zu den Konzernen, den Multis und Global Players noch die Entpolitisierung durch die wachsende Unterhaltungsindustrie hinzunimmst, wird klar, dass die hidden persuaders beste Chancen haben, Demokratie zu destabilisieren.
LG
Ekki

 eiskimo meinte dazu am 15.02.18:
Ja, da sind wir einer Meinung. Unterhaltung, Spaß, Infotainement, Events u.Ä. sind zu einer Ersatzreligion geworden- wer oder was sollte da die Leute für so was Trocken-Abtörnendes wie Politik begeistern?
Wer das einmal durchschaut hat, darf nicht schweigen
vG
eiskimo
Graeculus (69)
(15.02.18)
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 eiskimo antwortete darauf am 15.02.18:
Ja, so ist das sehr gut übersetzt. Wenn die Weggucker wenigstens nur in der Gartenlaube ins Internet abtauchten - aber man sieht sie ja jetzt überall wie Ferngesteuerte "online" in Bussen/Bahnen, im Straßenbild, bei jeder sich bietenden Atempause. Wo sollen die mal auf eine klugen Gedanken kommen?
Trotzdem/Und deshalb halten wir dagegen!
eiskimo
fdöobsah (54)
(15.02.18)
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 eiskimo schrieb daraufhin am 15.02.18:
Danke für die ausführliche und mich auch überzeugende Stellungnahme. Bei den "Konzernen" hätte man mit Fug und Recht auch die Banken anführen können und die Zocker, die mit dem von Anderene erwirtschafteten Werten per Mausklick ihre dicken deals machen.
Was meine "Angst-Formulierung" angeht: Die ist in der Tat krumm, da gibt es präzisere Ausdrücke.
Ich denke, wir bleiben wach und Du sicher auch frech
eiskimo

 idioma (15.02.18)
Otto Dix war der Maler, der mit jedem Bild das "Wegschauen" angeklagt hat ( s. z.B. "Großstadt-Triptychon" von 1927 ) und
einzelne "Wache Bürger, kritische Journalisten, freche Literaten"
vor und während dem Krieg werden heute verspätet als klarsichtige Helden gefeiert, aber dennoch wird das Wegschauen ( und sich möglichst Amüsieren ) ungebrochen weiter praktiziert, weil man ja als einzelnes Privatwürmchen im "Soma" (hab gegoogelt) den ökologisch unaufhaltsam schleichenden und atomar plötzlichen Weltuntergang sowieso nicht verhindern kann......
" Gartenlaube Internet " das trifft´s pervers perfekt !
idi

 eiskimo äußerte darauf am 15.02.18:
Schön, dass Du den Bogen zur Malerei schlägst - da kenn ich mich nicht so aus (wenn Dix mir schon auch ein Begriff ist). Der hätte zu unserer Diskussion sicher auch sehr giftige und drastische Bilder gefunden!
lG
eiskimo
Sätzer (77)
(15.02.18)
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 Didi.Costaire (15.02.18)
"Soma" stammt aus Huxleys "Brave New World", die der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft vielleicht noch näher kommt als Orwells Prognose. Abgesehen davon eine kluge Analyse. Lesenswert.
Beste Grüße, Dirk

 eiskimo ergänzte dazu am 15.02.18:
Danke für die positive Rückmeldung - das freut mich. So genau hatte ich das mit dem "Soma" auch nicht mehr auf dem Schirm. Aber beide Bücher haben schon eine irritierende Aktualität!
Beste Grüße
eiskimo
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