Als Anna ihr Lächeln verlor oder Fünf Dinge zum Glücklichsein

Kurzgeschichte zum Thema Veränderung

von  millefiori

Anna schaute träumend aus dem Fenster des Omnibus.
Sie war auf dem Weg zur Arbeit und wie jeden Morgen freute sie sich schon auf die fünfte Haltestelle auf ihrem Weg. An der Fünften Haltestelle stand nämlich ein kleines Reihenhäuschen mit liebevoll angelegtem
Vorgarten und über der blühenden Blumenpracht thronte ein großes Fenster.
Dieses Fenster wurde immer den Jahreszeiten und Feiertagen entsprechend geschmückt.
Mal standen Osterhasen und Osterglocken darin, mal Maikäfer und Flieder, der Anblick dieses Fensters, versüßte ihr den Tag. Sie träumte damals immer davon eines Tages auch so ein schmuckes Reihenhäuschen zu besitzen. Das war ihr größter Wunsch, ihr Lebensziel, keine riesige Villa, nur ein eigenes Häuschen mit Garten. Damit wäre sie mehr als zufrieden.
Damals wohnte sie noch im fünften Stockwerk eines Hochhauses am Rande der Stadt. Sie teilte sich das Zimmer mit ihrem drei Jahre älteren Bruder, der gegensätzlicher als sie nicht hätte sein können. Fast jeden Tag gab es Krach und Streitereien, weil er sich nicht an die Familienregeln hielt. Er baute nur Mist und schmiss einen Job nach dem anderen, die Eltern hatten alle Hände voll zu tun alles wieder grade zu biegen.
Es war ein Fehler ihm die Suppe auszulöffeln, denn so lernte er nie die Konsequenzen zu tragen.
Bei Anna löste diese Situation aus, dass sie ihren Eltern keinen Grund zu weiterer Sorge geben wollte, also verhielt sie sich immer sehr vernünftig und steckte um des lieben Friedens willen lieber zurück. Sie belastete ihre Eltern nicht mit ihren Problemen sondern löste sie lieber alleine.
Anna hatte ihre Freude daran ihren Mitmenschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Wenn sich die Verblüffung der Leute über eine freundliche Geste von ihr in den Gesichtern widerspiegelte, löste das in ihr ein kleines Glücksgefühl aus. Sie stellte schnell fest, wenn sie ein Lächeln schenkte, kam es doppelt zu ihr zurück.
Die Bäckereiverkäuferin beeilte sich immer extra, damit sie nicht zu spät zur Arbeit kam, weil sie nie drängelte oder ungeduldig wurde. Als sie den Putzfeen der Firma eine liebevolle Karte mit wertschätzenden Worten und ein wenig Geld für einen Kaffee schenkte, bekam sie lauter kleine Päckchen und eine selbstgebastelte Karte von Ludmilla der Oberputzfee geschenkt. Doch das Wichtigste waren ihr nicht die Präsente, sondern, die Umarmung und das Lachen und Strahlen in den Augen der Raumkosmetikerinnen.
So hielt sie Türen für wildfremde Menschen auf, half Kinderwägen aus Bussen heben, verteilte Pflaster an Kinder mit aufgeschlagenen Knien usw.
Es lag ihr einfach am Herzen anderen zu helfen.
Nur bei diesen unzufriedenen Menschen, die nie mit sich und der Welt im Einklang  waren, gelang es ihr nicht immer. Sie argwöhnten hinter ihrer Freundlichkeit nur Berechnung oder Schleimerei. Sie konnten Anna nicht verstehen, weil sie ihre Träume schon längst begraben hatten und ihr Hoffnungslicht nach fernen Sternen richteten.
Sie konnten nicht verstehen, dass jemand freundlich war, nur um der Freundlichkeit willen, einfach so.
Die Jahre vergingen und es erfüllte sich der Wunsch von einem kleinen Reihenhäuschen in dem sie lange Zeit glücklich mit ihren beiden Töchtern und ihrem Mann glücklich lebte.
Eines Tages aber, verlor sie ihr Lächeln.
Es kam wie aus heiterem Himmel, die ganze Welt schien sich gegen sie verschworen zu haben.
In der Familie wurde sie von Verwandten attackiert, auf der Arbeit wurde sie vom Chef gemobbt, sollte sie Ellenbogen zeigen und Mann und Kinder bemerkten  nicht, wie sehr sie sich verausgabte um Allem gerecht zu werden.
Alles brach über ihr zusammen und von dieser Last wurde sie krank.
Diese Krankheit hatte aber wiederum ihr Gutes, denn so kam sie zur Ruhe und konnte in ihr Herz horchen.
Mit einem Mal verstand sie, wo das Schicksal sie hinführen wollte.
Sie begriff,dass sie sich nicht vom Glück anderer abhängig machen durfte.
Anna hasste Streit und so umging sie schon immer Auseinandersetzungen so gut es ging. Lieber nahm sie sich zurück und ließ anderen den Vortritt, sie gab sich zufrieden und schluckte ihren Ärger hinunter.
Immer wenn sie sich verteidigen wollte, drängte ihr Kopf: “Lass Dir nicht alles gefallen! Wehr Dich und sag was!”, aber ihr Herz schritt sofort ein und flehte: “Nein, tu`s nicht! Zu hart sind deine Worte, denk nochmal darüber nach, ob Du nicht zu sehr verletzt!”
So nahm sie sich immer vor, bei der nächsten Gelegenheit die Dinge auszusprechen, doch dann fand sie nie den richtigen Zeitpunkt und beließ es dabei. Sie war ja kein nachtragender Mensch.
Warum konnte sie nie ihrem Ärger Luft machen, so wie andere es taten?
Warum ließ sie nicht einmal einen lauten Schrei los?
Sie könnte es, tief in ihr drin schlief ein Löwenherz.
Sie konnte brüllen, sie konnte reden, sie konnte auch kämpfen!
- Aber nur für Andere, immer nur wenn es darum ging andere zu verteidigen, die ungerecht behandelt wurden.
Für Schwächere, die sich nicht wehren konnten, für die konnte sie kämpfen!
Wenn es darum ging ihre eigenen Interessen durchzusetzen, gab sie sich zu oft mit Kompromissen zufrieden.
Sie zählte bis fünf, schliff ihre Kanten rund, damit sich auch niemand an ihr stoßen konnte, sie wollte keinen Ärger, sie hasste Streit.
Ihre Krankheit machte ihr nun bewusst, was sie in ihrem Leben ändern musste.
Fünf Dinge kristallisierten sich als die Wichtigsten für ihr zukünftiges Leben heraus:

