Der Lehrer

Tragikomödie

von  Oreste

Der Lehrer steht vor der Klasse und erklärt den Kindern mittels einer bunten Grafik die unterschiedlichen Regionen des menschlichen Gehirns respektive deren Lokalisierung sowie Funktionsweise. Die Kinder hören dem Lehrer nicht zu. Sie brüllen und johlen und lachen und bewerfen einander mit Papierbällchen. Mit vorgeblich stoischer Gelassenheit führt der Lehrer den Unterricht fort, so, wie die Kinder mit dem Stören desselbigen fortfahren. Tagein, tagaus. Seit fünfundvierzig Jahren.

Für die heutige und letzte Unterrichtsstunde vor der wohlverdienten Pension hat sich der Lehrer etwas ganz Besonderes ausgedacht. Etwas, das die Kinder mit nach Hause nehmen und noch lange, lange in ihren kleinen, kleinen Köpfen behalten würden. Etwas – wie gesagt wird – fürs Leben.

Kurz vor dem Gong bewegt sich der Lehrer zum Pult. Er greift in seine Aktentasche, zieht einen geladenen Revolver heraus. Unbeachtet tut er fünf Schritte zurück und hält sich die Waffe an die Schläfe. Für einen Moment herrscht Stille. Dann beginnt ein Kind zu schreien. Daraufhin stimmen auch die übrigen wieder mit ein und es wird gebrüllt und gejohlt und gelacht, wobei das Gehirn des Lehrers nun nicht mehr eindeutig zu lokalisieren und auch in seiner Funktionsweise stark eingeschränkt ist.


Anmerkung von Oreste:

2016 [überarbeitet]

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Kommentare zu diesem Text


 Rothenfels (01.02.19)
Ja,das ist ein O.
Ein Text, als gäbe es keinen Morgen.

TvR

 Oreste meinte dazu am 01.02.19:
*lach Erwischt.

Danke, Rother!

O.

 LottaManguetti (01.02.19)
Ein unfähiger Lehrer ist von uns gegangen. Er wäre besser Leuchtturmwärter geworden.

:)

Lotta

 Oreste antwortete darauf am 01.02.19:
Ja, oder Leuchtturmwärtergehilfe. :D

Hab Dank, Lotta.
O.

 drmdswrt (01.02.19)
Gute Pointe. Schön, dass wenigstens mal eine Klasse ein bisschen bei ihm gelernt hat. Beispielhaft.

 Oreste schrieb daraufhin am 01.02.19:
Unterrichtsmaterial veranschaulichen.

Danke dir!
Agneta (62)
(01.02.19)
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 loslosch äußerte darauf am 01.02.19:
es gibt schlimmeres, etwa deutschlehrer, die nicht das einmaleins der muttersprache beherrschen, aber noten vergeben.

 Oreste ergänzte dazu am 01.02.19:
Meiner Erfahrung nach eignen sich gut vier Fünftel aller Lehrer nicht für ihren Beruf.

Galtest du unter deinen Schülern als guter Lehrer, Lothar?

 loslosch meinte dazu am 01.02.19:
wäre ich lehrer gewesen, hätte ich unter meinen schülern als guter lehrer gegolten. (das musste aus mir raus.)

 Oreste meinte dazu am 01.02.19:
Aber du warst Lehrer, Lo.
Agneta (62) meinte dazu am 02.02.19:
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 Irma (01.02.19)
Das nenne ich mal einen eindrucksvollen Anschauungsunterricht! 🤣 Unvergesslich. So wie dein Text. LG Irma

 Oreste meinte dazu am 01.02.19:
Ich sehe, Irma, auch dein Humor ist schwarz wie Lakritz. Weiter so. :D

LG
O.

 Melodia (02.02.19)
Meiner Erfahrung nach eignen sich gut vier Fünftel aller Lehrer nicht für ihren Beruf.[quote/]

Dem kann ich leider nur Zustimmen. Letztes Jahr habe ich ebenfalls einen Text zu unfähigen, unqualifizierten und unmotivierten Lehrern verfasst.
Eigentlich traurig, dass man mit der (Weiter)bildung von Kindern und Jugendlichen so leichtfertig umgeht.

