Kindergottesdienst

Kurzgedicht zum Thema Andere Welten

von  Isaban

So ein abgekürztes Leben
frisch zerschnitten aufgegeben
Kirchendeckenengel schweben
alle still ein Mann hält Reden
draußen dieses Tausendblau
oben wo nur Vögel fliegen
weiße Seide. Es bleibt liegen.

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Kommentare zu diesem Text


 Irma (09.03.18)
Bei diesem „Kindergottesdienst“ scheint es nicht um einen Gottesdienst, der mit Kindern gefeiert wird, zu gehen, sondern um einen Gottesdienst für ein einzelnes Kind, sprich einen Trauergottesdienst. Ein Kind wurde viel zu früh aus seinem Leben gerissen („abgekürztes Leben“). Das Leben wurde „abgekürzt“, „zerschnitten“ wie eine Salami, wo man plötzlich und unverhofft das Ende sieht. Krankheit, Tod, Unfall? Das „aufgegeben“ bringt in meinen Augen noch eine andere, furchtbare Sichtweise mit ins Blickfeld. Das Leben wurde „aufgegeben“ von jemandem. Bewusst aufgegeben? Von wem? Von Gott? Oder vielleicht von dem Kind selber (kindlicher Suizid)? Das „zerschnitten“ ruft in diesem Zusammenhang bei mir die Assoziation eines Schienensuizids hervor.

Die Trauernden stehen sprachlos vor diesem Haufen Unglück (Haufenreim V.1-4, wobei der unreine Reim V.4 zeigt, wie unpassend im Grunde die Reden des Predigers angesichts dieser Situation und der stillschweigenden Trauergäste erscheint). Die schwebenden „Kirchendeckenengel“ wirken auch künstlich und tot angesichts der im strahlenden Blau fliegenden Vögel. Der Körper des Kindes liegt still in der weißen Seide des Sarges. (Reimgegenüberstellung "Vögel fliegen" - "Es bleibt liegen".) Das kleine Engelchen wird wohl nicht in den Himmel aufsteigen. Warum, das bleibt offen. Vielleicht, weil es keinen Gott und keine Engel gibt? Oder vielleicht, weil es sich mit seinem Suizid selber die Flügel abgeschnitten hat? Nachdenkliche Grüße, Irma

Kommentar geändert am 09.03.2018 um 10:04 Uhr
Marjanna (68) meinte dazu am 09.03.18:
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 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 09.03.18:
Sockenpuppenalarm.

Die Begrifflichkeit des Titels irritiert sehr, da muss man Irma zustimmen.
Marjanna (68) schrieb daraufhin am 09.03.18:
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 Irma äußerte darauf am 09.03.18:
Nun ja, Dieter, irritiert war ich eigentlich nicht. Ich habe nur erklärt, dass ich den Titel vor dem Lesen anders interpretiert habe, als nach dem Lesen. Aber das ist doch gerade das Reizvolle an diesem Titel.

Bei Kindergottesdienst ist die übliche Lesart die lexikalisierte Bedeutung: Gottesdienst für Kinder. Aber die Kompositabildung im Deutschen bietet verschiedene Möglichkeiten. Kindergottesdienst kann eben auch ein Gottesdienst für ein einzelnes Kind sein. Das Suffix -er bei Kinder ist in diesem Fall keine Pluralendung, auch wenn es so aussieht. Die Interpretation ist eben textabhängig.

LG Irma

P. S. Was meinst du denn bitte mit "Sockenpuppenalarm"?

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 09.03.18:
Ach, nicht so wichtig. Aber wenn Isaban ein Gedicht schreibt und Du Dich für einen ersten Kommentar dazu bedankst, dann sieht das nun mal aus wie Isaban=Marjolane. Dies nur am Rande.

 Irma meinte dazu am 09.03.18:
Also Dieter, da kann ich dich beruhigen: Isaban ist nicht Marjolaine (mit ai). Und übrigens auch nicht Irma, um das gleich mit festzuhalten. Und Diet-er ist sicher auch keine Mehrzahl, oder?
Marjanna (68) meinte dazu am 09.03.18:
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 Isaban meinte dazu am 09.03.18:
@ Irma:

Sehr viel mehr gibt es da kaum zu sagen, Irmchen. Du hast es eben drauf! Hab auch diesmal vielen herzlichen Dank für Rückmeldung und hervorragende Interpretation!

