Troll-Sein-Dürfen als Funktionssystem

Essay zum Thema Arbeit und Beruf

von  toltec-head

Die Literatur wird in der neuen Gesellschaft fortbestehen, so wie Recht, Wirtschaft, Wissenschaft, die Massenmedien etc. fortbestehen werden, aber sie wird genauso langweilig sein wie sie. Sie wird den kleinen Kreis der entsprechend Spezialisierten weiterhin brennend interessieren, im Kern wird sie aber Kongress- und Fräuleinmaterie sein, auch wenn die Kongresse und Fräulein sich zu maskieren versuchen, um die hässlichen Funktionszusammenhänge zu verdecken. Das eigentlich neue, das in der neuen Gesellschaft hinzukommen wird, ist die Ausdifferenzierung des Troll-Sein-Dürfens, das eng mit dem Internet, so wie die alte Literatur mit dem Buchdruck war, verbunden ist. Nach dieser Ausdifferenzierung lechzt die funktional differenzierte Gesellschaft  im Grunde genauso wie nach Terroranschlägen und den Irritationen millionenfach von außen anklopfender Barbaren. Im Grund ist sie - einschließlich ihrer Literatur wie ihrer Nachrichtenansagesprecherinnen- ohne diese bereits verloren. Diese Ausdifferenzierung wird dementsprechend auch nicht Sache von Schriftstellern, Literaten, Künstlern, sondern von jedermann sein. Sie wird Sache von Leuten mit einem ganz normalen Job sein, die gerade deshalb weil sie einen ganz normalen Job haben, das Troll-Sein-Dürfen als echtes Bedürfnis empfinden und dieses daher auch authentisch und nicht nur als Strategie, Design oder Masche zu verkörpern vermögen.

Was an Schriftstellern wie an Dritte-Welt-Flüchtlingen so extremst nervt, dieses: irgendwie kritisch gegen die Gesellschaft, den Kapitalismus, im Grunde die funktionale Differenzierung eingestellt sein und gleichzeitig von der Gesellschaft aber anerkannt, vom Kapitalismus durchgefüttert, im Grunde unbedingt doch auch anschlussfähig sein zu wollen, wird im Troll aufgehoben. Der Troll okkupiert nur einen gesellschaftlichen Minimal-Platz, im Grunde tendiert er immer schon zu Hartz4, aber gerade weil ihm diese Tendenz eingeschrieben ist, vermag er sich den Luxus zu leisten, sich mit diesem seinem gesellschaftlichen Minimal-Platz nicht zu identifizieren. Er hat sich (aber auch durch das Internet) einen Ort geschaffen, wo etwas unerhört Neues geschieht, was literarischen Standards nicht immer entsprechen mag, doch niemals von diesen eingeholt wird: das von außen als purer Troll schreiben.

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Kommentare zu diesem Text

Jack (36)
(29.04.18)
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MichaelBerger (44) meinte dazu am 01.05.18:
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Jack (36) antwortete darauf am 01.05.18:
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 LotharAtzert (29.04.18)
Worum geht es, wenn nicht um Eigenart - die ist für die meisten ja inzwischen ein Fremdwort.
Die eigene Art ist das, was aus mir heraus an Verdrängtem ins Leben will, um wieder erlösbar zu werden. Und nicht bloß die eigene Art, sondern das, was darunter ist, jene Schichten, die älter sind, als die persona, der Instinkt und das Schöpfen aus dem Unbewußten. Wenn da Trolle dabei sind, sollen sie mir willkommen sein. Aber das bloße Aufstören des fragilen gesellschaftlichen Gleichgewichts als literarische Absichtserklärung wäre mir da doch etwas zu dürftig, solange weiteres, wie eben angedeutet, nicht hinzutritt: Eigenart und -ständigkeit.
MichaelBerger (44) schrieb daraufhin am 01.05.18:
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 LotharAtzert äußerte darauf am 01.05.18:
So is ett! :)
MichaelBerger (44)
(01.05.18)
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