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Schießen

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von  Oskar

Kal.: 16/70. Sauer & Sohn. Eine Doppelflinte, Großvaters. Jetzt in meinen Händen, leider nicht in meinem Besitz. Noch gehört sie Vater, der dieses Kunstwerk aus Holz und Metall bald aber wird abgeben müssen. Der Körper ist ruiniert. Zu marode um in kalten Nächten auf Wildschweine anzusitzen. Mir fehlte jahrelang die Motivation einen Jagdschein zu machen, nun fehlt mir das Geld und so wird die Büchse unweigerlich den Eigentümer wechseln und aus unserem Familienbesitz verschwinden. Schade, dass du dich nie für solche Sachen interessiert hast, sagt Vater. Schade, dass du Alkoholiker bist, denke ich. Fast zart erscheinen mir die Wildgravuren auf dem Gewehrlauf. Der Schaft aus dunklem Nussholz, das mich an Gedichte pubertierender Verliebte erinnert. Hiermit habe ich die Bache erlegt, deren Fell jahrelang in deinem Kinderzimmer hing. Die Frage, ob er sich die langen Stunden auf dem Hochsitz mit Onanieren versüßte, verkneife ich mir. Soweit sind wir noch nicht.

Vor dem Schuss die Luft anhalten, nicht verkrampfen, aber auch nicht zu locker gegen das Schlüsselbein drücken. Kurz spüre ich ein Gefühl der Liebe gegenüber meinem Vater. Spüre kurz den 50er Jahre Bauernproll, der auf Dorffesten säuft und sich prügelnd nicht an alle Regeln unserer großen Nation hält. Der Abzug reagiert schneller als mein Bewusstsein, Schuss. Kein Wunder, dass Vater Hörgeräte trägt, die er bei Bedarf und das geschieht oft, einfach ausschaltet. Ein seltsam befriedigender Schauer zieht durch meinen Körper. Fast so, als hätte man nach langen Jahren routiniertem Sex mal wieder Geburtstag oder sonst einen Anlass, der wildere Ereignisse erlaubt. Getroffen habe ich die Zielscheibe, immerhin.

Nach kurzem Überlegen lasse ich den Gedanken fahren, meinen Vater zu fragen, ob er mir die Flinte illegalerweise überlässt. Meiner Argumentation, dass ich bezweifle durch den Rest meines Lebens zu kommen, ohne mich mit solch einer Waffe, vor was auch immer, verteidigen zu müssen, würde er ohnehin nicht folgen. Das Glück der frühen Geburt.

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (10.01.19)
Ich finde ihn immer noch wunderbar.

Liebe Grüße
Llu ♥

 Oskar meinte dazu am 10.01.19:
Immer noch? Und danke.

 Lluviagata antwortete darauf am 10.01.19:
Nicht? Na dann, Irrtum meinerseits.

 Oskar schrieb daraufhin am 10.01.19:
Ja. Taufrisch.

 Dieter_Rotmund (10.01.19)
Ist mir persönlich zu sehr "j'accuse". Und einige Schlampigkeiten im Text, z.B. "Schade das du Alkoholiker bist" und "bezweifel", kurioserweise ist "bezweifle" und auch "bezweifele" korrekt, aber eben nicht "bezweifel". Dies nur am Rande.

Kommentar geändert am 10.01.2019 um 15:21 Uhr

 Oskar äußerte darauf am 10.01.19:
Danke. Ich klage an? War nicht intendiert. Also entweder mein Fehler oder deine Projektion.

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 10.01.19:
Nun ja, nicht Du persönlich, aber ganz offensichtlich Dein Ich-Erzähler.

P.S.: Da sind noch mehr! Z.B. komme -> kommen.

 Oskar meinte dazu am 10.01.19:
"ganz offensichtlich" für dich, ja.
Der Erzähler klagt meines Erachtens nicht an. Wo denn?

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 10.01.19:
Na, seinen Vater klagt er an! Fast pausenlos!!!

 Oskar meinte dazu am 10.01.19:
Das dachte ich mir, dass du das dachtest, aber wo? Genau?

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 10.01.19:
Du willst mich auf den Arm nehmen. Oder siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht,

 Oskar meinte dazu am 10.01.19:
Wenn dem so ist, würdest du mir mehr helfen, würdest du mir die Bäume zeigen. Kein Scheiß.

 Judas meinte dazu am 10.01.19:
Du hast Dieter gedietert. Geil.

 franky (10.01.19)
Ach immer diese besoffenen Väter! Stehen sternagelvoll am Schießstand und treffen immer noch ins Schwarze.
Ein gutes Zeichen, wenn Llu meint, die Geschichte war schon mal da;-)
Ja lieber Oskar, deine Geschichte hat in mir platzgenommen und wird noch eine Weile hier bleiben.

LG Franky

 Oskar meinte dazu am 10.01.19:
Danke.

 princess (10.01.19)
Hallo Oskar,

mehr Treffer als Schüsse. Wie du hier die Beziehung zwischen Vater und Sohn entwickelst, lässt mich vermuten, dass sie schwere Kaliber sind. Alle beide.

Mich erwischst du damit jedenfalls. Vor allem mag ich den Ton. Glasklar, komprimiert und ein bisschen herb.

LG p.

 Oskar meinte dazu am 10.01.19:
Danke. Und weil es mich interessiert. Liest du eine Anklage?

 princess meinte dazu am 10.01.19:
Nein, lese ich nicht. Ich finde hier eine Menge Zwischenmenschliches: Bedauern, Nähe, Ferne, Wehmut, Verständnis, Abgrenzung. Aber hier sitzt niemand zu Gericht und verliest eine Anklage.

Antwort geändert am 10.01.2019 um 15:56 Uhr

 Oskar meinte dazu am 10.01.19:
Meinte natürlich rauslesen. Ich nämlich auch nicht und verstehe Dieter daher leider gar nicht.

 princess meinte dazu am 10.01.19:
Na klar rauslesen.
Stimulus (54)
(10.01.19)
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 Oskar meinte dazu am 11.01.19:
Danke.

 drmdswrt (11.01.19)
Ein sehr interessanter Ausriss aus einer Lebensgeschichte. Der Moment ist gut eingefangen und das Verhältnis zwischen den beiden spürbar.
Vielleicht ist bei der Lesart das Verhältnis des Lesers zum eigenen Vater wichtig. Aus meiner Sicht hätte er auch seinen Vater erschießen können, aber dafür hätte tatsächlich etwas Anklagendes zu finden sein müssen – sei es in oder zwischen den Zeilen.
Ist gut lesbar – und lässt den Leser dabei sein. Sowohl in der Szene, als auch in manchem Gedankengang.

 Oskar meinte dazu am 11.01.19:
Danke.

 Willibald (11.01.19)
Feines, formidables Texten und Flechten. In der Erzählperspektive und in Details.

Vielleicht doch - immanente Logik -" verteidigen zu können"(statt "verteidigen zu müssen")?

greetse

ww

 Oskar meinte dazu am 13.01.19:
Bleibe beim Müssen. Danke.
mannemvorne (58)
(19.01.19)
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