*3* Sonntagsausflug

Szene zum Thema Außenseiter

von  tulpenrot

Illustration zum Text
(von tulpenrot)
Wir hatten uns schon zu Hause ein Café ausgesucht. Für eine Einkehr am Sonntagnachmittag. Auf den Fotos der Webseite sah es sehr anheimelnd aus. Etwas nordfriesisch angehaucht, mit blauweiß gekachelten Wänden und weißem Mobiliar. Was wir nicht wussten: Es lag im Industrieviertel und gehörte einer Großbäckerei.
  Trotzdem entschlossen wir uns, dort Kaffee zu trinken. Am Sonntag wurde ja in den umliegenden Firmen nicht gearbeitet. Außer uns wenigen Café-Besuchern war niemand auf den Straßen zu sehen. Das ganze Viertel war menschenleer und trostlos.
  Wir besorgten unseren Café und den Kuchen an der Theke und setzten uns. Durchs Fenster sahen wir ein Gelände, das mit einem hohen Maschendrahtzaun eingezäunt war, darin einige Wohncontainer. Drumherum alle Wege weißgrau geschottert. Ein Wächter saß am Eingang. Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde: Hier wohnen Asylbewerber. Ein Vater spielte hinter dem Drahtzaun mit seinen beiden Kindern auf dem Schotterweg Ball. Ein anderes Kind schaukelte. Kein Baum, kein Strauch, nichts Schmückendes oder Buntes. Keine Wäscheständer. Alles war ordentlich und geradezu steril.
  Als wir dann später neugierig am Zaun entlang liefen, kam ich mir vor wie ein Besucher im Zoo, wo man seltene Tiere ohne Gefahr beobachten kann. Es war seltsam peinlich.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram