Perspektivenwechsel

Fabel zum Thema Wahrnehmung

von  EkkehartMittelberg

Im Hochsommer stritten sich eine Sonnenblume und eine Rose, wem der Garten zu huldigen habe.
„Ich bin die Größte“ sprach die Sonnenblume und streckte erhaben ihr Haupt der Sonne entgegen.
„Du bist unbestritten die Längste von uns, aber die Schönste bin ich“, erwiderte ihr stolz eine Rose.
Das hörte schweigend ein winziges Gänseblümchen, das demütig sein Köpfchen vor den Großen des Gartens senkte.
Als es im Spätherbst sah, wie der Gärtner die verwelkte Sonnenblume und die verblühte Rose auf den Kompost  warf, lachte es vor sich hin: „ Da liegen unbeachtet die Große und die Schöne, doch ich, die  Unscheinbare,  werde vielleicht noch den Winter überstehen.“
Der Gärtner hatte gerade den Rasen gemäht. Sein Blick fiel auf einige Gänseblümchen, die den Schnitt überstanden hatten. Er dachte ganz sachlich: „Unkraut vergeht nicht.“
02.03.2018

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Kommentare zu diesem Text

Aron Manfeld (48)
(03.03.18)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.18:
Na klar, du bist eine Sonnenblume mit Rosenkopf.
fdöobsah (54)
(03.03.18)
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 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 03.03.18:
Gegen Nichtgefallen ist kein Kraut gewachsen, mein Lieber. Aber schade, dass du den Perspektivenwechsel nicht verstanden hast. Die Sicht des Gärtners konterkariert die vorausgegangene klassische Fabel. Trotzdem merci.
Ekki

 monalisa (03.03.18)
Guten Morgen, lieber Ekki,
so ist es jede/r sieht etwas anderes und interpretiert/kommentiert das Gesehene noch einmal anders. Wer sollte da werten, was 'richtiger' ist. Obwohl natürlich des Gärtners Statement 'Unkraut vergeht nicht' bezogen auf das niedliche Gänseblümchen schon schmerzt und es gar nicht leicht fällt, das unwidersprochen hinzunehmen.
Bei der Gelegenheit lässt sich aber ganz allgemein darüber sinnieren, ob 's nicht allzu oberflächlich ist, jedes Pflänzchen, das einem gerade nicht in den Kram passt, als Unkraut zu bezeichnen.
Was in deiner Fabel außerden gut raus kommt und sich wunderbar auf uns Menschen übertragen lässt, ist die Neigung, immer wieder Vergleiche anzustellen, um die Wette zu eifern, auch da wo es absurd erscheint, statt Vorzüge in der (Eigenart) eigenen Art zu kultivieren, möchten Äpfel die besseren Birnen sein :).

Liebe Grüße
mona

 niemand schrieb daraufhin am 03.03.18:
@ Monalisa
Ein toller und weiser Kommentar! Besser hätte man es nicht auf den Punkt bringen können.
LG niemand

 Lluviagata äußerte darauf am 03.03.18:
Ja!
Ich habe damals extra Gänseblümchen in den Golfrasen vorm Haus gepflanzt. Der Unmut des Gärtners war mir sowas von egal ...

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 03.03.18:
@Monalisa: Grazie für deinen Kommentar, Mona,der meiner Intention weitgehend gerecht wird. Es hängt alles davon ab, wie der Kommentar des Gärtners zu verstehen ist. Die Fabel hätte ohne die Stellungnahme des Gärtners als Fabel nach klassischem Muster zu Ende sein können, mit viel Sympathie des Lesers für das Gänseblümchen.
Doch der Gärtner redet an der Lehre der Fabel vorbei. Er kennt sie nicht und selbst wenn er sie kennen würde, wäre sie ihm gleichgültig, denn er ist der typische Banause, der alles nach seinem Nutzen beurteilt. So gesehen verstehe ich diese Fabel als Antifabel.
Liebe Grüße
Ekki

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.18:
@Lluviagata: Danke, Andrea. In meinem Garten gibt es auch jede Menge Gänseblümchen, weil ich sie mag. Der Gärtner ergreift erst nach der Lehre der Fabel das Wort und redet als Banause (siehe Kommentar zu Monalisa), dem liebenswerte Symbole nichts bedeuten, am Sinn der Fabel vorbei.

