Die Sache mit den Beuys- Biografen

Kommentar zum Thema Achtung/Missachtung

von  Reliwette

Kürzlich erschien ein Interview (Catrin Lorch) im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung mit dem Beuys-Biografen Hans Peter Riegel (Zürich), der zum zweiten Mal von sich Reden macht. Unter der Überschrift „Der Gestrige“ versucht die Autorin dem Motiv Riegels nachzugehen, ob  „nicht  der Zeitpunkt gekommen ist, an dem die Person eines Künstlers hinter das Werk zurücktritt?“ Riegel verneint das in dem Interview. Offensichtlich hat ihn der Film „Beuys“ von Andres Veiel zu erneutem Widerspruch angehalten, nachdem er bereits in seinem ersten  Buch mit dem Mythos aufgeräumt hatte, der junge Stuka-Bordschütze (Beobachter) sei gar nicht von Tartaren nach einem Absturz gerettet und in Felle eingewickelt worden.

Mir kommt das vor, als wolle Riegel sagen:"Ich weiß etwas was du nicht weißt!" Im vorliegenden Interview rückt der Autor die verstorbene Kunst- Legende ins  passende Licht: er – Beuys - habe gar keine Metallplatte im Schädel gehabt, der Absturz über der Krim sei eine „Bruchlandung gewesen“ auf einer in der Nähe befindlichen Landebahn. Zu allem Überfluss liefert das Presseorgan als Beweis Beuysscher Nähe zum Völkischen im Sinne der Nationalpädagogischen Lehre  nach Ernst Krieck (Anmerkung des Verfassers) ein fürchterlich farbzersetztes Foto aus den siebziger Jahren, das ihn im Kreise der „Stukaflieger" bei einem Kameradschaftsabend zeigt. Komischerweise sieht man auch einige Damen um den Tisch sitzen, offensichtlich Frauen der „Stuka-Kameraden“. Haben diese Damen auch einen JU 87 Sturzkampfbomber geflogen? Der damalige Fotograf der Szene kann vielleicht eine Antwort darauf geben, wenn er nicht zwischenzeitlich verstorben ist. Auf dem reproduzierten Bildmaterial sieht alles sehr tot aus!

Ich habe Beuys Anfang der siebziger Jahre kennengelernt. Vorausgegangen war ein Auftritt von ihm im Essener Folkwang-Museum. Zu der Zeit war ich in der Szene als malender und schreibender Strafvollzugsbeamter bekannt geworden und hatte bereits mehrere Ausstellungen u.a. in Galerien beschickt.  Offensichtlich war es ein Teil seiner  Persönlichkeit, seine Ideen, seine Interpretation seines Kunstbegriffes „jeder kann ein Künstler sein, aber er muss nicht unbedingt im klassischen Sinne malen oder bildhauern“,  zu verbreiten und nach Mitstreitern zu suchen, die diese Ideen  multiplizieren. Ich traf also auf den gereiften Beuys. Wir haben unsere Ideen und Vorstellungen über die gesellschaftsrelevanten Themen am Telefon oder auch im persönlichen Gespräch verglichen und diskutiert.

Ob Beuys eine Metallplatte im Kopf mit sich herumtrug oder bei den Tartaren mit Fett und Filz gepflegt wurde, war nie ein Thema, das zwischen uns behandelt werden musste.

Wenn ich heute über den Begriff des "Völkischen" nachdenke, der zu Hitlers Zeiten in alle möglichen Lehrfächer einfloss, Deutschunterricht, Geschichte, Erdkunde, räumt sich mir der Magen auf, denn das Völkische ist an sich ebenso harmlos wie der Begriff der Heimat, Landschaft, Sprache, Musik und vermittelt Nähe und Vertrautes.

Einer Legende wie Beuys nachträglich eine Nähe zu den äußerst Rechten „Kameraden“ zuzuordnen, anstatt ihn „bei den Linken“ einzubinden, scheint auch  Catrin Lorch aufzufallen, die dem Biografen  H.P. Riegel kritische Fragen stellt.

