Im spröden Glas ein Himmelsrest

Gedicht zum Thema Ende

von  Isaban

Da standen wir. Die ersten Steine fielen,
erst zwei, drei, vier, dann fünf und immer mehr;
wir mauerten, uns wuchsen dicke Schwielen,
doch was wir auch erbauten, es blieb leer.

Als ich zuletzt in deine Fenster blickte,
sah ich Ruinen dessen, was mal war.
Ich blinzelte verbissen und ich schmückte
das Mauerwerk mit einem Silver Star.

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Kommentare zu diesem Text


 princess (19.01.19)
Hallo Sabine,

der Titel hat es mir ganz besonders angetan. Er erzählt mir augenblicklich die Geschichte einer Liebe in ihren letzten Zügen. Und zwar so schillernd, dass ich den dazu gehörenden Text eigentlich nur noch halb so spannend finde. Ja, der Titel ist einfach toll. Sagte ich das etwa schon?

Liebe Grüße
Ira

 Isaban meinte dazu am 17.02.19:
Hallo Ira,

vielen Dank für deine Rückmeldung.
Schade, dass ich mit dem Text nichts reißen konnte!
Liebe Grüße,
Sabine

Antwort geändert am 17.02.2019 um 20:22 Uhr
Cora (29)
(19.01.19)
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 Isaban antwortete darauf am 17.02.19:
Auch eine spannende Interpretation, Cora.
Besten Dank!
Agneta (62)
(19.01.19)
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 Isaban schrieb daraufhin am 17.02.19:
Hallo Monika,
vielen Dank für Rückmeldung, Interpretationsansatz und Lob!
LG von Sabine

 monalisa (19.01.19)
Hallo Sabine,
Natürlich klingeln bei ‚mauerten‘ die Alarmglocken, natürlich denke ich sofort an Donald Trump und seinen Kampf gegen den Kongress um die Mexiko-Mauer, Mauern auf allen Seiten und Menschen, die auf der Strecke bleiben, bei diesem Tauziehen leer ausgehen, keine Gehälter bekommen … Ruinen sind die Folge!

Aber dein Gedicht lässt sich noch viel allgemeiner fassen und mehrere Deutungsmöglichkeiten zu:
Der Anfang ist leicht: Da steht ein WIR.
Dieses Stehen kann Stillstand bedeuten, also nicht mehr weitergehen ...; darüber hinaus auch breitbeinig dastehen, sich behaupten, einen Standpunkt vertreten. Ist es ein gemeinsamer, oder kämpft doch jede/r für sich, um Recht zu behalten?
Die ersten Steine fielen,
Lässt mich sofort da das biblische 'wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein' denken, an Vorwürfe, Urteile, Vorurteile ... an Kränkungen, Verletzungen, Enttäuschungen.
wir mauerten
ist herrlich vieldeutig, man mauert sich ein zum eigenen Schutz, mauert gegen den/die 'anderen', blockt alles ab, was von 'außerhalb' kommt, hört nicht zu, ist nicht gewillt etwas anderes als die eigene Überzeugung an sich heranzulassen. Das ist mühsam, anstrengend, harte Arbeit, die Schwielen verursacht. Und wofür das Ganze? Es bleibt leer, weil ja auch nichts mehr hineinkommen kann. Man 'schmort im eigenen Saft', womit sich der Kreis zum Anfang schließt:
Da standen wir.
Stillstand und Stillstand bedeutet ja schon Verfall, womit wir bei den Ruinen der zweiten Strophe sind.
Als ich zuletzt in deine Fenster blickte,
sah ich Ruinen dessen, was mal war.
Sehr raffiniert, dieser Fensterblick, der die Ruinen beim Du möglicherweise aber als Spiegel auch bei eigenen ICH erkennen lässt, oder ist sogar das ganze WIR-Gebäude ein Bauwerk, das bröckelt ?
Und das für all die Anstrengung, den Kampf, das Steineschleppen/werfen. Für dieses Durchhalten die Tapferkeitsmedaille 'Silver Star' , mit der LI das 'Mauerwerk' schmückt ein recht magerer Ausgleich, für ein Mauerwerk, das nur Ruinen birgt.

Ich muss gestehen, dass ich mir schwertue, den Titel in dieses Bildgefüge zu integrieren. Ich will ihn mir so erklären, dass sich im Glas auch ein Himmelsrest spiegelt neben den Ruinen, die es sichtbar werden lässt. 'IM' Glas fand ich so irritierend, weil sich in meinem Kopf automatisch ein Trinkglas mit einem Schlückchen Himmel abzeichnete, das nicht wirklich in die Szene passte. Irgendwie komme ich dann auch beim halbvollen/leeren Glas aus. Und finde mit diesem Resthimmel einen positiven Ausblick.
Das, wogegen gemauert wird, können in einer Beziehung die Partner gegeneinander sein oder Eltern gegen Kinder oder umgekehrt oder ... Denkbar ist auch, dass man gemeinsam mit Partner/Freunden/Gesinnungsgenossen gegen 'das Andere', gegen Veränderung und damit gegen das Leben selbst mauert.
Das nur einige Gedanken, die mir bei deinem Gedicht durch den Kopf gingen.
Ich glaube, man erkennt daran, dass mich deine Verse sehr nachdenklich gemacht haben: Hab ich mich jetzt auch eingemauert in einer einseitigen Sicht, Interpretation? Oder habe ich einen Standpunkt gefunden? Ich werde da immer wieder überprüfen müssen, denke ich.