Antwort geändert am 03.03.2018 um 11:36 Uhr
Stelzie (55)
(03.03.18)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.18:
Merci, Kerstin, ich habe mich über deinen humorvollen Kommentar gefreut. Wer könnte ihm widersprechen.
Liebe Grüße
Ekki
Sätzer (77)
(03.03.18)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.18:
Ja, danke, Uwe. im Zweifelsfalle jede, nur nicht der Gärtner.
LG
Ekki
ues (34)
(03.03.18)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.18:
Grazie especiale, ues , ein witziger Kommentar, der super zu meiner (ich sag mal ganz frech) Antifabel passt.
Schmunzelnde Grüße
Ekki

 niemand (03.03.18)
@ Ekki
Die Edelrose ist ein Kunstgewächs, nichts also was sich in de puren Natur finden ließe. Man kann sich an ihr erfreuen, sofern man Kunstgewächse mag. Sie sticht ins Augen und auch sonst
hat sie nicht wenig Fähigkeit zu stechen
Viele lieben und vergöttern sie, doch vergisst man darüber hinaus, dass die Natur eine Vielfalt anderer Gewächse bereit hält, welche ein auf Rosen fixiertes Auge nicht mehr wahrnehmen kann. Muss es auch nicht, doch ergibt sich daraus nicht selten eine arg engstirnige Betrachtung dessen was um einen herum stattfindet. Da Du allerdings von einem Garten sprichst, passt die Vergötterung der Rose und der Sonnenblume gut ins Bild, weil ein Garten auch etwas Künstliches ist, ein Gegenstück zur Natur. Somit wird wohl auch jedes natürliche Gewächs darin gerne als Unkraut bezeichnet. Mit dieser Sicht kann man sich so einiges verbauen, so man will, oder nicht anders kann. Mit lieben Grüßen, Irene

Kommentar geändert am 03.03.2018 um 09:42 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.18:
Hallo Irene,
vielen Dank für deinen klugen Kommentar, der eine plausible Erklärung für die banausenhafte Sicht des Gärtners liefert.
Liebe Grüße
Ekki
Iktomi (74)
(03.03.18)
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Marjanna (68) meinte dazu am 03.03.18:
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Iktomi (74) meinte dazu am 03.03.18:
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Iktomi (74) meinte dazu am 03.03.18:
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 Lluviagata meinte dazu am 03.03.18:
Aber sie machen ihr entzückendes Auge zu zur Nacht ...

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.18:
@Iktomi. Ich werfe zu oft den flaschen Blick auf die falschen Gänseblümchen in meinem falschen Garten. Aber egal, ob sie in natura das Köpfchen senken oder nicht, erlaube ich mir als Fabeldichter die Ausnahme, dass dieses eine Gänseblümchen, vom Hochmut der Großen erschüttert, ihn mal gesenkt hat.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.18:
@Marjolaine: Schade, dass ich den Gärtner, diesen dämlichen Ignoranten, nicht zum Rapport bestellen kann. Ich fürchte aber, dass er sich nicht belehren ließe.
Schmunzelnde Grüße
Ekki

Antwort geändert am 03.03.2018 um 12:26 Uhr

 TassoTuwas (03.03.18)
Ein hohes Lied auf die Bescheidenheit!
Ekki, ich glaube wir werden alt.
Herzliche Grüße
TT

 Lluviagata meinte dazu am 03.03.18:

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.18:
Lieber Tasso.
wir werden noch älter und in und außerhalb von Fabeln kennt unsere Bescheidenheit keine Grenzen. Wenn das einer verkennt, hat er es halt verpennt.
Herzliche Grüße
Ekki

 Habakuk (03.03.18)
Es handelt sich hier um eine geistreiche, unterhaltsame und gleichzeitig belehrende, kurze Erzählung, auch Fabel genannt. Thema: Schönheit und damit einhergehende evtl. Eitelkeit vergehen. Demut und Bescheidenheit bestehen. Das, was die Masse alles als Unkraut bezeichnet, nun ja, ...

