Arbeitserlaubnis (Auszug 3, Kapitel2)

Erzählung

von  Moja

Am nächsten Tag reiht sie sich in die Schlange vor der Einwanderungsbehörde ein. Die Antragsteller vor ihr sind Afrikaner, Geflüchtete aus Rebellengebieten, Kriegs-flüchtlinge, darunter ein paar Libanesen. Sie wirken angespannt und nervös. Es ist noch früh am Morgen, die Bearbeitung geht schleppend voran. Ein Beamter winkt sie vor und weist auf eine Schlange vor einem anderen Tisch. Als sie endlich an der Reihe ist und dem Beamten ihr Anliegen vorträgt, blättert er neugierig in ihrem Pass, ernst fragt er sie nach ihrem Ehemann aus. Dann schickt er sie in die erste Etage, dort soll sie warten, bis man sie aufruft.
  Sie sitzt da und langweilt sich und muss sich gedulden. Ab und zu geht eine Tür auf, jemand kommt fluchend heraus, während ein Beamter mit einer Akte unter dem Arm gleichgültig vorübergeht. Endlich hört sie ihren Namen, steht auf und betritt das Büro.
  „Zu wem gehören Sie? Wer ist für Sie verantwortlich?“, fragt sie der Beamte in einer verschwitzten Uniform. Er kneift die Augen zusammen und mustert sie misstrauisch, dann beugt er sich näher zu ihr, seine Augen blitzen auf. „Woher wissen wir, ob Sie die Wahrheit sagen?“, sagt er und lässt sich gegen die Stuhllehne fallen.
Angespannt tritt sie einen Schritt auf ihn zu.  „Ich brauche eine Arbeitserlaubnis.“, wiederholt sie und schiebt ihm ihren Arbeitsvertrag und die gültige Aufenthaltserlaubnis zu. „Mein Mann ist Gambianer und zurzeit in Deutschland.“
  Der Beamte sieht sie ungerührt an, bedächtig nimmt er ihre Dokumente in die Hand und blättert sie sorgfältig durch, Seite für Seite. Doch er liest nicht, das sieht sie. Er scheint auf irgendetwas zu warten, schließlich schüttelt er den Kopf.
  „Vielleicht sind Sie ja gar nicht verheiratet“, sagt er und lehnt sich bequem zurück.
  „Dann überprüfen Sie doch meine Heiratsurkunde!“
  Unverhohlen grinst er sie an, winkt ab und schweigt.
  Der will Geld, begreift sie verärgert und stellt sich vor, wie der Beamte einen Geldschein aus ihrem Reisepass zieht.
  Er kostet den Augenblick aus, deutet lässig mit der Hand auf die Akten hinter ihm. „Dann suchen Sie doch Ihre Heiratsurkunde selbst heraus“, sagt er voller Überdruss.
  Ida starrt auf die grüne Wand hinter ihm, auf die überquellenden Papierstöße im Regal. „Das ist lächerlich!“ Sie tritt näher auf ihn zu, greift eine Akte und knallt sie vor ihm auf den Schreibtisch, es staubt. Sie durchbohren sich mit Blicken. Willkür, schreit es in ihr, sie spürt blinden Hass.
  Der Beamte hat sich kerzengerade aufgerichtet. „Bringen Sie eine Kopie Ihrer Heiratsurkunde“, schnauzt er sie an und wendet sich wieder seinen Akten zu.
  Ida verlässt türknallend den Raum.
  Sie winkt ein Taxi herbei. „Towntrip“, ruft sie dem Fahrer zu, reißt die Wagentür auf und lässt sich auf den Beifahrersitz fallen. „Wie viel bis Teranga Hotel?“, fragt sie streng, die Tür hält sie geöffnet, bereit wieder hinauszuspringen, falls er es wagen sollte, ihr einen unverschämten Preis zu nennen. Wer ist für sie verantwortlich, hallt es in ihr nach. So eine unerhörte Frage hat ihr noch nie jemand gestellt. In diesem Land ist sie plötzlich nur noch eine abhängige Frau. Das soll sie sein? Nie im Leben!
  „Wie viel kostet die Tour?“, fragt sie noch einmal und blickt auf seine grazilen Hände, die entspannt auf dem Lenkrad liegen.
  „Für dich, Schwester“, sagt er lächelnd, „fünfundzwanzig Dalasi.“
  Sie schlägt die Tür zu. Seine Ausgeglichenheit besänftigt sie. Er legt eine Reggae-Kassette ein, Dennis Brown. Ihre Wut löst sich auf. Soll sich doch der Personalmanager auf der Einwanderungsbehörde mit dem Problem ihrer Arbeitserlaubnis herumschlagen, der ist schließlich ein Mann. Ihren Mann hat sie vor einem Jahr verlassen. Wen hat das hier zu interessieren?
  Zügig fahren sie über den Highway. Palmen, Marktstände fliegen vorbei, Kinder winken, rufen ihr zu, Toubab, Weiße! Der Fahrer summt lächelnd den Song mit, sie wippt mit den Füßen im Takt. So könnte sie weit fahren, denkt sie zufrieden.
  Nahe der Müllkippe in Bakoteh stehen ein paar Leute am Straßenrand, wartend auf ein Taxi. Die Sonne brennt unbarmherzig.
  „Halten Sie an, nehmen Sie die Leute mit“, bittet sie den Fahrer.
  Sie steigen erfreut ein, wollen nach Kololi. Alle reden durcheinander, scherzen, der Fahrer stellt die Musik lauter, trommelt den Rhythmus auf dem Lenkrad mit.
  „Wo wohnen Sie?“, fragt sie der Fahrer.
  „In Manjaikunda, und Sie?“
  „In Kanifing.“
Er gibt ihr seine Karte.
  „Falls Sie mich mal brauchen, rufen Sie an!“
  Beschwingt steigt sie aus.


Anmerkung von Moja:

Mitte der 90er Jahre, nach der Trennung von ihrem afrikanischen Ehemann geht Ida, eine Deutsche, nach Westafrika und übernimmt die Leitung einer Hotelwäscherei. Sie wird in einem Korruptionsskandal gefährlichen Ausmaßes verwickelt, der zunehmend ihre Sicherheit gefährdet.

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Kommentare zu diesem Text


 harzgebirgler (16.01.19)
herr watson* sieht ja zwischen schwarz und weiß
nen unterschied - den findet kaum wer nice
und prompt verlor nun titel drum der greis.

lg
henning

*http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/james-watson-nobelpreistraeger-verliert-titel-wegen-rassismus-a-1247977.html

 Moja meinte dazu am 22.01.19:
Dank für den Vers, Henning, fürs Mit - und Weiterdenken, lieben Gruß, Monika

 EkkehartMittelberg (17.01.19)
HalloMoja,.
du hast den korrupten Beamten und Idas allmähliche Entspannung gut beschrieben.
LG
Ekki

 Moja antwortete darauf am 22.01.19:
Danke, Ekki, darum ging es mir! Sonnigen Gruß hinüber zu Dir, Monika
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