Wie auf den Sonnentag ein Schatten fiel.

Kurzgeschichte zum Thema Schicksal

von  TassoTuwas

Es herrschte ausgesprochene Fröhlichkeit auf der Anlage..
Dieser Tag war unbestritten der Schönste des diesjährigen Sommers und hatte die Erfrischungssuchenden in Scharen angelockt und obwohl sich in der bunt zusammen gewürfelte Menschenmenge, so mancherlei Sehenswertes entdecken ließ, war es bald ein kleines blondes Lockenköpfchen das die Szenerie beherrschte.
Diese Kleine schien von entschlossener Neugier getrieben, seiner Mutter zu entwischen, um das weitläufige Gelände zu erkunden. Nach dem dritten Ausreißversuch hatten die Beiden die Aufmerksamkeit der Badbesucher auf sich gezogen.
Die Beiden, das waren sie, das war das blondgelockte vielleicht grade drei Jahre alte Mädchen im grellbunten Peppa-Wutz-Badeanzug und die Mutter in einem Bikini, der es in jedem Bademodejournal zum absoluten Hingucker gebracht hätte.
Die Kleine spielte in der Nähe der Mutter, entfernte sich dabei aber nach und nach weiter und plötzlich, so als wäre ihr eine Idee gekommen, sprang sie auf und rannte, Rannte drauflos, kannte dabei keine Hindernisse. Sie durchquerte die Liegewiese, lief über Decken und Tücher, fiel über Badetaschen, rappelte sich auf, warf einen Blick zurück, sah sie die Mutter ihr rufend und winkend nacheilen, lachte sie hell auf und versuchte den ungelenken Watschelschritt auf Höchstgeschwindigkeit  zu beschleunigen.
Versuchte sie auf den Wegen zu entkommen, traten die Erwachsenen schnell zur Seite und gaben ihr freien Lauf, um dann wieder zusammen zu treten, dass die Mutter ihrem Kind nur in Bögen folgen konnte und die Verfolgungsstrecke trotz unterschiedlicher Schrittlänge nur langsam schrumpfte.
Alles gab es für die Kleine zu erkunden, den Eisstand mit den aufgestellten Reklametafeln, die sich quietschend verschieben ließen,  zu den Startblöcken war sie unterwegs, die sie trotz aller Mühe nicht erklettern konnte, dann zog sie die Treppe des Sprungturms an, oder der Springbrunnen in der Mitte des Kinderbeckens, und immer wieder lockte die entfernte Spielwiese, wo sie den, wie riesengroßen Insekten herumschwirrenden Federbällen oder den elegant geworfenen Frisbeescheiben lachend hinterher jagte.
Die Mutter hatte schon nach den ersten Ausreißversuchen den Roman zugeklappt und nach einer Zeitschrift gegriffen, so war es einfacher ihre spielende Tochter besser im Auge zu behalten, jeder Moment der Unaufmerksamkeit konnte die nächste Verfolgungsjagd auslösen, und das bedeutete mit einem  zappelnden und juchzenden Kind unterm Arm den Weg zurück, dabei die weggeworfenen Schwimmflügel aufsammeln und sich bei einem Dutzend Badegästen zu entschuldigen. Was aber in den allermeisten Fällen nicht erwartet wurde. Das Publikum war amüsiert und wer wollte schon der Spielverderber sein und der unbekümmerten Fröhlichkeit eines Kindes das Ende bereiten. 
Die junge Frau hatte ihren Wildfang zum sechsten oder siebten Mal eingefangen, von den Beobachtern der Szene gab es aufmunternden Beifall und bewundernde Pfiffe, sie zwang sich zu einem Lächeln.
Es war halt ein perfekter Tag für Spaß und Übermut, für die Zuschauer allemal..
Sie zog ihr Kind mit festem Griff hinter sich her, entdeckte einen freien Platz am Rand des Schwimmbeckens und ließ sich mit einem Seufzer nieder. Sie liebte ihr Kind über alles, doch manchmal trieb sie die unbändige Lebhaftigkeit der Kleinen in die Nähe der Hilflosigkeit!
"Du bist ein ungezogenes Kind, ...du nervst...", sie versuchte ihrer Stimme Nachdruck zu geben, "...wie viel tausend Mal hab ich dir schon gesagt, du sollst nicht immer weg laufen!"
"Ach, wenn ich das doch auch einmal sagen könnte!", hörte sie eine leise Stimme neben sich. So leise, wie man spricht. will man etwas zu sich selbst sagen.
Die Mutter suchte nach einer barschen und zurechtweisenden Antwort, wandte sich mit einem Ruck zur Seite, der Frau zu, der sie bisher kein Beachtung geschenkt hatte, "Kümmern sie sich...!
Da sah sie den kleinen Jungen, den ihre Nachbarin an sich drückte, sah den schiefen Kopf und die kurios verdrehten Beinchen.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (27.07.18)
Der Leser ist durch die Überschrift vorgewarnt. Er rechnet damit, dass dem lebhaften gesunden Kind trotz aller Aufmerksamkeit der Mutter etwas passiert. Und dann kommt das überraschende Ende, das keines Kommentars bedarf.
Diese faszinierende Kurzgeschichte lebt mindestens so sehr von der Sprache als vom Inhalt. Es gelingt dir, die natürliche Neugier des Kindes und dessen übersprudelnde Lebensfreude, die sich auf die Badegäste überträgt, sowie die Besorgtheit der Mutter so plastisch darzustellen, dass man als Leser in die Rolle der Mutter schlüpft und dann von dem unerwarteten Ende betroffen ist.