1. Sich fern halten von Menschen die einen negativen Einfluss auf sie ausübten
2.Ein Job suchen, in dem sie geschätzt wurde und der ihr Spaß machte
3.Glücklich oder zumindest zufrieden zu sein mit dem was sie war und was sie hatte.
4.Immer ein bisschen Zeit für sich selbst und zum Träumen zu haben
5.Menschen die sie liebten und ihr gleichermaßen zurückgaben, was sie schenkte.

Sie begann zielstrebig mit der Umsetzung ihrer Ziele.
Alles was sie auf ihrem Weg dahin behinderte, begann sie aus ihrem Leben zu entfernen.
Es fiel ihr sehr schwer und so mancher erkannte sie nicht wieder.
Denn die liebevolle Anna konnte auf einmal auch unangenehm vor den Kopf stoßen.
Es hatte sie viel Kraft gekostet, doch nach einem halben Jahr hatte sie ihr Leben wieder aufgeräumt.
Sie merkte, wie mit jedem Schritt den sie unternahm um ihr Leben nach ihren Wünschen zu gestalten, ihr herz leichter wurde und die unsichtbare Last, die sie krank gemacht hatte verschwand.
Sie verbrachte nur noch ihre Zeit mit Menschen, die es genauso gut mit ihr meinten, wie sie mit ihnen.
Sie verschwendete keine Energie mehr im Streit mit Leuten, die sich voraussichtlich nie ändern werden.
Sie ging auf Abstand zu allem und jedem, was ihr nicht gut tat.
Anna füllte ihr Leben mit positiven Dingen und Leuten.
Sie hat es geschafft mit größter Überwindung ihr Lächeln wieder zurück zu gewinnen.
Man merkt es nur noch wenn sie in die Kamera lächeln soll, was früher auf Knopfdruck klappte,
mutiert jetzt zu einer angestrengten Grimasse.
Aber sie hat es trotzdem geschafft, sich ihre heile Welt zurück zu erobern und sie hilft immer noch gerne und verteilt immer noch Lächeln und kleine Aufmerksamkeiten, an jene die es brauchen können.
Vielleicht schafft sie es eines Tages mit lauter Stimme für ihre Meinung zu kämpfen.
Vielleicht ist es aber auch gut so wie es ist, es gibt ja schließlich viele, die genau das an ihr schätzen und es gibt schon zu viele, die laut ihre Meinung vertreten.


Anmerkung von millefiori:

Warum glauben manche Menschen zu wissen, wie der Prototyp Mensch zu sein hat, mit all seinen Eigenschaften?
Wer bestimmt eigentlich welcher Mensch gut ist und welcher nicht?
Wer stark ist, wer schwach?
Wer erfolgreich und wer ein Versager?
Niemand kann das bestimmen, außer man selbst.
Wir haben es selbst in der Hand, ob wir uns von anderen beeinflussen lassen oder einfach sind, wie wir sind und dazu stehen und unseren eigenen Weg gehen.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (12.03.18)
Deine besonnene Kurzgeschichte legt nahe, dass jemand, der es allen recht machen will, kein zufriedener Mensch werden kann.
LG
Ekki

 millefiori meinte dazu am 12.03.18:
So ist es, lieber Ekkehart, ich möchte mit dieser Geschichte sagen, dass man sich von anderen Meinungen auch nicht so sehr beeinflussen lassen sollte. Nicht immer sind die Menschen ehrlich in ihren Beurteilungen anderen gegenüber.
Es spielen oft auch Neid und Missgunst eine Rolle.
Unzufriedene Menschen projezieren ihre eigene Unzufriedenheit oft auf diejenigen, die eigentlich mit sich selbst und der Welt zufrieden sind. Sie verunsichern sie nur zu gerne und möchten ihnen ihren Stempel aufdrücken.
Aber ich möchte auch damit ausdrücken, dass man auch zu seinem eigenen Wesen stehen sollte, also wenn ich nun mal kein lauter aggressiver Vertreter bin, so ist das auch nicht schlimm, es muss auch solche Menschen geben, die sich empathisch auf andere einstellen können. Es wäre ja schlimm, wenn es auf dieser Welt z.B. nur von "Trumpeltieren" wimmeln würde. Sich in seinem Weg nicht beirren lassen, dass ist wichtig.
Danke für Dein Interesse und die Empfehlung
Gruß Millefiori

Antwort geändert am 12.03.2018 um 19:50 Uhr

Antwort geändert am 12.03.2018 um 21:44 Uhr
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