Sehnsucht nach Dummheit

Text zum Thema Sehnsucht

von  Inlines

Ich hoffe nicht, dass der Mensch emporsteigt und immer großere Höhen geistiger Reife erlangt. Dass er gescheiter wird, von Tag zu Tag. Mir wäre es persönlich deutlich lieber, wenn das Gegenteil geschieht. Wenn die Dummheit die Menschheit einmal richtig in die Mangel nimmt und ich schulterzuckend sagen könnte: "Selber Schuld, da kann ich doch nichts dafür". Getrieben vom Verlangen nach Erfolg warte ich auf richtig Dumme. Auf jemand, der bei Ebay für den teuren Schmuck nur einen Euro möchte, weil er das Einstelltool nicht ganz versteht. Auf Lehrer warte ich, die Namen auf den Zeugnissen vertauschen, und mein Sohn die Noten von der pickeligen Streberin erhält. Ich möchte nicht, dass die Konkurrenten meine Schläue übertrumpfen, ich möchte ein Primus meiner Gattung sein. Passiert ein Unfall, dann will ich trotz eigenem Verschulden die Seniorin überzeugen können, dass sie ein Schuldeingeständnis unterschreibt. Wenn ich in der 90. Minute eine gut gemachte Schwalbe präsentiere, dann will ich, dass der Schiri ganz energisch pfeift und sich der vorher unter meine Schienbeinschoner eingespritzte Ketchup auf der Rasenfläche schön verteilt. Die Sanitäter sollen auf das Feld stürmen, die Verantwortlichen über einen Spielabbruch beraten, sich fragen, ob der "Foulende" auch außerhalb des Platzes für seine Tat zur Verantwortung gezogen werden könnte.

So sehe ich diese Dinge. Und ich stehe auch dazu. Ich habe noch Visionen und ganz besonders eben bei der der Dummheit. Das betrifft viele persönliche Bereiche, doch am meisten wünsche ich mir diese bei den Beteiligten des Trainings, zu dem ich meinen Hund im Wochen-Rhythmus bringe. Wenn ich schon auf dem Vereinsgelände bin, bei den Tunneln und Hindernissen stehe, dann habe ich den Wunsch, dass die anderen mit ihren Hunden nicht mal in der Lage sind den Eingang zu dem Übungsareal zu finden, geschweige denn die Eingangstür zu öffnen. Ich wünsche mir, dass die Halter wie die Hunde selber am Eisengitter der Umzäunung kratzen, und um Hilfe schreien, weil sie sich anders nicht zu helfen wissen. Und wenn sie doch hereinkommen, mit abgebrochenen Zähnen und gerissenen Jeans, und wir unsre Hunde aneinander messen, dann hätte ich es gerne, dass meine alte Berna auf dem Hochsteg einen Rückwärtssalto und eine Doppelschraube macht. Mit einem Spagat soll sie ihre Aufwärm-Übung abschließen, und die anderen Frauchen alle miteinander blöde gaffen. Nur mein Goldstück soll glänzen, und die anderen Köter, wenn jemand "Platz" schreit, glauben, dass sie augenblicklich urinieren oder scheißen sollen. Die fremden Tölen sollen auf dem Hochsteg torkeln wie Besoffene auf weißen Linien. Einem Auto hinterher rennen, weil sie es mit einer Katze verwechseln. Sie sollen Tennisbälle fressen, weil sie es für frisches Brekkies halten, enttäuscht vom Geschmack den Trainer in die Waden beißen, aus Hunger eine 10. Biene schnappen, obwohl die 9 davor schon in das Maul gestochen haben.

Ja, wenn es so käme, dann könnte ich mit meiner Wirklichkeit umgehen. Mit dem schlechten Hauptschulabschluss, der bloß an meinen Lehrern lag. Mit den Betrügereien, die die Männerwelt wegen meiner Leichtgläubigkeit an mir verüben konnte. Ich könnte meinen Frieden machen mit dem Unfall, der zustande kam, weil ich den Vorwärts- mit dem Rückwärtsgang verwechselt habe. Wegen dem die Garagenwand zerbrach, und kurz darauf die ganze Parkparzelle. Ich könnte Verantwortung übernehmen, für die Lästermail, die ich an meine Freundin senden wollte, doch wegen einem Tippfehler an meinen eignen Chef versandte. Der darin schwer beleidigt wird, doch dem ich, aus Gehaltsgründen, kurz zuvor die Liebe offenlegte, und einen meiner sonst vom Kleid verdeckten Oberschenkel.

Ich will wirklich nur ein bißchen was vom Kuchen haben. Und wenn es schmeckt - Ja - vielleicht ein kleines bißchen mehr. Ich weiß selber nicht genau warum, doch würde ich am liebsten die andern alle hungern sehen, während ich die Zuckerbombe mir ungehemmt in meinen Rachen stopfe. Während ich den großen Teller nutze, auf dem die Hälfte nachher liegen bleibt, und im Abfalleimer landet, sollen sie mit ausrangierten Kaffeeuntersetzern in einer langen Schlange warten. Während ich den Teller überfülle, dass ich auf dem Weg zum Tisch am Boden breite Sahnespuren hinterlasse, soll die Konkurrenz nur zögerlich die Größe ihres Einzelstückes wählen. Selbst wenn ich Dünnpfiff kriegen würde, wegen der Laktoseunverträglichkeit, machte mir das nur herzlich wenig aus. Hauptsache, ich hätte es der Welt gezeigt. Ja - Dann könnte ich mit dieser besser leben.


Anmerkung von Inlines:

Der Autor distanziert sich ein wenig vom lyr. Ich...

https://www.youtube.com/watch?v=oj20LKdg8-8 Wishful thinking...

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (09.07.18)
Eigentlich ein Text über Sozialneid.
Marjanna (68)
(09.07.18)
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