@ Marjolaine:

Ja, wirklich toll, finde ich auch!

@ Dieter:

Lieber Dieter,

du hast mir schon als Autorenkommentar hinterlassen, dass du mich als Doppelgängerin der neuen Präsidentin des Landessportverband Baden-Württemberg, Elvira Menzer-Hassis betrachtest. Wie gut, dass mich hier bei KV seit 2006 mindestens 60 Menschen persönlich kennengelernt haben, sonst müsste ich jetzt glatt beweisen, dass mein Ava auch wirklich mich zeigt, ne?

Und jetzt ist also Marjolaine meine Sockenpuppe, weil sie sich bei Irma dafür bedankt hat, dass Irmchen uns mit einer so gelungenen Interpretation beschenkte. Ah ja.

Weißt du was? Du erinnerst mich ein wenig an Rantanplan, den Gefängnishund aus den Lucky Luke Comics. Der verwechselt auch schon mal Leute, sucht auch überall nach Knochen und seine Treffsicherheit beim Springen ist legendär: Zu kurz, zu hoch, zu weit oder zu tief, aber nie auf den Punkt.

Vielleicht solltest du doch mal ab und an einem KV-Treffen beiwohnen, das hilft bestimmt, gewisse Unsicherheiten auszuräumen.

Liebe Grüße euch dreien - und dir, Dieter, gute Besserung.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 09.03.18:
Es war ja auch nur ein Alarm, was die potentielle Möglichkeit eines Fehlalarms einschließt. Mir persönlich sind die vielen Sockenpuppen und Wiedergänger auf kV inzwischen egal, ich habe diesbezüglich kapituliert.
Übrigens treffe ich Dich, Frau Menzer-Hassis, demnächst in offizieller Funktion auf einem Verbandstermin. Ich freue mich schon darauf.
Mit einem Hund möchte ich zwar ungern verglichen werden, aber Maurice de Beveres ("Morris") Comics haben mir in meiner Jugend gut gefallen.

Und wie denkst Du über den ungeschickt gewählten Titel, um mal wieder auf den Text zurückzukommen?

 Isaban meinte dazu am 09.03.18:
Ich gehe davon aus, dass er nicht ungeschickt gewählt ist, lieber Dieter, denn ich wählte ihn explizit wegen seiner Mehrdeutigkeit.

Er hat, wenn es so klappt, wie ich es mir erhofft hatte - und Irmas Kommentar ist ja ein offensichtlicher Beweis dafür, dass es anscheinend funktioniert - vor dem Lesen des gesamten Textes eine andere Bedeutung als danach; er bietet dem geneigten Leser mehrere Auslegungsmöglichkeiten, z.B. :

- ein Gottesdienst für Kinder
- ein Gottesdienst für ein Kind
- Gottes Dienst an einem oder mehreren Kindern

LG Sabine

 Isensee (09.03.18)
Nice klickbait, tote Kinder ziehen immer. Ob es nun tot am Strand oder tot in einer Kiste liegt. Den blauen Himmel gibt es natürlich auch dazu. Och das Arme. Nun ja, Wörter lassen sich dazu verwenden schmutzige Texte zu schreiben. Und warum ist das ein schmutziger Text. Es ist purer Voyeurismus, wie Fotos von toten Kindern an Stränden. Geschmückt mit Kitsch. Fällt ja keinem auf.
Also es ist furchtbarer Scheiß.

 Isaban meinte dazu am 09.03.18:
Ah, damdadamdadamdadamdadamdaaaa, die Retourkutsche rattert!
Besten Dank.
Ich wünsch dir noch ein furchtbar schönes Wochenende.
Soll ich es diesmal mit freundlichen Grüßen versuchen?

FG Sabine
Aron Manfeld (48)
(09.03.18)
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 Isaban meinte dazu am 09.03.18:
Hallo Aron,

interessante Interpretation und diesmal sogar ausnahmsweise nicht als Autornkommentar!.