Ich habe mehrere Beuys Biografien zur Kenntnis genommen u.a. auch ein sehr umfangreiches Druckwerk mit dem Titel „Beuys zu Ehren“, das für den stattlichen Preis von nahezu 200.-DM im Handel erschien. Grund dieser Anschaffung war meine Frage an Eva Beuys, mit der ich zweimal einen Schriftwechsel führte, was mit Beuys nach seinem Ableben geschehen sei, weil ua. seine engsten Vertrauten oder Freunde keine Gelegenheit dazu bekamen, an der Trauerfeier teilzunehmen. Ich erinnere mich noch an ein Gespräch mit Johannes Stüttgen, den der Autor „Beuys Adlatus“ nennt, in welchem dieser "Adlatus" seine Bestürzung über den Tod seines Lehrers ausdrückte. In diesem Nachschlagewerk werden im hinteren Teil des Buches - von seinem Sohn Wenzel formuliert - die Koordinaten genannt für die Stelle, an der Beuys Asche in zwei Bronzeurnen im Schleswig Holsteinischen Wattenmeer versenkt wurde. In diesem Nachschlagewerk reihen sich Arbeiten von Künstlern, die als „Freunde“ in bestimmten Galerien ihre Werke feilboten. Plötzlich wollte ja jeder Beuys Freund gewesen sein, der sehr gut unterscheiden konnte, mit wem er "ein Bier" trank und mit wem er über Inhalte des Kunstbegriffes diskutierte.

Trittbrettfahrer berühmter Zeitgenossen finden wir überall, u.a. bei den Biografen, die nicht selten einem  Brotberuf als investigativ werkelnde Journalisten nachgehen – wie zum Beispiel Heiner Stachelhaus, der in den siebziger Jahren u.a. als Kulturjournalist bei einer Essener Zeitungsredaktion (Ruhrnachrichten) Bilderausstellungen besuchte und Kritiken verfasste. Ein anderer Biograf trat nach Beuys Ableben im Jahre 1986 an mich heran, um Informationen zu Beuys Leben und Werken einzuholen.

Der Verdacht, dass sich u.a. Biografen im Schatten berühmter Persönlichkeiten selbst in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rücken wollen, hat sich bei mir im Laufe der Jahre erhärtet. Also scheint es für sie von ungeheurer Wichtigkeit zu sein, auch Negatives aus dem Leben der Betreffenden hervorzukramen, so wie das auch bei dem Schriftsteller Günter Grass geschehen ist. Auch ihm wurde eine anfängliche Nähe zum Hitlerregime vorgeworfen, weil er als junger Bursche  bei der  Waffen-SS gedient habe. Dabei wird völlig übersehen, dass  „Suchende“ auf ihrem Wege zu ihrer Persönlichkeit auch irrende Wege beschreiten mögen, die sie aber alsbald wieder verlassen.

Joseph Beuys Großmannssucht zu unterstellen, weil er angeblich nie Naturwissenschaft studiert habe, zeigt, dass Riegel sich eigentlich nicht mit den Inhalten der Beuysschen Gesellschaftsphilosophie, die ja den Kern seiner Kunstauffassung spiegelt, befasst hat. Natürlich war Beuys mit dem Naturforscher Sielmann als Fotograf unterwegs. Beuys Begriff vom „Studium“ einer Disziplin war ja ein völlig anderer, deshalb sollte die Idee der FIU (Free International University for kreativity and interdisciplinary resurch“ ein völlig anderer Weg zu den Erkenntnissen über die meta ta physica sein, nicht jener der Anpassung der rein formalen Befähigungen, die das Arbeitsleben erfordert und vorwiegend „Fachidioten hervorbringt“, die man in jede Ecke kullern kann, die das Establisment für wichtig und richtig hält.

