Beim Überfall (2)

Erzählung zum Thema Aufwachen

von  Inlines

Am wichtigsten war, den Kassierer unschädlich zu machen. Er schien die gefährlichste Person im Raum zu sein. Die anderen waren nur Randfiguren in einem Spiel, in dem der Geldgrabscher mit hektischen Händen die kaum ersichtlichen Fäden zog.

Was hatte sich dieser Einfaltspinsel nicht alles erlaubt, um für ein paar Minuten in den Genuss uneingeschränkter Aufmerksamkeit zu kommen. Während Menschen um ihr Leben bangten, Stoßgebete gen Himmel sandten, überlegten, welche Summe auf ihre aktuelle Lebensversicherung lief, ließ er den Angeber heraushängen, prahlte er mit seiner Feinmotorik und seinem Zahlenverständnis.

Kannte er den keinen anderen Weg, um die Frauen in seinem Umfeld zu bezirzen? Konnte er nicht auch als Single glücklich werden? Begriff er nicht, dass die Person vor ihm - falls sie eine Frau war - bestimmt schon ihren Lover hatte, und wohl die nächsten 15 Jahre hinter Gittern sitzen würde? Wollte er ihr im Wochenrhythmus Klopapier vorbeibringen, weil der Dame der Eigenbedarf für ihre langwierigen Verrichtungen nicht genügte und auch nicht ihrem qualitativ gehobenen Anspruch entsprach? Wollte er immer wieder in diese traurigen Augen schauen, sich mühen ein paar eigene Tränchen in den großen Fluß zu tröpfeln, der den Besucherraum eh schon unter Wasser setzte,  so dass dem nur mit Gummistiefeln beizukommen war, welche sich der Depp bestimmt ebenso wenig leisten konnte wie das nach Kamille duftende Hygieneklopapier? War es das was er sich unter Liebe vorstellte?

Ich näherte mich langsam, ging mit zugedrückter Nase an Leuten vorbei, die vor Aufregung pubsten oder sich zur Ablenkung über Thermomix-Rezepte austauschten, und gelangte schließlich in die Nähe des Pults, auf dem der Kassierer erhaben mit seinen haarigen Unterarmen thronte.

Dann... Dann wachte ich auf.

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