Kunst leer, wie Flasche im Zuge der Zeit

Beschreibung zum Thema Alleinsein

von  LotharAtzert

Eigentlich wird alles zuletzt Kunst, sowie ihr Anfang mit Unkunst beginnt. Wer sagt, alles sei von Anfang an Kunst, vergißt dabei, daß stetiges Werden erst zur Selbständigkeit ihrer Gestalt führt. Erfahrung ist ohne Gefahr nicht zu haben, in der manch einer bekanntlich sein Leben läßt. Da muß man "Prioritäten setzen". Deshalb ist die höchste, weil selbstbefreiende Kunst jene vom Sterben.
Ich hab das selten richtig in der Gegenwart hingekriegt, sondern oft erst in dem, was man das "Nachhinein" nennt. Das kostet dann immer bedeutend mehr, als wenn man alles gleich erledigt. Sterben ist nicht einfach, solange ich an magnetischen Vorstellungen fest halte und sie nicht zeitig genug ohne Zwang loslasse. Wobei zeitig bedeutet, daß es einen Spielraum für Übungen gibt. Dabei kehrt doch alles zurück, was man aussendet.
"Mögen alle glücklich werden, mögen sie getrennt sein von Leid und den Ursachen.
Mögen sie nicht getrennt sein von größter Freude, welche frei von Leid ist, ohne Anhaftung an Nähe oder Abneigung gegen andere."
So etwa sehen die Wunschgebete der Bodhisattvas aus.

Heute, im betagten Alter, verliere ich mich oft. Erst eben hörte ich einen Täuberich gurren und vergaß mich vollständig, dabei den Körper auf dem Sessel lassend, wurde Gurrtäuberich und gurrte für die Samenablegung in der Königin-Mutter. "Guckuruguckukuku-guck!"
Da erschrak plötzlich etwas in mir, so sehr, daß ich jäh in meinen schrumpeligen Body auf dem Sessel zurückgeschleudert wurde. Der geile Täuberich ...
Entschuldigt, ich muß erst mal einen Zug aus der Flasche nehmen ... ach, der hat wieder halbe Stunde Verspätung. Wenn mein Geist jetzt den Körper nicht wieder gefunden hätte, müsste ich weiter gurren oder als arme Seele auf ein gestiftetes Kerzlein von Dieter hoffen.
Aphrodite erschien dem Aeneas in einer Taube mit goldenem Zweig, der ihm die Tür zu Hades Weib Persephone öffnete.


Anmerkung von LotharAtzert:

 Bong

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Kommentare zu diesem Text

Bette (70)
(30.07.18)
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 LotharAtzert meinte dazu am 30.07.18:
Du irrst, wenn du glaubst, dies sei eine Wunschliste.
Es ist nichts anderes, als Konditionierung des Geistesstroms.
Es ist auch kein Wunsch des Wellenberges, in die Tiefe zu stürzen und kein Wunsch des Wellentales, endlich nach oben zu gelangen.

Du irrst, wenn du glaubst, dies sei eine Wunschliste.
Es ist nichts anderes, als Konditionierung des Geistesstroms.
Es ist auch kein Wunsch des Wellenberges, in die Tiefe zu stürzen und kein Wunsch des Wellentales, endlich nach oben zu gelangen.

Du irrst, wenn du glaubst, dies sei eine Wunschliste.
Es ist nichts anderes, als Konditionierung des Geistesstroms.
Es ist auch kein Wunsch des Wellenberges, in die Tiefe zu stürzen und kein Wunsch des Wellentales, endlich nach oben zu gelangen.

 Habakuk (30.07.18)
Ars moriendi, die Kunst des Sterbens, ist dem Zeitgeist aus dem Blick geraten.
Der, der stirbt, bevor er stirbt, stirbt nicht, wenn er stirbt.
Ein alter Kumpel von mir sagte mal:
„Wer Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Frau, Kind, aber auch sein eigenes Leben mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. (Im Originaltext steht sogar „wer nicht hasst Vater, ...“)
So auch jeder unter euch: Wer sich nicht lossagt von allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein“.
O Herr, du bist eine Zumutung manchmal. Um nicht häufig zu sagen.
Habe fertig. Flasche leer. Fehlt nur noch ein Täubchen.