Richtig ist die Nähe von Beuys Kunstbegriffen zur Antroposophie (Rudolf Steiner). Das stört viele, die sich mit Beuys Kunstwerken konfrontiert sehen, mit denen sie nichts anzufangen wissen. Im Grunde ist Beuys ein Symbolist wie ich, nur dass ich meiner Kunstrichtung auch einen Namen gab:" Neosymbolismus", was so manchen Kunstkritiker störte, weil wieder ein „ismus“ angehängt wurde. Künstler können Erfinder sein, was zum Beispiel bei der Namensgebung beginnt: Suchen Sie beispielsweise "Reliwette" einmal im Internet. Sie werden weltweit keine zweite Person mit diesem Namen finden. Auf die Kunst bezogen ist das inhaltliche Verhältnis eines Bildwerkes (gemalt oder gehauen) in Form eines Symbols zu einer Idee bzw. Erkenntnis geradezu genial, was meinen Bezug zu Joseph Beuys als Freund und Mitgestalter ausmacht, der von einer "sozialen Plastik" sprach.

Ich kann nur hoffen, dass ich niemals von einem "Kaliber" des Hans Peter Riegel posthum „aufgearbeitet“ werde, weil ansonsten bei dessen Recherchen herauskäme, dass ich meine Erkenntnisse weitgehend aus dem „Studium“ der Religion gewonnen habe u.a. als Mormonenpriester mit zweiter „Weihe“ oder aus dem "Studium" der frühen Dagobert Duck Geschichten Carl Barks, der den fiktiven "Fantastilliardär" Dagobert Duck in den Fokus einer im fortgeschrittenen Stadium befindlichen kapitalistischen Gesellschaft rückte.


Anmerkung von Reliwette:

Wenn Menschen für die Mülltonne schreiben

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (17.05.18)
Stellenweise sehr kurios, aber flüssig und flott geschrieben, daher gerne gelesen.

 Reliwette meinte dazu am 17.05.18:
Ja ja, flott war ich schon als Knabe, aber was ist für Dich kurios? Der Inhalt eines Kunstwerkes in Form eines symbolischen Bezugs auf Vorstellungen und Ideen? Denk an die Honigpumpe auf der Dokumenta in Kassel! Liebe Grüße!

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 17.05.18:
Ich war 2014 mit Bazon Brock (Pressetermin) auf der Beuys/Brock/Vostell-Ausstellung im Karlsruher ZKM und habe somit ein klein wenig Einblick in diese Künstlerszene bekommen, die so gar keinen Bezug zum heute mehr hat, finde ich. Was nicht unbedingt schlecht sein muss.
Nun, wenn "alles" Kunst ist, so auch "Die Sache mit den Beuys- Biografen", also darf ich auch davon ausgehen, dass einiges fiktiv ist. Kurios ist z.B. die Kombination des Buches Mormon mit Dagobert Duck.
Nicht dass ich den "Die Sache mit den Beuys- Biografen"-Text an sich nicht ernst nehmen würde, aber man muss ja nicht gleich alles für bare Münze annehmen, was im Internet steht, nicht wahr?

 Reliwette schrieb daraufhin am 17.05.18:
Nee nee, das Interview von Frau Lorch steht gedruckt in der Süddeutschen Zeitung. Das zweite Buch von H.P.Riegel ist in Kürze zu haben. Zu Carl Barks:: er ist der Erfinder von Walt Disneys Dagobert Duck. Ich habe als Jugendlicher diese Comics "verschlungen". Und Mormonenpriester war ich tatsächlich! Eine Irrung, die mir aber viel über Religionen zugänglich machte. Ein Biograf, der solche Dinge ans Licht der Öffentlichkeit bringt (so wie Riegel den Mythos von Beuys "zurechtstutzt") bedient die Voyeure aller coleur aufs Beste. Was ich in meinem Kommentar schreibe, ist Wort für Wort wahr. Nun ist es u.a. bei KV im Internet. Kein fake, kein doppelter Boden. Und kurios ? So kann es kommen.

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 17.05.18:
Schreib' doch mal was Knackiges zur Kapitalismuskritik bei Karl Marx ...äh Carl Barks!

Dass manche Persönlichkeiten einfach entzaubert werden müssen, liegt eigentlich klar auf der Hand, oder? Der Mensch neigt viel zu sehr dazu, seine Vorbilder als Ganzes auf hohe Podeste zu stellen. Und manche Biografen neigen zur einer erhöhten Selbstdarstellung, nun ja, das ist eigentlich nichts neues... Die Leute kaufen auch halt gerne Büchern von solchen Angebern, ist halt so.