Sollte ich jemals einen deiner Texte nicht schon mehrfach gelesen und kommentiert haben und er mich - nagelneu und innovativ, wie er ist - ansprechen, kommentiere ich auch bei dir, versprochen.

So aber muss der arme unbeachtete Bub sich wohl noch ein bisschen gedulden.

Sabine
Aron Manfeld (48) meinte dazu am 09.03.18:
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 Isaban meinte dazu am 09.03.18:
Ja glaubst du denn ernsthaft, das hier sei besser als so ein Autorenkommentar im Suff, lieber Aron?

Schreib einfach ein paar neue Texte und wenn einer von diesen noch nicht x mal wiederauferstandenen und schon zuvor ausgiebigst von mir kommentierten Texten mein Interesse erwecken kann, dann bekommst du eine Rückmeldung.

Das ist so ein typischer Biene-Frauen-Text, der nichts aussagt ausser dem Versuch zur Selbsttherapie.

Sowas hier beschleunigt das Ganze nicht, mein Guter. Es geht nicht darum, wie oft und auf welche Weise du versuchst, meine Aufmerksamkeit zu erregen, es geht darum, mal wieder einen interessanten Text zu schreiben.
Noch einmal zum besseren Verständnis: neue Texte schreiben, nicht alte zum 100sten Mal wieder aufwärmen.

Gute Nacht, träum was Schönes.

 monalisa (09.03.18)
Mal wieder zurück zum Gedicht:

Liebe Sabine,
mir hat es der Titel besonders angetan, keine Rede von 'ungeschickt gewählt'. Mir liegt noch eine weitere Deutung nahe:
'Kindergottes-Dienst' - also ein Dienst an den Kindern Gottes . Wie Irma vermute auch ich, dass es um einen 'Trauerandacht' geht, nicht zwangsläufig ein Begräbnis; eine Einkehr/Andacht in der Kirche, von der man sich Trost erhofft, doch die Reden, die der Mann hält, gehen daneben, wenn auch nur knapp (ein Buchstabe 'd' statt 'b'), vermögen nicht zu erreichen. Die 'Kirchendeckenengel' wirken plakativ, aufgemalt, leblos, kitschig, legen mir aber eine Spur zu einer weiteren möglichen Deutung, lassen mich auch an Begriffe wie 'Engelmacherin' denken, zusammen mit dem 'verkürzten Leben' und 'frisch zerschnitten aufgegeben' könnte es auch um Abtreibung oder Abort oder Ähnliches gehen. Jedenfalls sind meine Gedanken dahingehend abgeschweift, und ich denke, deine Verse lassen diese Interpretation durchaus auch zu. Das finde ich nun wiederum sehr gelungen, diese Offenheit, die der LeserIn eingeständiges Weiterdenken nicht nur erlaubt, sondern nahe legt.
Irma hat schon das solistische 'Tausenblau' hervorgehoben, ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, weil ich das als sehr gut beobachtet empfindet. Darin liegt so viel Verwunderung und ungläubiges Kopfschütteln, wie der Himmel so tausenblau sein, während man gleichzeitig, von Trauer und Schmerz zerissen, erkennen muss, dass es keinen Trost gibt.

Ein Text, der unter die Haut geht, liebe Sabine, ein schwieriges Thema, mit viel Fingerspitzengefühl umgesetzt, gar nicht voyeuristisch, mein ich.

Liebe Grüße
mona

P.S.: Was ich noch sagen wollte: Keine Satzzeichen nur im letzten Vers zwei Punkte, so endgültig!

Kommentar geändert am 09.03.2018 um 23:58 Uhr

 Isaban meinte dazu am 11.03.18:
Hallo Mona,

auch hier wieder ein sehr empathischer Kommentar, ein gelungenes Eintauchen in die stilistischen Mittel und eine am Text belegbare, sehr gut begründete Interpretation - was kann sich ein Autor für seinen Text mehr wünschen?

Vielen herzlichen Dank - und bleib uns bitte erhalten!

Liebe Grüße

Sabine
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