Sieben Haltestellen für eine Redensart

Innerer Monolog zum Thema Warten

von  eiskimo

Einstieg in Köln-Junkersdorf. Dort, an der Station Kirchweg, öffnete ich die Handteller-große Metalldose mit dem bunten Aufdruck und entnahm ihr ein rundes rosafarbenes Zucker-Bonbon.
Schon fuhr die Bahn los, und an der Haltestelle Stadion schmeckte mein Mund  genussvoll den künstlichen Himbeergeschmack.
Nächster Stop: Militärring. Da bugsierte ich das Klümpchen mit der Zunge ganz nach rechts hinter meine unteren Backenzähne.  So würde es  nicht so schnell aufgelöst.
Dort blieb es bis zur Haltestelle Eupener Straße, wo sich die Bahn sehr füllte. Ich hatte Zeit, es nach oben wandern zu lassen, wo es die rechte Wange leicht ausbeulte.
Ausgebeult hielt ich den Kiefer still. Der harte Zucker hätte sonst an den Zähnen  geschabt und Geräusche gemacht. Dann hörte ich den Lautsprecher mit der Ansage Maarweg , und ich ließ die Zunge doch  noch einmal  an der Zuckerbeere lecken.
Unmittelbar vor dem Halt Stadtwaldgürtel beförderte ich die nun doch etwas  geschrumpfte Süßigkeit nach links, und diesmal beulte sich dadurch die linke Wange.
Um mich herum dann zunehmendes Geschrei und Geschubse. Die mitfahrenden Schüler drängelten zum Ausstieg Brucknerstraße. Ich reagierte mit vermehrter Speichelbildung, Unterkiefer und Zunge  schoben  das Bonbon  nun intensiv am Gaumen hin und her; die Jugendlichen brauchten  etwas länger, um sich aus der Bahn zu quetschen. Mein Mund war hoch aktiv.
Als die Bahn endlich weiter fuhr, hatte ich reichlich Zucker aufgelöst. Ungewohnt ruhig war es im Triebwagen geworden. Der Friedhof Melaten huschte linker Hand vorbei. Wir hielten mit sanftem Surren  an meiner Aussteige-Station Universitätsstraße.  Und da war der Drops auch schon gelutscht.

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Kommentare zu diesem Text

Iphigenie (38)
(30.10.18)
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 eiskimo meinte dazu am 30.10.18:
Da habe ich in der Tat dran gedacht, aber dann hätte ich noch zwei Stationen mehr gebraucht (Moltkestraße und Rudolfplatz).
Danke für das passgenaue Sich-Hineinversetzen

 Didi.Costaire (30.10.18)
Simple Handlungen lesenswert beschrieben.
Schöne Grüße, Dirk
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