Der Zungenkuss

Gedicht

von  Janoschkus

Du sitzt bei mir. Ich tue so, als ob ich etwas tue:
Dreh' mir 'ne Kippe, hüstle, schau' auf's Handy dann und wann.
Doch eigentlich schau' ich dich aus dem Augenwinkel an
und ahne, wie du mich fixierst – in aller Seelenruhe.

Tatsächlich! Da ich meinen Kopf in deine Richtung neige,
bin ich perplex: Es strömt dein warmes Lächeln in mich ein.
Du hältst den Blick. Ich schaue weg. Und nippe an dem Wein.
Dann schau ich wieder hin. Läch'le zurück. Und schweige.

Nun gut: Ich nehm' dein Augenspiel beim Wort und deine Hände.
Und streiche mit den Fingerkuppen über deine Haut.
Die Härchen stell'n sich leise auf. Die Zeichen werden laut,
denn deine stummen, leicht gewölbten Lippen sprechen Bände.

Ok, ok. Welch Narr, der sich dies zweimal sagen ließe.
Ich zieh dich an mich ran und rücke somit zu dir auf.
Und du? Du stößt dich von mir ab ... und setzt dich auf mich drauf!,
wodurch ich, eins und eins zusammenzähl'nd, auf Weit'res schließe.

Und da jetzt deine langen Haare ins Gesicht dir fallen,
streich' ich sie wie Gardinen auseinander und berühr'
behutsam deine Wangen. Ich bin maximal bei dir,
als deine Fingernägel sich in meine Schultern krallen.

Ja, beinah ist's, als hätte die Ekstase einen Zünder,
als brenne eine Lunte zwischen Zärtlichkeiten ab.
Die Funken sprüh'n. Ich schau zu dir herauf. Du schaust herab.
Und da: Der große Knall! Denn es berühr'n sich uns're Münder!

Zunächst sind's Lippen nur, die küssend aneinanderhängen,
die sich noch, wie im Dunkeln tappend, vorsichtig erfühl'n
und sich dann, völlig losgelassen, ineinand' verwühl'n -
bis schließlich auch die Zungen schlängelnd aus den Höhlen drängen

und suchend, fordernd, lockend, leckend, tosend sich umkosen.
Was ist das schön, wenn Speichel sich im großen Stil vermischt
und deine Zunge kurz nur über meine Lippen wischt,
wenn uns're Nasen hin und wieder zart zusammenstoßen.

Wir sind berauscht. Und atmen schnell. Und stöhnen auch ein bisschen.
Du streifst mir mit dem Mund über die Wange bis zum Ohr
und dringst, zunächst am Läppchen knabbernd, bis zur Muschel vor.
Ich grinse kurz. Und setz' in deinen Nacken kleine Küsschen.

Wir sind so sehr dabei. O du benebelst meine Sinne:
Ich höre, rieche, taste, schmecke und ich seh' nur dich.
Mehr brauch' ich nicht, denk' ich. Und leg' die Hände vorsichtig
umrahmend um dein Angesicht. Dann halten wir kurz inne.

Und schau'n uns, voneinander überwältigt, in die Augen:
Ich glaub', dein Blick geht über bloße Sympathie hinaus.
Dann ruh'n wir uns're Stirnen kurz nur aneinander aus -
bis du beginnst, an meinem Zeigefinger zart zu saugen!

Und das ist auch der Punkt, an dem es kippt: Jetzt gibt’s kein Halten
und kein Zurück! Verstand und Demut werden einerlei,
denn setzt die Körperreibung derlei Energien frei,
wie wenn Protonen fusionier'n und sich Atome spalten!

Wir sind so eng umschlungen, sind wie viele Geistesblitze
zum heft'gen Wetterleuchten über'm Horizont geballt.
So treiben wir es, wie Naturgewalten, auf die Spitze
und fallen dann befriedet ein. Du schaust mich an, ich schwitze.
So liegen wir zusammen hier und sind ganz schön verknallt.

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Kommentare zu diesem Text

Manni (38)
(08.01.19)
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 Janoschkus meinte dazu am 09.01.19:
Ich verstehe Deinen Kommentar leider nicht! Entschuldige!
Gruß Jan
Stelzie (55)
(08.01.19)
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 Janoschkus antwortete darauf am 09.01.19:
Hey Kerstin, die nächste Lesebühne ist am 12.02. - gut möglich, dass ich diesen Text dann dort lesen werde. :)

Liebe Grüße,
Jan

 IngeWrobel (08.01.19)
... Hach ja! ...
So schön und spannend beschrieben ... und der letzte Vers zaubert ein Lächeln.
Alle(s) Liebe & Gute Dir für 2019!
Schmunzelgruß von der Inge

 Janoschkus schrieb daraufhin am 09.01.19:
Hallo Inge,
freut mich, dass Die das Gedicht gefällt. Ich wünsch Dir auch ein wonnevolles 2019!

