Tierfreund

Erzählung zum Thema Lebenseinstellung

von  Inlines

Ich lag gerade in der Badewanne, als ich die Ameise das erste Mal sah. Ich erblickte sie am linken Badewannenrand, im Sonnenschein, und beachtete sie zunächst nicht weiter. Erst als sie über den Duschvorhang und die Wandkacheln gekrabbelt war, und auf der anderen Seite, nahe meinem Kopf, erschien, bewegte sich etwas in mir, erreichte mich die Gegenwart ihres jungen, von Leichtsinnigkeit vereinnahmten, Lebens.

Aufmerksam verfolgte ich ihre Regungen, wie sie über die nasse Keramik schlitterte und wegen der Luftfeuchte mit den kleinen Beinchen ständig über ihre Augen wischte.

Eigentlich hätte ich mir nun die Haare waschen wollen, aber mir kam in den Sinn, dass der Wasserstrahl das kleine Tierchen töten würde, weswegen ich aus einem Impuls heraus laut nach meiner Ehegattin rief. Ich musste richtig schreien, weil sie sich im Keller befand, konnte sie jedoch zum Heraufkommen bewegen, und als ihre Schritte nahe klangen, verständlich machen, dass ich Taschentucher bräuchte. Unter Ausstoß kleinerer Verwünschungen kam sie meiner Bitte nach.

Nach Klärung der Situation, zog ich ein Taschentuch heraus und legte es sachte in direkte Nähe des Insekts, in der Hoffnung, dass es den in den Weg gelegten Gegenstand bestieg. Aber es klappte nicht, trotz zigfacher Versuche. Die Ameise stoppte immer an der Kante des Tuchs, so niedrig man es auch spannte, und lief dann emsig darum entlang, als wolle sie den Einsatz sabbotierten. Wußte es nicht, aber spielte mit ihrem auf der Kippe stehenden Leben.

Endlich, nach vielem Testen und sachter Stupserei, lies sich das Tier dazu bewegen die weiße Arche Noah zu besteigen. Meine Frau brachte es dann vorsichtig aus dem Badezimmer, öffnete ein Fenster und legte das Papiertuch, mit der wild krabbelnden Ameise, auf einem der Dachziegel ab. Schnell hastete sie herunter.

Ein erhabenes Gefühl erfasste uns, das unschuldige Wesen gerettet zu haben. Sahen zufrieden wie es sich entfernte, eine gute Richtung wählte, dem Mauerwerk entgegenlief... - Doch dann von einem Spechtschnabel ergriffen wurde, der aus dem Nichts gekommen war.

In der Nacht schlief ich schlecht, lag ich lange wach. Und überlegte, ob Vater noch die alte Büchse hatte.


Anmerkung von Inlines:

Nach einer wahren Begebenheit.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (20.04.18)
Nach dem Schlusssatz bin ich mir sicher, dass ich den Text als Satire verstehen sollte.. Als solche gefällt er mir.

 Inlines meinte dazu am 20.04.18:
Hallo Ekki, deine Rückmeldung freut mich! Bei dem Genre bin ich selber nicht ganz sicher, aber es stimmt schon, dass ich ein wenig geflunkert habe. Die Ameise selbst gibt/gab es aber wirklich. Danke auch für deine Empfehlung. FG
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