Ohne Unterlass

Text

von  Cathleen

Dieser Text gehört zum Projekt    Texte vom Tod.
Ohne Unterlass

Keiner ruft bei der Kasse an,
ob noch Tickets zu haben sind.
Keiner tritt an den Schalter ran.
Keine Liebesgeschichte beginnt.
Das Licht der Welt scheint ohne dich nur blass,
dein Licht in mir scheint ohne Unterlass.

Keiner eilt froh ins Krankenhaus,
als sie sagen: Das Kind ist da!
Keiner bastelt dem Kind ein Schiff.
Keiner streichelt ihm übers Haar.
Das Licht der Welt scheint ohne dich nur blass,
dein Licht in mir scheint ohne Unterlass.

Keiner wird plötzlich eingespart
in den Wirren der Wendezeit.
Keiner findet nen neuen Job.
Keiner kauft mir ein Hochzeitskleid.
Das Licht der Welt scheint ohne dich nur blass,
dein Licht in mir scheint ohne Unterlass.

Keiner filmt mich auf Schritt und Tritt.
Keiner brummt, wenn ich aufbegehr.
Keiner summt alle Opern mit.
Keiner futtert den Kühlschrank leer.
Das Licht der Welt scheint ohne dich nur blass,
dein Licht in mir scheint ohne Unterlass.

Noch kann ich deinen Umriss sehn.
Vielleicht wird bald auch das vergehn.
Es hinzunehmen fällt noch schwer.
Vielleicht schmerzt bald auch das nicht mehr.

Keiner kommt von der Arbeit heim.
Keiner freut sich aufs Abendbrot.
Keiner, der mir vom Tag erzählt.
Keinem färbt Wein die Wangen rot.
Das Licht der Welt scheint ohne dich nur blass,
dein Licht in mir scheint ohne Unterlass.

Keiner schloss mir die Seele auf.
Keiner hat mich zu mir geführt.
Keiner hat mir sein Herz geschenkt.
Keiner meines so sehr berührt.
Das Licht der Welt scheint ohne dich nur blass,
dein Licht in mir scheint ohne Unterlass.

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Kommentare zu diesem Text


 Judas (28.02.18)
Die Geschichte, die hier erzählt wird, ist wirklich trist. Aber ich finde, du schaffst es (meistens) eine Melancholie festzuhalten, die nicht zwingend kitschig ist (was echt schwer ist). Bis auf die letzte Strophe, die ist... nunja, kitschig ;) Was nicht immer was Schlechtes heißen muss. Ich finde aber, die braucht's gar nicht unbedingt, denn das, was in der letzten Strophe erzählt wird, erzählen eigentlich alle anderen auch schon zwischen den Zeilen. Am meisten gefällt mir ja irgendwie die erste Strophe. Dieses nicht-mehr-zusammen-ins-Kino-gehen und eine Schnulze schauen, das ist irgendwie einfach hart.

 Cathleen meinte dazu am 28.02.18:
Es war im Theater. Er Heldentenor, ich Kassiererin... :)
Danke für deine Wortmeldung. Die letzte Strophe brauchte ich zum Ausklingen. Sonst endet der Text mit "keinem färbt Wein die Wangen rot", was ich ein bisschen unglücklich fände. :)
LG Cathleen

 Judas antwortete darauf am 28.02.18:
Theater! Noch besser :D
Ich versteh schon, wozu du die letzte Strophe brauchst und wie gesagt, Kitsch mag zwar ein negativ behaftetet Wort sein, ist aber nicht zwingend negativ. Ich finde eben nur, dass so Worte wie "Seele" und "Herz" und so unglaublich schwierig zu handhaben sind, als Autor meine ich. Und zwar ist "mir tut sich die Seele auf" eine geläufige Phrase, aber schon meine Deutschlehrerin sagte vor 15 Jahren: "Wir tun und machen gar nüscht!" - im Sinne des kreativen Schreiben ;) Ein so schweres Wort wie "Seele" wird meiner Meinung nach durch dieses blöde Wörtchen "tun" auch irgendwie profanisiert. Aber! Nur meine Meinung. Wie gesagt, bis auf die letzte Strophe find ich den Text großartig.

 Cathleen schrieb daraufhin am 28.02.18:
Vielleicht fällt mir noch eine bessere Strophe ein, konkreter, nicht so "allgemein". :)

 Judas äußerte darauf am 28.02.18:
Ah du hast schon ein besseres Wort gefunden, sehr cool!

 Cathleen ergänzte dazu am 28.02.18:
Danke. :)

 princess (28.02.18)
Hallo Cathleen,

ist schon bemerkenswert, wie sichtbar hier jemand wird, den du als keiner auftreten lässt. Und wie du dabei die Gefühlslage derjenigen spürbar machst, in deren Leben keiner Vergangenheit geworden zu sein scheint.

Viel Freude wünsche ich dir hier!

Liebe Grüße
princess

 Cathleen meinte dazu am 28.02.18:
In der ersten Zeit nach dem Tod meines Mannes konnte ich tatsächlich seinen Umriss noch sehen. Die Leere, die da war, konnte ich förmlich mit Händen greifen.
Danke auch für den Willkommensgruß
LG Cathleen

 Dieter Wal (28.02.18)
Da du formal relativ streng das Gedicht variierst, erinnert es mich entfernt an manche keltische Lyrik.

Mir kommt das Gedicht recht eigenständig und daher stark vor. Darin wird kein anderer Lyriker imitiert.

Herzlich willkommen!

 Cathleen meinte dazu am 28.02.18:
Keltische Lyrik habe ich noch nie gelesen.
Vielen Dank!
LG Cathleen
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