LG

 Oreste meinte dazu am 03.02.19:
Jap, las den damals. Ich erinnere mich auch noch an das Echo. (-;

Grüß dich!
O.

 Melodia meinte dazu am 03.02.19:
Ach ja. Wenn 2 Trolle und (ehemalige) Lehrer kommentieren...

LG

 Oreste meinte dazu am 06.02.19:
Machste nix. (-;

 tulpenrot (02.02.19)
Der Text ist schwärzester Humor. Man könnte nun natürlich in die übliche Lehrerschimpfe übergehen (s. Kommentare) - die Unfähigkeit der Lehrer beklagen.
(Seltsam, dass trotzdem so viele Menschen einen Beruf erlernt und aus ihnen etwas geworden ist.)
Der Text redet anderes zu mir. Ich lese mehr darin eine Geschichte über die Verrohung unserer Gesellschaft, die Gefühllosigkeit und Vereinzelung. Nach dem Motto: Was geht mich der andere an?
Die Schüler reagieren so, der Lehrer ebenfalls, und man könnte den Kreis weiter ziehen - die Lehrerkonferenz, die Elternvertreter, die Schulleitung, die oberen Schulbehörden ...

Anhand des Textes könnte man sich fragen: Was bin ich (mir selbst) wert (als Lehrer)? Lasse ich (als Lehrer) alles laufen, um meine "Ruhe" zu haben, meine Kräfte zu sparen oder setze ich alles daran, ein gutes (Unterrichts-)klima zu schaffen, qualifizierte Arbeit (Unterricht) zu liefern, oder ist mir alles egal? Dann ist mir auch insgesamt mein Leben egal - denn der Beruf füllt ja meine Lebenszeit aus. Also richtet sich ein schlechter Arbeitnehmer (Lehrer) nicht gegen seine MItarbeiter (die Schüler), sondern gegen sich selbst. Bis hin zur letzten Konsequenz, die der Text hier vorgibt.

Und danach dann stellt sich die Frage: Was mache ich aus meinem Leben? Nichts? Habe ich (keine) Ziele? Kann ich sie (nicht) erreichen? usw. Ich breche hier mal ab. Es geht zu weit.

Ich schimpfe jedenfalls ebenfalls über unfähige Lehrer - und finde vieles ausgesprochen peinlich. Aber viel mehr schimpfe ich im Moment über unfähige Ärzte und die Pharmaindustrie. Und über "die" Kirche, den Klimawandel ... und .... mir fällt ganz viel ein ...
Ich lebe aber (noch).
LG
Angelika
P.S. Mir ist noch was eingefallen - ich häng das mal dran, obwohl das Thema endlos ist und ich eigentlich nichts mehr sagen wollte.
Nur zur Entlastung des "Täters": Es gibt Klassen, die kaum oder gar nicht zu "händeln" sind - da resigniert auch ein erfahrener Lehrer.
Der Lehrerberuf kann ein ziemlich nervtötendes Geschäft sein - und Anerkennung gibt es kaum.
Und dann noch eine Frage in die Runde: Wer wäre von all den Lehrerbeschimpfern denn so gerne ein guter Lehrer geworden, der nie den Gedanken haben würde "Ich geb mir die Kugel"?
Ich weiß - ist alles schon hundertmal da gewesen, jedes Argument. Nichts Neues auf beiden Seiten.
Und ich bin jetzt still.

Kommentar geändert am 02.02.2019 um 10:11 Uhr

Kommentar geändert am 02.02.2019 um 11:43 Uhr

 Oreste meinte dazu am 03.02.19:
Ein wunderbar treffender Kommentar, liebe Angelika - besonders freue ich mich über deine Lesart dieser kleinen Satire. Du hast mir eine große Freude bereitet!

Lieb grüßt
O.
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