Dramatische Metaphorik

Prosagedicht

von  Oreste

Als Anneke mich verlassen hatte,
fand ich am Mittag drauf
einen dieser kleinen Kakteen im Tontopf
vor meiner Haustür.
Dazu einen Zettel mit den Worten:
Denk mal drüber nach!
und:
~ adieu ~

Anneke hatte schon immer einen Hang
zur dramatischen Metaphorik,
und ich einen Hang dazu, das nicht zu kapieren.
Dafür liebten wir uns.

Ohne entsprechend darüber nachzudenken,
stellte ich den Kaktus auf meinen Fernseher
und aß Bückling aus der Dose.
Aus Trotz spielte ich mit dem Gedanken,
dem blöden Ding einen albernen Namen zu verpassen;
etwa Bernd. Oder Klaus. Oder Günter Verheugen.
Wenig später ohrfeigte ich mich selbst für die Idee –
brach ihm stattdessen einen Stachel ab,
was ich fortan jeden Tag wiederholte.

Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen,
was mich zu dieser Handlungsweise bewog –
ob Liebeskummer, Langeweile oder aber
ich missverstand es
als eine Art umgekehrte Voodoopuppe, ja;
mit jedem Stachel, den ich vom Kaktus entfernte,
musste Anneke schlimme Schmerzen leiden.

Wie auch immer.

Drei Wochen
oder einundzwanzig lose Stacheln später
war es geschehen:
Ich lag unrasiert in Fötusstellung auf dem Sofa
– im Fernsehen lief die BR Alpha Space Night –,
als die ersten Sonnenstrahlen
auf den mittlerweile kahlen Kaktus fielen.
An dessen Spitze öffnete sich jetzt wie im Zeitraffer
eine pinke Blüte
und schaute angewidert zu mir herab.

Pink – das war Annekes Farbe.
Und in diesem Moment war mir klar:
das würde ihr letztes
Dramatische-Metaphorik-Ding sein,
das ich nicht kapierte.


Anmerkung von Oreste:

2016

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Kommentare zu diesem Text


 princess (13.12.18)
Hallo Oreste,

sehr wunderbar undramatisch amüsant in seiner Metaphorik, dieses Gedicht. War es zufällig um den 5. November herum, dass Anneke den zu diesem Zeitpunkt blütenlosen Kaktus vor der Haustür platzierte? Ich meine ja nur.

Viel Spaß bei kV und liebe Grüße
princess
Echo (34)
(13.12.18)
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 Oreste meinte dazu am 16.12.18:
Irgendwie süß ist irgendwie ... hart.

Gruß
O.

 sandfarben (13.12.18)
Einfach dramatisch gut!

 Oreste antwortete darauf am 16.12.18:
Danke dir!

 tulpenrot (13.12.18)
Ich mochte diesen Text schon immer Und freu mich, dass es "ihn" noch/wieder gibt.
Welcome back )
Angelika

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 13.12.18:
Achso, ein Wiedergänger? Wie hieß Oreste früher?
Echo (34) äußerte darauf am 13.12.18:
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 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 13.12.18:
Nein, das hieße ja eine zweite Anfrage zu stellen und tulpenrot scheint ja offenbar die Wissende zu sein.

Habe Oreste dennoch angefragt.

 tulpenrot meinte dazu am 13.12.18:
An seinen Texten muesste man ihn erkennen

 princess meinte dazu am 13.12.18:
Es ist wirklich nicht sehr schwer.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 13.12.18:
Achso, Iphigenie.
Echo (34) meinte dazu am 13.12.18:
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 Dieter_Rotmund meinte dazu am 13.12.18:
Nein, aber es sei ja "ganz einfach" wurde mir hier leutselig versichert, und Iphigenie ist nun mal die Schwester des Oreste. Punkt, aus, basta.
Echo (34) meinte dazu am 13.12.18:
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 keinB meinte dazu am 13.12.18:
Und das Gegenteil von Analog ist "Ana log nicht". ;)
Echo (34) meinte dazu am 13.12.18:
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 Oreste meinte dazu am 16.12.18:
Das freut mich, liebe Angelika. (:

 Oreste meinte dazu am 16.12.18:
Dieter, das schaffst du auch allein. Bist doch nicht auf den Kopf gefallen.

 EkkehartMittelberg (13.12.18)
Dramatische Metaphorik ist in der Regel nur dramatisch und nicht amüsant. Solch ein Regelbruch zaubert Lächeln.
LG
Ekki

 Oreste meinte dazu am 16.12.18:
Danke dir!

Gruß
O.

 GastIltis (13.12.18)
In diesem Stil hat nur EINER geschrieben! Und den begrüße ich in aller Herzlichkeit. Gil.

 Oreste meinte dazu am 16.12.18:
Sicher?

 GastIltis meinte dazu am 16.12.18:
Solange du dich bedeckt hältst, siehe dein Profil, auf jeden Fall.
Und danach erst recht.

