wortlos

Text zum Thema Fremde/ Fremdheit

von  tulpenrot

Illustration zum Text
(von tulpenrot)
Ich habe mein altes Apfelbäumchen zurücklassen müssen.
Jedes Jahr kleidete es sich über und über mit zartrosa Blüten ein und nährte unzählige Bienen. Nun  blüht es unter den Augen fremder Menschen, die es wenig zu schätzen wissen, denn seine Früchte sind zu klein zum Ernten. Es war einzig und allein ein verschwenderischer Schmuck in meinem Garten. Uns trennen nun Berg und Tal, Wiesen, Wälder - und ein Bach, in dem ein gefräßiger Reiher mit spitzem Schnabel nach Nahrung stochert. Sein Gefieder ist hässlich und grau. Niemand ist sicher vor dem kalten Schatten seiner ausgebreiteten Flügel. Ich bin vor ihm geflohen.

Unter den Menschen, die in meinem neuen Wohnort schon seit Generationen leben, bin ich eine Fremde. Sie haben ihr Herz auf einem anderen Fleck als ich. Ihr Reden weiß ich nicht zu deuten, sie lächeln ohne Freundlichkeit und Wärme in den Augen.  Ihre Mücken haben meine Worte zerstochen, bevor sie ihr Ohr erreichten. Sorgfältig  holen sie schon morgens früh mit der Papierabfuhr die letzten Silben ab. Meine Satzzeichen hatte schon der eisige Wind über den Zaun geblasen, der Nachbar hat sie am Nachmittag mit dem Unkraut zusammengerecht und zum Kompost getragen. Und ich bin verstummt.

Übrig bleiben zielverfehlte Tage und schlafarme Nächte, die mir ihr Schweigen zuflüstern. Wie oft schon hat der Mond sein Leuchten hinter meinem Rücken verschleiert. Auf ihn war eigentlich noch nie Verlass. Am liebsten würde ich in das Klagelied der einsamen Amsel einstimmen und später, im Traum, mein Apfelbäumchen besuchen.


Anmerkung von tulpenrot:

Mein Dank für die Empfehlungen geht an GastIltis,Tilda, Marjanna, ues, Hilde, Lese.Brille, AZU20.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (30.04.18)
Ja, das hättest Du oder LyrIch nicht tun sollen oder sorgfältig darüber nachdenken, was das neue Ziel sein sollte. Trotz des Flieders: Wieder umziehen! LG

 tulpenrot meinte dazu am 30.04.18:
Wenn das alles so einfach und möglich wäre... Ideen habe ich genug, der Ziele sind viele ...
Jedenfalls Danke für dein Mitdenken und das Sternchen.
LG
Tilda (50)
(06.05.18)
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 tulpenrot antwortete darauf am 06.05.18:
Liebe Tilda, Dein so ausführlicher Kommentar freut mich sehr. Danke dafür. Danke auch für die Sternchen!
Den letzten Satz hab ich nun weggenommen. Du hast Recht, der störte. Es gibt wirklich keinen greifbaren Trost.
Ich gebe zu: Die Stelle mit dem Reiher ist schon etwas "verklausuliert". Meine Hoffnung: dass beim Leser wenigstens die Stimmung ankommt, die er in diesem Text evozieren soll.
Viele Grüße
Angelika
Tilda (50) schrieb daraufhin am 07.05.18:
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 tulpenrot äußerte darauf am 07.05.18:
Dann bin ich beruhigt, wenn man das so lesen kann. Danke noch mal und viele Grüße.
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