Viele Grüße,
Jan

 Dieter Wal (08.01.19)
Definitiv falsches Gedicht der Spezialistin, die Küsse auf den Mund eklig und grundsätzlich inakzeptabel findet.

Ich halte es für beeindruckend wortgewaltig und sinnlich.

Kommentar geändert am 08.01.2019 um 06:16 Uhr

 Janoschkus äußerte darauf am 09.01.19:
Vielen Dank, Dieter. Ich find es inakzeptabel, Küsse auf den Mund eklig zu finden.

Gruß Jan

 TassoTuwas (08.01.19)
Was für eine wortgewaltige Ballade!
Wie viel Recherche braucht´s um solch Geschehen in Worte der minutiösen Leidenschaft zu kleiden .
Chapeau
LG TT
Jo-W. (83) ergänzte dazu am 08.01.19:
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 Janoschkus meinte dazu am 09.01.19:
Hallo Jo-W,
weil Euch die Worte fehlten oder einfach nichts passierte? :)
Vielen Dank!
Gruß Jan

 Didi.Costaire (08.01.19)
Sehr leidenschaftlich.

Allerdings riecht es von Anfang an arg nach Aschenbecher, und am Ende "kippt" es gar. Geschmackssache...

Beste Grüße, Dirk

 Janoschkus meinte dazu am 09.01.19:
Ein Gedicht für Raucher, sozusagen. ;) Danke für Deinen Kommentar.
Viele Grüße,
Jan

 loslosch (08.01.19)
etliche apostrophe sind entbehrlich.

der physiker bemängelt, dass kein wort über varianten des luftdrucks fällt.

 Janoschkus meinte dazu am 09.01.19:
Hallo loslosch,
beim Weglassen von Buchstaben finde ich es, auch in einem Gedicht, wichtig, ein Apostroph zu setzen.
Danke für deinen Kommi.
Gruß Jan
Stimulus (54)
(08.01.19)
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 Janoschkus meinte dazu am 09.01.19:
Hallo Stimulus,
danke für die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Text. Ein Porno soll es nun wirklich nicht sein. Aber wenn beim Lesen unästhetische Bilder bei Dir aufkommen, darf es legitimerweise auf Missfallen stoßen.

Viele Grüße,
Jan
Stimulus (54) meinte dazu am 09.01.19:
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 Lala (08.01.19)
Also vor dem eigentlichen F. bricht er ja ab. Also zu erzählen. Vorher ist das eine sehr leidenschaftliche Knutscherei. Was mir daran gefallt hat: Es ist, wie ich finde in den einzelnen Szenen sehr gut eingefangen, wie aus einem harmlosen Flirt, eine Knutscherei und dann - aber das ohne uns Leser - ein schweres Gebumse wird. Es ist sehr bildhaft :)

Die Elisionen, die fielen mir besonders hier auf:

"Zunächst sind's Lippen nur, die küssend aneinanderhängen,
die sich noch, wie im Dunkeln tappend, vorsichtig erfühl'n
und sich dann, völlig losgelassen, ineinand' verwühl'n -"

Vielleicht müsste der Dichter bis zu dieser Stelle die Auslassungen eliminieren? Aber ab dieser Stelle würden sie meines Erachtens das gegenseitige Verschlingen durchaus unterstreichen.

Also ich hatte auch meinen Spaß.

 Janoschkus meinte dazu am 09.01.19:
Hallo Lala,

ja, ich habe bewusst Wert darauf gelegt, dass es nicht allzu anzüglich herüberkommt - für mich stellen die letzten beiden Strophen eher ein langgezogenes "PIEP"-Geräusch dar.

Ich sehe das Problem, gerade in den von Dir erwähnten Zeilen. Ineinand' verwühl'n ist wirklich unschön. Fand ich aber treffender als "Ineinander wühl'n". Auch wenn letztere Variante weniger verkrüppelt daherkäme. Insgesamt wollte ich halt beibehalten, dass A immer weiblich und B immer männlich endet und muss in diesem Zuge anmerken, dass das Gedicht auch eher für die Bühne geschrieben ist. Da lässt es sich dann ganz gut weglesen. :)

Vielen Dank für Deinen Kommentar!

Gruß Jan

 niemand (08.01.19)
Nichts für ungut, aber das hier ist für mich eher ein Bericht, als ein Gedicht. Jedes Detail wird quasi ausgewalzt und eigentlich will man das gar nicht alles wissen, die denen das gefällt natürlich ausgenommen. Mehr als ein Gefühl in Richtung: Viel Arbeit war es! bleibt bei mir nicht hängen. LG niemand

 Janoschkus meinte dazu am 09.01.19:
Es ist ok, dass Du das nicht wissen willst - Meinungen sind verschieden. Meinetwegen kannst Du es auch Bericht nennen - vielleicht einen gereimten Bericht -, wobei ich hier gern offen lassen würde, ob dieser auf Tatsachen beruht. ;)

Danke für Deinen Kommentar!
Gruß Jan
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