Das Geschenk

Kurzprosa zum Thema Welten

von  fritz

Er starrte Löcher in der Luft. Und, ohne dass er es jemandem hätte verständlich machen können, genoss er es, weil erst die Löcher etwas Dahinterliegendes freigaben. Der ihm gegenüber saß, wobei nicht ganz klar war, ob er zum selben Tisch gehörte, da aufgrund des großen Andrangs dieser Tage alles ein wenig durcheinander geraten war, dieser junge Mann, der mitten im Leben zu sitzen schien, fragte, was um Himmels willen das denn solle. Als hätte er die Löcher gesehen, wenigstens aber, dass er welche sah. Dem Löcher Starrenden wollte es scheinen, als hätte der in der Mitte des Lebens Sitzende ihn nur auf ein Bier eingeladen, damit er nicht mehr so vor sich hinstarre. Auf seine im Stil einer Frage vorgebrachte Aufforderung »Komm, ich spendier‘ Dir ‘n Bier!« hatte der Starrende nur »Gewiss« geantwortet. Zu lange hatte er überlegt, ein »Gerne« nachzuschieben und es daher klassisch unterlassen. Insofern hatte der im Leben Sitzende wohl recht. Das Bier war gut – und schon löcherte der Freizügige den Verklemmten. Wie alt er sei, woher er komme, was er mache und wieso. Das Bier gab wohl so eine Art Erlaubnis dafür, etwas in Erfahrung zu bringen. Was der Verklemmte sagen wollte, war ihm glasklar; es stand hinter den Löchern. Was er zur Antwort gab, war grundverschieden. Eins nach dem andern platzten die Löcher dahin, übrig blieben die dezenten Bilder an der Wand dieser heute so merkwürdig überfüllten Bar. Was war nur in sie gefahren?
Er schob die Frage beiseite, um dem Gönner genau zuhören zu können. Er sei neu in der Stadt und genieße den Trubel, den es in dem kleinen Dorf, aus dem er kam, nie gegeben hatte. »Mir fällt es schwer, den bürgerkriegerischen Trubel in Syrien auszublenden.«, entging es darauf dem Starrenden, wobei er hoffte, nicht allzu eitel zu klingen. Der in der Mitte Sitzende blickte verwundert. Der nun nicht mehr ganz so Verklemmte brach heraus: »Um nicht missverstanden zu werden, ich habe keine Ahnung, was dort wirklich passiert, also fast keine. Ich überblicke weder diesen noch überhaupt irgendeinen Konflikt. Mich beschäftigt die Sorge, davon fern zu sein.« – »Wie kommst Du jetzt ausgerechnet auf Syrien?« – »Kommt man denn darauf? Und darauf klar? wie man so unschön zu sagen pflegt. Doch Halt! Bloß keine Sprachraffinessen! Siehst Du, wie es sich immer wieder mischt? Ich finde keine Mitte in diesen Dingen. Ich stolpere, wie im reißenden Fluss von Stein zu Stein; Brücken und Ufer allein, wenn ich die Augen schließe und über mir erbärmlich teilnahmslos die Sterne sind. Sie haben kein Gewissen.« – Als sei ein Funke übergesprungen, kam dem Schenkenden plötzlich eine Idee. »Sag mal, was hast Du da gesehen hinter den Löchern?« Da der eben noch Verklemmte sich schon nicht mehr ganz so ertappt fühlte, konnte er sein Glas in Ruhe abstellen und sogar ein wenig nachdenken, bevor er zu sprechen begann.

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