Ein Tombstone Kommentar

Tragikomödie zum Thema Friedhof

von  Lala

Liebes Tagebuch,

mich hat kürzlich ein alter Gringo in sein Westerndorf eingeladen. Irgendwo in Bad Fallingbostel bei Hannover. Ich kann mir ja nichts Langweiligeres, Durchgekauteres und Sackflötenblöderes als Bad Fallingbostel vorstellen -  vielleicht noch Salzgitter – aber gut wo hat man sich denn nicht schon alles hingeschrieben?

Die ganze Szenerie ist in 80mm Breitwand Sepiatöne getränkt. Es ist später Nachmittag eines heißen Tages.  Die Sonne blutet schon am Horizont. Hund Ennio spielt an seiner Flöte. Immer wieder purzelt Wortgesträuch, getrieben von heißer Luft über die staubige Straße. Hoch auf einem weißen Blatt Papier, rolle ich auf der Mainstreet in die menschenleere Stadt. Links und rechts trage ich zwei fette, silberne Füller und mein Patronengürtel ist gefüllt mit schwarzgetränkten Lettern.

Wie ich da so auf meiner blanken Druckerfahne entlangrolle, höre ich plötzlich von rechts unter einem Vorbau der Einleitung das Ausspucken eines lange vorher schon durchgekauten Satzes: "Hey, Fremder!"

Ganz, ganz langsam stoppe ich mein Rollen. Der Typ sitzt kaum zu erkennen im Schatten auf einem vor sich hin knarzenden und schaukelnden Essay. Noch langsamer als er sich erhebt, wende ich meine, tief unter einer Groschenromankrempe verborgene, grimmgeborene Visage zu ihm.
„Kennen wir uns?“
Aus dem Schatten löst sich ein Kerl und bei jedem seiner gemächlichen Schritte, höre ich das Geklingel seiner Verbalsporen. Dann steht er da: Ein cooler, schwuler aber schmächtiger Gringo mit Sombrerotext.

"Aus Fallingbostel?", frage ich ihn verdutzt.
Er schüttellt stumm seinen penisförmigen Quadratschädel und reißt mit einem Stummel von einem Bleistift an seiner Satzsohle einen Textausriss von "Also, sprach Zarathustra" an, steckt ihn in seinen Mund und  inhaliert ganz tief auf Lunge.
Ich huste für ihn prophylaktisch.

"Erkennst Du mich nicht?" stößt er schließlich hervor.
"No", antworte ich wahrheitsgemäß.
"Hmm", sagt er und machte eine lange Pause. Wir starren uns aus azurblauen "As" an.

"Du warst der Erste."
"Ich bin nicht schwul, schreibe schwarz auf weiß … ."
"Idiot." , unterbricht er barsch meinen Satz.
Meine linke Hand zuckt automatisch zum rechten Füller, doch bevor ich schreiben kann, sagt er:
"Du warst der erste der mich kommentiert hat."
"Ok?"
"Nicht Ok. Aber ich habe auf Dich gewartet."
"Echt? Wie lange denn schon?"
"Seit der Professor tot ist. Seit ich ihm meinen Füller so tief ins Heft gebohrt habe, dass er ... ."
"OK, ok, ok, keine Details. Danke. Und was soll ich jetzt machen?"
"Du sollst auch der Letzte sein, der mich kommentiert."

Da liebes Tagebuch habe ich echt gedacht, dass der Gringo voll sauber einen an der Klatsche hat und bin aus bei Hannover wieder rausgerollt.


Anmerkung von Lala:

für t-h


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Kommentare zu diesem Text


 Isaban (19.02.18)
Hallo Lala,

meine Laune erfährt ob des von dir inszenierten Kopfkinoreißers grade wieder Aufschwung, ich fühle endlich meine Mundwinkel wieder, Tendenz ebenfalls en haut.

Erst das Gemeckere:

Zwischen Abschnitt 2 und 3 wechselst du von der Gegenwartsform in die Vergangenheitsform. Im Prinzip würde es ja reichen, die ersten beiden Abschnitte auch in die Vergangenheit zu versetzen, aber als Leser ist man in der Gegenwart immer irgendwie "mittendrinner".

"Ich kann mir ja nichts langweiligeres, durchgekauteres und sackflötenblöderes"

Werden Adjektive als Substantive verwendet (oft durch bestimmte Artikel oder aber durch vorangestellte unbestimmte Mengenangaben wie nichts, etwas, viel etc. gekennzeichnet), müssen diese groß geschrieben werden.

Bei den "Azurblauen As" wird das Azurblaue übrigens klein geschrieben, die großen As haben sich zu Substantiven erhoben, das Azurblaue, das ich jetzt gerade durch das "das" substantiviere, hat in deinem Satz nur Adjektiv-Funktion.

"und bin aus bei Hannover wieder rausgerollt." bedeutet, dass der Protagonist das Kaff aus seinem Gedächtnis gestrichen hat? Subtil, aber als Stilmittel ganz spannend. ;)

Da müssen ab und an noch ein paar Kommata ein- oder ausgebaut werden.