Liebe Grüße
mona

Kommentar geändert am 19.01.2019 um 19:46 Uhr

 Isaban äußerte darauf am 17.02.19:
Das müssen wir doch alle, Stagnation herrscht nur dort, wo das nicht mehr geschieht, liebe Mona!

Auch hier wieder eine grandiose Interpretation, eine von denen, die von mir glatte 5 Sterne bekämen, gäbe es hier eine Möglichkeit, hervorragende Kommentare auf diese Weise zu belohnen.

Das "spröde Glas" des Titels bezieht sich auf den Fensterblick in S2 - vielleicht hätte ich das noch irgendwo verdeutlichen sollen - ich denke noch mal darüber nach.

Allerherzlichsten Dank für deinen tollen Kommentar, Mona!
Er war mir, wie eigentlich alle deine Rückmeldungen, eine große Freude.

Liebe Grüße,
Sabine

 Vaga (19.01.19)
Der Titel ist m. E. die (sehr poetische) Variante der Redewendung (im Volksmund): 'Glück und Glas, wie leicht bricht das'. Der Blick durch oder in sprödes Glas = ein Erkennen der bereits sichtbaren Risse im Glück, im Traum vom 'Himmel auf Erden'.

In der ersten Strophe erfährt man, wo das Wir (ein Gemeinsam/ein Paar) (in einer Art Rückschau des LyrIchs) verortet wird. Nämlich genau dort, wo das Ende (eines Konflikts?) seinen Anfang nahm, das Wir zum Ich und Ich bzw. zum Du und Du wurde. Wo 'Entzweiung' ihren Lauf nahm, wo ein 'Kampf' (um die Erhaltung des Glücks?) begann.

Steine bieten als Metaphern (auch in diesem Gedicht) jede Menge Deutungspotenzial. 'Steine als Anstoß', Steine als Basis für Mauern, um sich den realen Traum vom 'Himmel auf Erden' (Lebensraum/Traumhaus) zu verwirklichen. Unter dem ersten und den folgenden Steinen könnte man auch 'Vor-Würfe' verstehen, die das Ich und Du in die Ab- und Gegenwehr bringen, zu mauern, was das Zeug hält. Einmal real am 'Eigenbau', da wachsen physische Schwielen, aber zunehmend geschieht auch im Inneren dieses Mauern, dieses Zumachen, das psychische 'Schwielen' zur Folge hat.

Aber wann und wo ist das Gefühl, die 'dünne Haut' voller Empfindungen füreinander, auf der Strecke geblieben? Wo verlor sich der glückliche Traum vom Himmelsnest?
Während des gemeinsamen 'blinden' Schmiedens am Glück? Irgendwo zwischen den/dem Mauern?
Ist wenigstens ein Funke, ein Himmelsrest vom gemeinsam Erträumten, in den Fenstern (den Augen) des Du noch erkennbar? Das 'verbissene Blinzeln' des LyrIchs lässt ja fast etwas 'Verbindliches' ahnen, zumal es sich in diesen 'Fenstern' ja auch selbst sieht.
War es ein Konflikt mit friedlichem Ausgang und Aussicht auf Hoffnung auf ein Zurück zum Wir? Steckt in dem Restmauerwerk/in der Ruine Potenzial zum Neubeginn?

Der Silver Star - ein Begriff mit verschiedener 'Bedeutung' (u.a. 1. US-Orden/Auszeichnung für besondere Tapferkeit vor dem Feind, 2. Achterbahn im Europa-Park ;), 3. Motorrad-Modell) - lässt mich am Ende zusätzlich fragend (sitzen).
Vielleicht passen ja irgendwie alle drei Begriffsbedeutungen - zumindest im 'übertragenen Sinn'? ;) Das wäre allerdings definitiv nur von der Autorin beantwortbar. Muss aber nicht ;).

Herzl. Grüße - Vaga

Kommentar geändert am 19.01.2019 um 22:24 Uhr

 Isaban ergänzte dazu am 17.02.19:
Hallo Vaga,

hach! Sie sind so selten, aber dafür um so grandioser!
Welch ein Glück, wenn ein Text durch solch einen Kommentar geadelt wird - um so größer das Glück, wenn sich gleich mehrere Kommentatoren dazu hinreißen lassen: Bei diesem Text hier war ich definitif ein verflixt großes Glückskind!

Vielen, vielen Dank, für deine herrliche Rückmeldung, deine intensive Beschäftigung mit dem Text, deine phantastische Interpretation und dafür, dass du uns an deinen Gedankengängen teilhaben ließest. Meine Freude ist groß!

Herzliche Grüße,
Isaban
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