Sonntagsausflug - oder Ohne Navi ist alles viel spannender

Tagebuch zum Thema Urlaub/ Ferien

von  tulpenrot

So typisch für "Hanna mit Mama" - eigentlich wollten wir in den Zirkus gehen. Aber dann wurde alles völlig anders, wie meistens. Das geht so:

Nach rechts abbiegen, statt nach links. Oder nach links abbiegen statt nach rechts. Das ist ziemlich gleichgültig. Auf keinen Fall wenden und zurückfahren, lieber gucken, was da vorne kommt. Nie dieselbe Straße noch einmal fahren. Eiserne Regel.

Waren wir da schon mal? Ja? Also fahren wir jetzt nach links, da sieht es auch schön aus. Huch, jetzt geht es ja den Berg runter. Ist da hinten im Dorf nicht eine interessante Kirche? Die könnten wir mal eben besichtigen. Ups, jetzt sind wir dran vorbeigefahren. Egal. Da vorne am Dorfrand sind nämlich ganz schwarze, große Kühe. Da halten wir mal an der Weide. Kleiner Spaziergang. Ob das Fleischkühe sind? (Wie Fleischtomaten). Boah, Kälber sind auch dabei. Klick. Foto. Regenguss. Schnell einsteigen ins Auto.

Fahren wir jetzt rechts oder links weiter? Nee, geradeaus.... Zwei Minuten später: Stopp, da war ein Hinweisschild zu einer Ruine. Umkehren, ausnahmsweise, weil es sich um eine Ruine handelt, zwei Meter zurück, abbiegen, Berg rauf. Tatsächlich, eine Ruine und ein Hebammenhaus daneben. Rundumfoto. Porträtfotos mit Ruinenmauer im Hintergrund. Auf der Wiese unterhalb der Ruine ein aufrecht sitzender Hase. Bildschön. Ranzoomen. Klick. Foto. Von unten Bierzeltmusik. Humptata. Mal sehen, ob es da Kuchen gibt. Also runter in den Ort. Aber kein Parkplatz, stattdessen Platzregen. Nicht aussteigen, weiterfahren.

Geradeaus. In den nassen Wald. Enge Straße. Lichtung mit Gasthaus. Nee, hier gibt es keinen Kaffee oder sicher nur schlechten. Wo sind wir überhaupt? Ach, egal. Feldweg. Raus aus dem Wald. Unten gucken wir auf das Schild hinter uns - es war eine gesperrte Straße. Kicher. Jetzt sind wir aber auf einer Straße mit Gegenverkehr. Nächstes Dorf, schöne Häuser. Dann Wiese, Schafe, Schäfer, Hunde. Nächstes Dorf. Wenn wir jetzt weiterfahren, kommen wir zu dem Biohof, wo wir schon mal eingekauft haben. Nee, falsch. Aber wieder durch einen neuen Wald. Platzregen. Trommelwirbel auf dem Autodach. Hagel? Nicht wirklich, aber viel Nass von oben.

Neuer Ortsname. Kennen wir das Dorf nicht schon? Doch. Bald kommt doch das Wasserschloss. Also jedenfalls ist es nicht mehr weit. Wieder bergauf und bergrunter mitten durch Einöde. Sind wir noch richtig?  Ich hab nicht mehr viel Benzin. Wie weit ist es bis nach Hause? Ich hab Hunger. Kaffee wäre nicht schlecht. Nächstes hübsches Dorf. Ob wir das Schloss mit dem Cafe überhaupt finden? Und eine Tankstelle? Wie weit reicht das Benzin noch? Vielleicht gibt es hier im Dorf nicht auch ein Café? Nein. Wir sind schon am Dorfende. Graue, weißliche Wolkengebilde am Himmel, dazwischen eine Lücke aus Himmelblau. Getreidefelder. Ob das eine lohnende Ernte gibt dies Jahr wegen der Hitze und Trockenheit? Im Moment ist alles sehr nass. Das war allerdings schon mal anders.

Dann wieder Weide, Kühe, schwarze natürlich. Wo sind wir jetzt? Einfach geradeaus fahren. Berg rauf durch den Wald. Und dann sehen wir zwischen den Bäumen unvermittelt unten das Wasserschloss. Einen Parkplatz finden wir auch. Im Schlosscafé, wo es diese übermächtigen Tortenstücke gibt, die wir normalerweise links liegen lassen, ist Hochbetrieb, schlechte stickige Luft. Wir finden einen Sitzplatz neben der offenen Eingangstür. Im Schlosshof könnte man auch sitzen, aber dort ist es uns zu kalt. Hier sitzt es sich angenehm und es ist sehr unterhaltsam. Rein, raus. Die Kellnerinnen mit Kaffee, Eis, Torten, Wasser, leerem Geschirr. Die Besucher atmen wieder tief durch, weil sie drinnen keine Luft hatten. Die Bedienung geht nur schleppend voran. Egal, wir haben Zeit. Kuchen schmeckt so halbwegs, Cappuccino und Tee - naja. Aber dafür eben Rokokostühle und Schlossambiente. Dann sind auch wir soweit zum Aufbruch. Schnell ein paar Fotos vom Wasserschloss. Der nächste größere Ort ist nicht weit. Teure Tankstelle, wir tanken trotzdem. Vorsichtshalber. Dann auf Umwegen zurück nach Hause, auf keinen Fall Autobahn. Lieber am Atomkeller vorbei, am nächsten Schloss vorbei. Wieder Schafe und „Frau Wolle“, ein wollverarbeitender Betrieb, den ich vor vielen Jahren besichtigt hab.

Und wieder Felder, Wälder, Nebenstraßen, Ortschaften. Zum hundertsten Mal falsch abgebogen. Kein Problem, wir haben ja Benzin. Ach, wie nett: Umleitung. Baustelle. Die fehlte noch in der Sammlung. War die nicht vor einem halben Jahr schon da? Also wieder Routenänderung. Macht nichts, wir kennen uns hier aus. Zuletzt am Rande des letzten Wäldchen zwei Rehe. Abendgruß. Kein Foto. Die Rehe waren schneller. Zweimal rechts abbiegen. Nach sechs Stunden wieder zu Hause.

Nachtrag:. Fast vergessen hätte ich es. So ganz nebenbei sind wir bei Herrn Fischer vorbeigefahren. Fischertechnik. Ein Begriff, den ich von meinem Vater noch im Ohr hab aus den 60ern. Ich glaube, er hat sich damals eher einen Sohn gewünscht als drei Töchter. Dabei hätte ich gerne damit "gespielt". Ich wollte auch immer eine Eisenbahn haben. Jetzt im Alter bin ich wenigstens an dem Fischertechnik-Betrieb vorbeigefahren. Das hätte ich nie erlebt, wenn wir im Zirkus gesessen hätten oder wenn ich immer richtig abgebogen wäre.

Und noch ein Nachtrag: Mit Navi wäre das Leben nur halb so spannend.

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Kommentare zu diesem Text

LottaManguetti (59)
(23.07.18)
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 tulpenrot meinte dazu am 23.07.18:
Muss ich noch mal überlegen, ob es so bleibt, mit der Bedienung. Muss aber jetzt erst mal weg ... s. PN.
Aber großes DANKE!!
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