Ansonsten: Mit Vergnügen gelesen!

Meine absolute Lieblingsstelle:

Wie ich da so auf meiner blanken Druckerfahne entlangrollte, hörte ich plötzlich von rechts unter einem Vorbau der Einleitung das Ausspucken eines lange vorher schon durchgekauten Satzes: "Hey, Fremder!"

Liebe Grüße

Sabine

 Lala meinte dazu am 21.02.18:
Danke für die Korrekturen und den Hinweis auf die durcheinanderpurzelnden Zeitformen. Sollte jetzt im Praesens stehen. Freut mich wenn Dir der Text ein kleiner Aufheller war.

 princess (19.02.18)
Okay, ich gebe es zu: Der Titel hat mich eher davon abgehalten, diesen Text anzuklicken. Was soll ich denn bei so einer Schmarrn-Überschrift schon erwarten?

Umso größer wurden dann meine Augen und auch mein Gegackere beim Lesen. Rauchende Colts mit leisen kV-Anklängen, das hat schon was. Besonders schön:
mein Patronengürtel ist gefüllt mit schwarzgetränkten Lettern
. Den sehe ich buchstäblich vor mir. Und auf dem Höhepunkt der Dramatik
Du sollst auch der Letzte sein, der (...)
dann dieser unromantisch-prosaische Ausstieg Richtung Tagebuch, auch das finde ich prima gelöst.

Keine Ahnung, ob der Text ein tieferes Ziel verfolgt. Ich habe mich jedenfalls prächtig amüsiert.

 Lala antwortete darauf am 21.02.18:
Der Titel ist schon doof. Aber denjenigen, den es betrifft, der hats gerafft.

Schön, dass er Dich auch so amüsieren konnte. Texte, die ausschließlich im Kontext kV und deren User funktionieren, finde ich nicht erstrebenswert.

Edit; Habe den Titel jetzt etwas geschmeidiger gemacht und das für in die Anmerkung gepackt.

Antwort geändert am 21.02.2018 um 08:46 Uhr

 toltec-head (19.02.18)
Hallo Lala,

ich mag diesen Schreibstil. So was hat der prof auch ansatzweise leider nie hingekriegt.

Lass deine nächste Wildwest-Story doch bitte mal in Pinneberg mit dir, fböhi und Oscar als Dritt-, Viert- und Fünftfrau spielen. Wenn es unbedingt sein muss, mach ich für euer Tagebuch auch den  analphabetischen Ahmed.

 Lala schrieb daraufhin am 21.02.18:
Ja, den Schreibstil mag ich auch :)

Aber aus der Westerndailysoap wird nüscht werden. Könnte ich sowas, würde ich wahrscheinlich Drehbücher für "Rote Rosen" oder "Voll Porno" im Fließband fabrizieren.

Hat sich der Prof schon wieder gemeldet?

 loslosch (19.02.18)
erst las ich die kommis und vergaß dabei ganz, wer was für wen geschrieben hat.

danke für die eingebauten fehler.

 Lala äußerte darauf am 21.02.18:
Ich stehe wieder auf dem Schlauch: Wieso Danke für die eingebauten Fehler???

 loslosch ergänzte dazu am 21.02.18:
hauptsache, t-h hats verstanden.

 JohndeGraph (20.02.18)
Auf jeden Fall ist es frech und recht witzig geschrieben. Auch ich habe mich beim Lesen amüsiert. Es liegt eben an den Assoziationen die du mit deinen Formulierungen weckst beim Leser. Hut ab dafür ...

Grüße J.d.G.

 Lala meinte dazu am 21.02.18:
Witzig gefällt mir, frech ist auch gut und wenn Du einen kurzen Spaß mit dem Teil gehabt hast, dann hat er seinen Dienst geta und ich grüße auch mit dem Hut ziehend zurück.

 Dieter Wal (22.02.18)
Wem unklar sein sollte, wie es zu diesem witzigen Text kam, am 17.02.2018, 11:08 äußerte sich toltec-head im Faden "Re: Sozialdemokratische Oberlehrer mit politisch korrekten Notenbüchern machen kV kaputt - die Mehrheit schweigt" folgendermaßen:

"@ Lala:

Du warst der erste, der vor über 7 Jahren hier einen Text von mir kommentierte. Ich würde mir wünschen, dass du auch der letzte bist."

https://www.keinverlag.de/beitrag.php?forum=4&thread=4256290&beitrag=4256654&alle=1

Nachzulesen im Gruselkabinett. Lala scheint es inspiriert zu haben. :)

 Lala meinte dazu am 22.02.18:
Hat es. Richtig wiedergegeben, Dieter.

Um so mehr freue ich mich über die Kommentare hier, die dem Text etwas abgewinnen konnten, ohne das von Dir genannte Gedöns wahrgenommen zu haben.
beckylowwater (35) meinte dazu am 20.10.18:
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Piroschka (55)
(25.11.18)
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