 Oreste meinte dazu am 16.12.18:
Tipp: Geburtsjahr ansehen - Ausschlussverfahren anwenden.

 GastIltis meinte dazu am 17.12.18:
Mit dem Gedanken habe ich mich die ganze Nacht herum gewälzt. Fazit: Verjüngung hat schon immer Wunder bewirkt und vielleicht hat sich die Entgegnung zu deinem "Sicher?" auf die Begrüßung mit der gebotenen Herzlichkeit bezogen. Wer weiß das schon. LG von Gil.

 Oreste meinte dazu am 19.12.18:
Das führt zu nichts, oder?

 GastIltis meinte dazu am 19.12.18:
Stimmt!
Das ist wie bei einer polizeilichen Gegenüberstellung.
Fünf Mann stehen da und machen ein dummes Gesicht.
Variante 1: berechtigt!
Variante 2: einer zu Unrecht!
Hinter der Scheibe sitzt ein mutmaßlicher Zeuge
mit einem noch dümmeren Gesicht. In dem Fall ich.
Fazit: Verwirrung ist das Gesetz unserer Zeit.
rien ne va plus!

Antwort geändert am 20.12.2018 um 15:11 Uhr

 Oreste meinte dazu am 20.12.18:
Und? Ist der Groschen inzwischen gefallen, Gil?

 GastIltis meinte dazu am 20.12.18:
Ja, Claas Relotius.

 Oreste meinte dazu am 20.12.18:
Nicht übel. Doch knapp daneben.

 GastIltis meinte dazu am 04.01.19:
Abschließend von mir:

„Ihr Alten besitzt ehrlich keinerlei Antennen zur Identifizierung von Wiederkehrern, oder?

Verblüfft O.“

Hallo Oreste, das muss man relativ sehen. Wer einem vor seiner Wiederkehr mit negativen Dingen auf die Nerven geht, hat wenig Chancen, dass er danach mit offenen Armen, sprich mit Interesse, auch was seine vorherige Identität angeht, empfangen wird. Und umgekehrt. Beispiel? Der User Jo.-W. ist Wiederkehrer, vorher angenehm in seiner ruhigen Art, nie ausfällig geworden oder beleidigend und nun endlich zurück. Interessiert er dich, interessiert dich seine vorherige Identität? Nein! Das wäre, wenn es so ist, eine Form der Altersdiskriminierung, die wir „Alten“ (gewiss) so leider zur Kenntnis nehmen müssen. Ohne verblüfft zu sein. Aber mit Respekt. Wenn wir uns dann aber zu Respektlosigkeiten zu äußern wagen, bei aller Vorsicht, herrscht, Verblüffung im günstigsten, z.T. aber Anmaßung und Intoleranz im weniger günstigen Fall.
Keinerlei Antennen? Alles ist relativ.
LG von Gil.

 Oreste meinte dazu am 04.01.19:
Da muss ich dich leider enttäuschen, Gil - der Ball ging ins Aus. Jo-W. war ebenso rasch wie simpel zu identifizieren. Dafür mussten die Antennen nicht mal ausgefahren resp. justiert werden. Interessant, oder?
Respekt ist eine tolle Sache, höfliche Umgangsformen ebenfalls. Problem: Kennst du das Bild des Pfirsichs, der von innen fault?

Relativ grüßt
O.

Antwort geändert am 04.01.2019 um 23:21 Uhr

 idioma (13.12.18)
Auch ich erinnere mich deutlich, diesen Text schon mal gelesen zu haben, die dramatische Methaphorik lenkte mich aber zu sehr ab, um mir den damaligen Künstlernamen zu merken.....
idi

 Oreste meinte dazu am 16.12.18:
Das macht nichts.

Gruß
O.
Sternenstaub (49)
(15.12.18)
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 Oreste meinte dazu am 16.12.18:
Alles wie immer.

Grüß dich
O.

 drmdswrt (31.12.18)
Den hier habe ich liegen gelassen, obwohl ich kommentieren wollte. Und jetzt?

Er wirkt noch immer wie beim ersten Lesen. Ich mag die umgekehrte Voodoopuppe, die ganze Idee, und denke die ganze Zeit darüber nach, ob es wichtig ist, aus welchem Grund die Beziehung auseinander gegangen ist, an der Drametaphorik kann es wohl kaum gelegen haben, aber vielleicht möchte ich denken: »Hast du verdient!«, oder: »Blöde Kuh!«, aber am Ende ist es völlig egal, denn das war ein ziemlich geiler Zug von ihr, und ob sie gewusst hat, dass das Ergebnis so aussehen würde oder ob sie es doch anders gemeint hatte – herrje, Anneke, nein, ich glaube, ich möchte sie nicht kennenlernen.

Ein sehr gelungener Text.

 Oreste meinte dazu am 09.01.19:
Hu, da war ja noch einer offen. Und was für einer!
Das Perfide an den Annekes: Sie heißen gern auch Julia, Karin oder Oliver.

Gruß an dich
O.

Antwort geändert am 09.01.2019 um 04:11 Uhr
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