H.

 LotharAtzert antwortete darauf am 31.07.18:
Daß du hier in meiner bescheidenen Hütte so erhebende Worte singst, Habakuk, verwandelt sie trotz hoher Außentemperatur in eine Sommerfrische und ich vermag nur noch zu stammeln: Ahoj mein Käpt'n. Danke.

Grüß deinen Kumpel von mir.
(Kommt Zeit, kommt Taube.)

L.

 Dieter Wal (30.07.18)
"Aphrodite erschien dem Aeneas in einer Taube mit goldenem Zweig, der ihm die Tür zu Hades Weib Persephone öffnete."




Kaum dies hatt' er gesagt, als ein Paar leichtfliegender Tauben
Selbst vor des Helden Gesicht am heiteren Himmel daherkam
Und auf die grünende Flur absank. Es erkannte der Mutter
Auserkorene Vögel der Held und betete freudig:

Leitet mich ihr, ist etwa ein Weg, und einher durch die Lüfte
195 Lenkt in die Haine den Lauf, wo reich dem triebsamen Boden
Schattet der Sproß. Und du, o verlaß nicht, göttliche Mutter,
Mich in der Not! – So rief er empor und hemmte den Fußtritt,
Aufmerksam, was zeichne den Flug, wie verfolge die Richtung;
Jene, zum Weiden gesenkt, entflatterten ferner und ferner,
200 Daß die Verfolgenden leicht sie im Auge zu halten vermochten.
Jetzt, da sie kamen zum Schlund' und starken Gedünst des Avernus,
Heben sie rasch sich empor, und die lauteren Lüfte durchgleitend,
Senken zum Sitz, o erwünscht! sich beid' auf den Wipfel des Baumes,
Wo durch Grün abstechend der goldene Schimmer hervorblinkt.
205 So wie in Waldungen oft bei winterndem Froste die Mistel
Jugendlich grünet von Laub, die nicht aussäet ihr Stammbaum,
Und mit feuriger Frucht um rundliche Äste sich breitet:
Also war die Gestalt dem sprossenden Gold in der dunkeln
Steineich', also klirrte das Blech im Säuseln des Windes.
210 Hurtig ergreift Äneas den Zweig, und den schwankenden bricht er
Gierig und trägt ihn zum Hause der ahnungsvollen Sibylla.

http://gutenberg.spiegel.de/buch/-2624/12

 LotharAtzert schrieb daraufhin am 31.07.18:
Danke, Dieter, für den Auszug aus der Aeneis. Es ist immer wieder erhebend, solches zu lesen.
Ein Mensch schläft mit einer Göttin und erblindet, weil er damit prahlt und wird im Jenseits vom Sohn besucht - was es doch früher für Lebensläufe gab. Die heutigen … naja, gut ...

 Dieter Wal äußerte darauf am 31.07.18:
"Kunst leer, wie Flasche im Zuge der Zeit"

Der Vergleich mit der Flasche ist sehr schön und auch das E von "Zuge". "

Flasche im Zuge der Zeit" sagt von selbst, dass die Flasche geleert wird.


"Kunst leer, wie Flasche im Zuge der Zeit"

Das Komma passt nicht. Besser finde ich:

Kunstlos wie eine Flasche im Zuge der Zeit

Oder:

Flasche im Zuge der Zeit

?

Antwort geändert am 31.07.2018 um 11:25 Uhr

 Dieter Wal ergänzte dazu am 31.07.18:
Liebe Antike Literatur, weil sie noch als sakral galt. Hesiod, Homer, Heraklit, Platon, Ovid, Vergil, Apuleius, Longus und wie sie nicht alle heißen, schrieben Heilige Bücher. Die Bibel ist "nur" ein weiteres.

 LotharAtzert meinte dazu am 01.08.18:
Ja Dieter, die Aussage deines letzten Kommentares teile ich mit dir, auch wenn ich aufgrund nachlassender Sehschärfe (in die äußere Welt) nicht mehr viel lese, aber das Wesentliche stets abrufbereit intus habe.