 Reliwette ergänzte dazu am 17.05.18:
So wie ich Beuys verstanden habe, wollte er nie auf einen Sockel gestellt werden. Als ich ihn einmal danach fragte, sagte er, dass er -Zitat: -"keine Privilegien vor anderen haben wolle". Er war auch kein Millionär, wie viele von ihm behauptet haben. Er war ein sehr bescheidener Mensch, dem es nur um einen gesellschaftlichen Aufbruch ging, den wir auch heute noch so dringend brauchen, denn wir "eiern" Stunde um Stunde am Rande eines dritten Weltkrieges herum. Richten wir unser Augenmerk nicht auf Carl Barks, sondern Donald Trump, den die Hölle ausgespuckt hat.
Liebe Grüße!
Hartmut

Antwort geändert am 17.05.2018 um 17:51 Uhr

Antwort geändert am 17.05.2018 um 17:53 Uhr

 LotharAtzert (17.05.18)
Gern gelesen. Heißt die Mehrzahl von Stuka eigentlich Stuki?
Gruß
Sondermüllpreisträger Lothar

 Reliwette meinte dazu am 17.05.18:
Hm, kommt drauf an wie es dekliniert wird? Lateinisch nach "a" müsste es Stukae heißen. Ich schau mal in Deinen "Sondermüll"! Herzlichst! Hartmut
Graeculus (69) meinte dazu am 17.05.18:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Reliwette meinte dazu am 17.05.18:
Lieber Graeculus, ist doch völlig klar. Ich sag mal so: das sollte ein Witz sein.

 idioma (17.05.18)
"Er war ein sehr bescheidener Mensch, dem es nur um einen gesellschaftlichen Aufbruch ging, den wir auch heute noch so dringend brauchen, denn wir "eiern" Stunde um Stunde am Rande eines dritten Weltkrieges herum. Richten wir unser Augenmerk nicht auf Carl Barks, sondern Donald Trump, den die Hölle ausgespuckt hat."
DANKE FÜR DIESE KLAREN WAHREN WORTE !
Der Mann mit Hut fehlt wirklich SOOOOOO SEHR !
Ich muss dran denken, wie dieser im Krankenwagen in NY ankam, um eine Woche mit dem Koyoten zu verbringen........ Besagte Ausgeburt der Hölle müsste mit Blaulicht dringend nach Düsseldorf abgeführt werden in karge Quarantäne mit diesem Mann mit Hut....... Alles zu spät !

"Suchen Sie beispielsweise "Reliwette" einmal im Internet."
= so spät wie überraschend........
idi

 Reliwette meinte dazu am 18.05.18:
Hallo idi, besser spät als gar nicht . Ja, JB war sehr krank, was die "Welt" ja nicht erfuhr, die sich ja auf den "Hut" und die "Anglerweste" beschränkte. Ich war eine Zeit lang vegetaiv-nervlich am Boden - völlig ausgebrannt. J.B. und ich sprachen darüber, auch über seine Krankheit: "Ich habe solche Schmerzen, dass ich im Stehen schlafe - wie ein Pferd!" Wissen jene alles nicht, die sich im Nachhinein das Maul über ihn zerreißen - wie auch über mich: Ich solle das Essener Rathaus (das alte) abgefackelt haben. Das Gerücht hielt sich lange Jahre!
Aber mal was anderes: Ich schaue mal in Deine lit. Geschichte! Lieber Gruß!
Hartmut

 tueichler meinte dazu am 20.06.18:
Als Unwissender, der Seine Werke nur museal recipiert, muss ichsagen, dass ich ihn wirklich in die Schiene von Tingely stecken würde, ohne aber seine Geschichte zu ignorieren. Provokation um der Provokation Willen - in der Zeit JBs Schaffens legitim. Es fehlt mir ein Stück die Entwicklung, was aber der Geschichte geschuldet legitim ist.
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