Augenringe

Gedicht zum Thema Schicksal

von  monalisa

zu teuer errungen in mondlosen Nächten,
dem Regen nur wenige Seufzer voraus,
umlungern mein Dasein und hungern es aus,
sind dunkle Medaillen aus wilden Gefechten
mit Schicksals- und Todes- und Unterweltmächten.
Umsonst, denn man trug ihn zum Friedhof hinaus,

hinaus aus dem Haus. Von uns beiden errichtet,
ist dieses nun mir ganz allein anvertraut.
Es zittert von Blitzen grell überbelichtet,
läuft über von Bildern, Geschichten, verdichtet
in diesem Moment, bin ich Freundin und Braut,
bin ihm jetzt noch mehr als zuvor angetraut.

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Kommentare zu diesem Text

LottaManguetti (59)
(26.03.18)
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 monalisa meinte dazu am 26.03.18:
Vielen Dank, Lotta, das freut mich sehr 😊!

Liebe Grüße
mona
Marjanna (68)
(26.03.18)
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 monalisa antwortete darauf am 26.03.18:
Natürlich muss es 'denn' nicht 'dann' heißen, liebe Marjo, Danke für den Hinweis, das wäre mir selbst wohl noch lange nicht aufgefallen. Wie gut, wenn man so aufmerksame Leserinnen hat 😊.

Liebe Grüße
mona

 EkkehartMittelberg (26.03.18)
Das LyrIch berichtet von seinen Erfahrungen mit einer Liebe, die ihm der Tod geraubt hat. Es gab "wilde Gefechte", mit dem, was dem Menschen letztlich unbegreiflich ist, "mit Schicksals- und Todes- und Unterweltmächten", Gefechte, die zwar siegreich bestanden wurden, aber mit zu hohem Preis (Vers 1, "dunkle Medaillen")
Man hat den Geliebten bestattet. Das LyrIch ist nun fast unbehaust, denn das Haus, ihm "ganz allein anvertraut, "zittert von Blitzen grell überbelichtet,
läuft über von Bildern, Geschichten, verdichtet". Aber es ist dem verlorenen Geliebten als Freundin und Braut noch inniger als zuvor angetraut. Liebe Mona, die von dir in beeindruckenden Bildern geschilderte Erfahrung werden viele Witwen und Witwer aus eigenem Erleben bestätigen können.
In der Form des Schweifreims spiegelt sich die innige Verbindung des Liebespaars, eine Einheit, die das Schicksal zwar trennen, aber nicht zerstören konnte.
Ist der Daktylus un letzten Vers der ersten Strophe Absicht? Ich würde das dann streichen. Abgesehen von dieser Kleinigkeit ein rundum gelungenes Gedicht.
Liebe Grüße
Ekki

 monalisa schrieb daraufhin am 26.03.18:
Vielen Dank für die lobenden Worte und die inhaltliche Analyse, lieber Ekki. Was das betrifft :
Ist der Daktylus un letzten Vers der ersten Strophe Absicht? Ich würde das dann streichen. Abgesehen von dieser Kleinigkeit ein rundum gelungenes Gedicht.
bin ich bisschen verwirrt. Das 'dann' ist ein blöder Verschreiber, soll, wie oben schon erklärt, 'denn' heißen und wurde bereits berichtigt. Aber - der Daktylus - ist Absicht, besteht ja das ganze Gedicht aus Daktylen.

Liebe Grüße
mona

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 26.03.18:
Deine Verwirrung war berechtigt, Mona. Es ging mir um das inzwischen korrigierte "dann". Der Hinweis auf den Daktylus in diesem Zusammenhang ist irreführend.

 monalisa ergänzte dazu am 27.03.18:
Vielen Dank für die Klärung, Ekki!
Liebe Grüße
mona

 Isaban (26.03.18)
Eine hervorragende Idee, liebe Mona, die Augenringe mit einer ganz neuen Art von Eheringen gleichzusetzen, das Sterben eines Ehepartners mit einer neuen Vermählung der anderen, der einsamen und doch immer verbundenen Art.

Ich sehe hier eine Witwe, die lange am Sterbebett ihres Mannes gesessen hat (V1), die jetzt den Tränen so nahe ist, dass sich das Weinen kaum mehr lohnt, dass sie zu müde ist, nach dieser langen, schweren Zeit, dass es unerheblich geworden ist, ob sie nun weint oder nicht (V2), eine Frau, die Angst hat, wenn sie erst einmal zulässt, dass Tränen fließen, dass dann ein Dauerregen einsetzt, Regenfluten, die sie nicht mehr beeinflussen kann.

Diese "neuen Eheringe" sind das, was sie jetzt durchs Leben tragen muss, sind das, was sie nicht ablegen kann, sind das, was all jenes auffrisst, was früher ihr Leben einmal ausgemacht hat (V3). Aber sie sind nicht nur schlecht, sie sind auch Zeichen für Stärke, dafür etwas Schweres überstanden zu haben, gekämpft zu haben, auch wenn die Chancen auf Sieg nicht unbedingt gut standen (V4/5) - und sie sind die Narben jenes leider verlorenen Krieges, sind diese Blechdinger, die man mit Nadeln an der Uniform befestigen kann, die aber im Grunde nichts sind, als eine Auszeichnung dafür, dass man an einem (verlorenen) Krieg teilgenommen hat, in dem man versehrt wurde (V5/6).

Ihr Ehemann wurde ihr entrissen, wurde nicht nur vom Schlachtfeld zum Friedhof getragen, er wurde dem Zuhause entrissen, wurde all dem entrissen, was für ihn, was für sie wichtig, lebenswichtig war (V6/7). Das lyrische Ich, die Witwe ist jetzt allein, muss alles allein stemmen, muss ihre Trauer und alle Verantwortung allein tragen (V8), wird in diesem Gewitter der (komprimierten) Geschehnisse, Ängste und Erinnerungen allein gelassen und ist dennoch dem, der ihr da entrissen wurde nah, vielleicht sogar näher noch als zuletzt im Leben, ist und bleibt - im Gegensatz zu dem, was man in der Kirche sagt (bis dass der Tod euch scheidet) mit ihm verbunden, wird nie ganz ohne ihn sein, er ist überall im Haus/in ihrem Zuhause/i n ihrer Vergangenheit/in ihrem Leben. Sie wird ihn mit sich tragen, ganz gleich, wie es verläuft.

In der ersten Strophe, in der Zeit vor dem Friedhof, gibt es nur zwei Reime, einer mit männlicher, einer mit weiblicher Endung. In der zweiten, in der Zeit nach der Beerdigung ebenfalls, nur dass es diesmal ganz andere Reime sind - das Leben geht weiter, die Beziehung geht weiter, nur anders.

Ein sehr anrührender, trauriger und im Grunde trotz des spürbaren Kampfes dennoch versöhnlicher Text, mit dem ich mich gern beschäftigt habe.

Liebe Grüße

Sabine

 monalisa meinte dazu am 26.03.18:
Was für ein wundervoller Kommentar, Sabine! Es ist so schön für mich, zu lesen, wie du meine Bilder Wort für Wort ausbreitest und zu sehen, wie sehr sie jenen gleichen, die ich diesem Text zugrunde gelegt habe. Besonders freut mich auch, dass du ihn, bei aller Trauer, am Ende doch auch als versöhnlich empfunden hast.

Vielen Dank und liebe Grüße
mona
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