 TassoTuwas meinte dazu am 27.07.18:
Hallo Ekki,
Vorwarnungen steigern die Aufmerksamkeit, sind aber keine Versicherung gegen Überraschungen.
Ich freue mich außerordentlich über deine detaillierte und positive Betrachtung dieser Kurzgeschichte.
Ich weiß, das Ende ist hartes Brot!
Herzlichen Dank
TT

 TrekanBelluvitsh (27.07.18)
Das Ende lässt einige Interpretationen zu. Nur wo das Glück wohnt, ist eindeutig.

 TassoTuwas antwortete darauf am 27.07.18:
Das Glück ist doch immer nur auf der Durchreise!
Wie eine Wanderhure ))
TT

Antwort geändert am 27.07.2018 um 09:33 Uhr
LottaManguetti (59)
(27.07.18)
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 TassoTuwas schrieb daraufhin am 27.07.18:
Auch dir ein schönes Wochenende und behalte im Trubel die Übersicht
♥lichst
TT
Nimbus (43)
(27.07.18)
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 TassoTuwas äußerte darauf am 27.07.18:
Sei ehrlich, das hätte das Ende auch nicht besser gemacht
LG TT
Sin (53)
(27.07.18)
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 TassoTuwas ergänzte dazu am 27.07.18:
Wenn ich es mir überlege, als "Gute Nacht Geschichte" völlig ungeeignet!
Aber danach fragt das Leben auch nicht.
Danke
LG TT

 jennyfalk78 (28.07.18)
Da fällt man so flockig, in einen gut gelaunten Sommer Feeling Text und schlägt voll mit dem Kopf auf.
Ich habe es nicht kommen sehen.

Dir ist schon klar, das es auch zarte Seelen auf der Welt gibt, die genau jetzt, Tränen in den Augen, auf den Computer starren und sich fragen :" Warum?"

Nicht im Sinne der Geschichte, sondern, warum uns Besonderheiten immer so betroffen machen.


Die deine Jenny

 TassoTuwas meinte dazu am 31.07.18:
Hallo Jenny,
ich hatte schon mal "Empfindsame Seelen werden gebeten dieses nicht zu lesen!", über einen Text geschrieben. Hab ich leider vergessen.
Ich werde mich bemühen, dass der Grund für deine nächsten nassen Augen Lachtränen sind
Herzliche Grüße
TT

 harzgebirgler (23.12.20)
ein bricht verdunkelnd das in eine welt
die sommers sonne grad grandios erhellt.

lg
harzgebirgler

 TassoTuwas meinte dazu am 23.12.20:
Es ist so leicht sich ständig zu beklagen
es fällt so schwer sich selbst zu hinterfragen

Eine schöne Weihnacht wünscht dir
TT
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