Gesternwort

Gedicht zum Thema Absurdes

von  Isaban

Verstellt die Sicht, verstellt die Ohren,
der Kopf gewaschen und geschoren
(die Blickrichtung war eingefroren),
ging Aug dem Aug (und mehr) verloren;
das Wetter war nicht fair.

Bald ward ein neuer Tag geboren,
mit Lidern, müde, tief und schwer:
Beschrien, zerwortet und beschworen,
verneint, bejaht, halb ausgegoren
verließen wir uns sehr.

Was Wir auch war, nun ist es leer.
Was jetzt noch bleibt? Ein wehes Herz
und Gegenwehr, ein Restbegehr,
zwei Nimmermehr und ganz zum Schluss
viel Schriftverkehr.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (07.01.19)
Aus der Sicht erfüllter Liebe erscheint ihr Scheitern vielleicht als absurd, aber wie es geschildert wird, das ist nicht absurd, sondern gut nachvollziehbar. Ich entdecke in der ersten und zweiten Strophe Inversionen. Das freut mich, weil du sie nicht prinzipiell ausschließt, sondern als Stilmittel nutzt.
Die überzeugende Häufung von Partizipien und Adjektiven in der ersten und zweiten Strophe zeigt, warum die Liebe scheitern musste.
Die dritte Strophe mit ihren gekonnten Reimen wirkt auf mich wie romantische Ironie.
LG
Ekki

 Isaban meinte dazu am 07.01.19:
Hallo Ekki,

du scheinst der Einzige zu sein, der sich an den Text herangetraut hat., merci!

Zu den Inversionen: Solange sie als Stilmittel zur Unterstreichung des Inhalts genutzt werden und als solche zu erkennen sind, empfinde ich sie als vollkommen legitim; ich kann es lediglich nicht ausstehen, wenn jemand, der es besser können müsste, sie dazu benutzt, so grade eben die Erfordernisse der Metrik zu erfüllen, anstatt sich ein bisschen mehr Mühe zu geben und sich eines angemessenen, halbwegs "normalen" Sprachgebrauchs zu befleißigen.

Hab vielen Dank für deine Beschäftigumg mit dem Text und die freundliche Rückmeldung.
LG Sabine

 Irma (08.01.19)
Der Niedergang einer Liebe. Gestern gab man sich das Ja-Wort, morgen ist man schon wieder geschieden. „Ich gebe dir mein Wort“, das hatte früher mal einen Wert. Eine Ehe wurde fürs Leben geschlossen. Heute, in Zeiten der Schnelllebigkeit und der hohen Scheidungsrate, gilt so ein „Gesternwort“ nicht mehr viel.

Die Liebe wird einem Haufen(-reim) Belastungen ausgesetzt, die „Li(e)der“ werden schwer(mütig). Bald lassen die Umarmungen (des Paarreims) nach, dann geht es über Kreuz (Kreuzreim). Die Einsamkeit nimmt zu bis, „ganz zum Schluss“ (Reimwaise), die Scheidungspapiere eingereicht werden.

Alles endet kühl mit „viel Schriftverkehr“, dem nüchternen Gegenstück zum Sexualverkehr. Vielleicht, weil der Mund und vor allem das sich aufdrängende Reimwort zum "Schluss", der Kuss, ungenannt bleibt.

Etwas gestolpert bin ich über den ersten Vers der dritten Strophe: „Was wir auch war, nun ist es leer.“ Da das „war“ nicht entsprechend flektiert wird, sehe ich das „wir“ hier als substantiviert an und schriebe es eher groß: „Was Wir auch war, nun ist es leer.“ LG Irma

Kommentar geändert am 08.01.2019 um 10:24 Uhr

 Isaban antwortete darauf am 11.01.19:
Hallo Irmchen, du Süße meines Dichterdaseins!
Hab tausend Dank für deine Rückmeldung. Deine Interpretation ist - wie immer - klasse. Zum "wir": Ich wollte es in diesem Text auf keinen Fall groß schreiben. Beim ersten "wir" habe ich das Problem wischiweaschi durch die Klammer gelöst - womit ich auch immer noch hadere, aber nachdem mir ein PK und deine Rückmeldun gezeigt haben, dass ich wohl um zu viele Ecken denke, wenn ich höffe, dass der Leser diesen "Kleinschreibfehler" erst auf den zweiten Blick bemerkt (wie auch das lyrische "wir") und erst spät damit hadert, bis ihm afgeht, was da falsch gelaufen ist. Es war als Stilmittel gedacht, scheint hier jedoch einfach nur zu stören.
Ich lass das erstmal sacken und schaue, ob ich mich von meinem "Kleinschreibfehler" (Schitte, was war ich stolz auf die Idee!) lösen kann und die Ws doch noch groß schreibe.

Liebe Grüße

Sabine
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