"Kunst leer, wie Flasche im Zuge der Zeit" muß allerdings bleiben. Es geht mir ja (immer) um Leerheit und Klarheit, einer Terminologie des Mahayana. "Kunstlos" würde da in eine andere Richtung führen.
Danke

 Dieter Wal meinte dazu am 02.08.18:
Die Illias komplett gelesen?

Antwort geändert am 02.08.2018 um 20:50 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 03.08.18:
Was interessierst du dich so für die Knochen? Frag' lieber nach dem Fleisch )

 Dieter Wal meinte dazu am 03.08.18:
Befürchtete, dass du nur über Astro-Schwurbler davon hörtest. Wer kennt heute noch faktisch die Illias? Altphilologen? In den besten Fällen. Es gibt mittlerweile glücklicherweise immer mehr sehr gute Hörbücher.

Was meintest du mit "Fleisch"?

Antwort geändert am 03.08.2018 um 13:40 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 03.08.18:
Knochen=Form
Fleisch=Inhalt
Ich meinte damit, daß die Menge an gelesenem Text nichts darüber aussagt, was einer raus gezogen hat für sich und sein Umfeld. Was ich persönlich rausgezogen habe, findet sich in meinen Texte wieder. Die bloße Informationsanfrage sagt also im besten Falle was über den Fragenden.

Astro-Schwurbler ist sehr herablassend, wenn da nicht differenziert wird. War Kepler auch einer? Oder Thales, dessen Astrologietätigkeit verbürgt ist.

 Dieter Wal meinte dazu am 04.08.18:
Mich interessierte, mit welchem Hintergrund du es zitiertest. Las die Illias ausschnittsweise und bewundere jeden, der sie komplett kennt.

Antwort geändert am 04.08.2018 um 22:12 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 05.08.18:
Vermutlich verstehe ich die Frage nicht. Was meinst du mit Hintergrund? Zudem liegt es viele Jahrzehnte zurück. Ich habe, falls es das ist, was du meinst, die Illias nicht in einem Stück gelesen, aber immer wieder hervorgeholt, um zu vergleichen, zu ergänzen und so weiter. Das gilt auch für die Aeneis, die ich später las. Da mich die Figur Didos besonders interessierte, habe ich wiederum soundsoviele andere Werke aus dem Umfeld gelesen, so daß ich sozusagen ihr komplettes Leben kenne, bis auf die Kuhhaut, die sie in Stücke schneiden musste, um das versprochene Land zu bekommen. Ihre Schwester bgegnete mir dann wieder in anderen römischen Werken und so las ich mich durch die antike Welt, kam zu den Saturnalien und so weiter und so fort.

So ging es mir mit allem. Als ich als Hesse-Leser erfuhr, daß der Hermann Rilke las, las ich aus Gründen der Devotion Rilke. Als ich las, daß Rilke bei Tolstoj war, las ich Tolstoj. Als ich hörte, daß dieser und Gandhi … und immer so weiter … einer führte zum nächsten. Lou Andreas Salome' führte über Rilke und Nietzsche dann automatisch zu Freud, der zu C.G. Jung - ist damit Deine Frage einigermaßen beantwortet, Dieter?

Aber um nochmal auf Aphrodite zurück zu kommen. Sie nimmt heute für mich eine besondere Stellung ein, die ich aber mit denen, die mich zu den Schwurblern zählen, nicht erörtern kann.
Sei gegrüßt.

Antwort geändert am 05.08.2018 um 10:19 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 06.08.18:
Deutlich verständlicher nach deiner ausgiebigeren Antwort. Danke. Neben, hust, ein paar wenigen anderen Betätigungen gehört Lesen und Schreiben für mich zu den interessantesten. Daher frage ich manchmal, welchen genauen Bezug ein Mensch zu einer Literatur hat, die mich interessiert, wenn sie von ihm zitiert wird. Schreiben über Literatur ist bereits ein Teil von Aneignung. Die Illias gehört zu den absoluten literarischen Spitzenprodukten der Römer. Sie ist wahrscheinlich der "Faust 1 und 2" der Römischen Literatur im Bereich Epos. Darüber lohnt sich durchaus eine nähere Nachfrage. Findest du nicht?

Antwort geändert am 06.08.2018 um 23:02 Uhr
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