Sind die Charakteristika dieser Textgattung erfüllt?
Meistens handelt es sich um Tiere, seltener Pflanzen bzw. sonstige Dinge, die wie Menschen denken, sprechen, handeln.
Nur eine Handlung, nur ein Ort, nur eine gewisser und kurzer Zeitraum.
Meist in einfacher Sprache verfasst, damit auch das einfache Volk die Fabel verstehen konnte.
Unterhaltsam, geistreich und gleichzeitig belehrend bzw. moralisch.
All diese Erfordernisse sind m. E. erfüllt.
Auch die grundsätzlichen Aufbaumerkmale einer Fabel sind erfüllt:
Beschreibung der Ursprungssituation, dann Rede des ersten Fabelwesens (actio), Gegenrede des 2. Fabelwesens (reactio), 3. Fabelwesen hört zu, Situation, die am Ende eingetreten ist (eventus), die Lehre, die daraus gezogen werden kann (epimythion).
Nur anhand der obigen Merkmale vermag ich mir überhaupt ein objektives Urteil zu erlauben. Was ich im Eingangsstatement ja bereits vorweggenommen habe.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.18:
Lieber Habakuk, das zerrede ich jetzt nicht, vergesse aber nicht mich herzlich zu bedanken.
LG
Ekki

 AZU20 (03.03.18)
Aber, Ekki, Unkraut gibt es nicht. Doch davon spricht ja nur der Gärtner. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.18:
Merci, Armin, man sollte den fiesen Möpp nachsitzen lassen, damit er es endlich mal begreift.
LG
Ekki

 TrekanBelluvitsh (03.03.18)
In der Literatur ist es eigentlich ähnlich: Lieber einen Longseller als einen Bestseller. Allerdings werden viele den Longseller zunächst kaum wahrnehmen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.18:
danke Trekan, ich hätte natürlich nichts dagegen, wenn die Fabel wie ein Longseller wirken würde.

 GastIltis (03.03.18)
Ekki, Differenzierungen von Pflanzen nach Schönheit, Größe, Farbe, Aussehen, Lebensdauer, vielleicht noch nach den Proportionen usw. liegen immer im Auge des Betrachters. Das gilt auch für andere Formen des Lebens. Da sind es häufig andere Sinne, die mit hinein spielen. Nimm nur unser Metier, die Sprache, Zeilen, Verse, Gedichte. Deine Fabel/Antifabel spricht für sich. Viele Grüße von Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.18:
Merci, Gil, das Auge des Betrachters, der Leser, überrascht den Autor immer wieder, und die Dinge sind nie so klar, wie er meint.
Liebe Grüße
Ekki
Iktomi (74)
(03.03.18)
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Sabira (58)
(03.03.18)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.18:
Merci, liebe Sabira, unabhängig von der für Fabeln typischen Schönheit von Rosen und Lilien zum Beispiel sind wir uns über den Charme von Wildblumen einig.
Ja, diese Fabel/Antifabel ist insofern besonders lehrreich, als sie zwei Lehren enthält, wobei die zweite, das Statement des Gärtners, die klassische Fabel konterkariert.
LG
Ekki

 harzgebirgler (24.06.21)
des tausendschönchens zähigkeit
bewundernswert ist jederzeit.

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.06.21:
Vielen Dank, Henning,

sie lehren uns zu überleben,
Köpfchen hoch und weiter streben.

Beste Grüße
Ekki
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