Kolibri

Kurzgeschichte zum Thema Aufwachen

von  PollyKranich

Das Gewitter legte sich. Frische, klare Luft durchzog seine Gefilde. Seine Brille fand er nicht und so musste er wohl oder übel die Augen zusammenkneifen, um den kleinen Punkt am Horizont größer werden zu sehen. Wer mochte das sein?
Niemand hatte sich bisher so weit vorgewagt und er hatte auch keine Meinung dazu, Besuch zu bekommen. Noch zwei Stunden würde es dauern, bis er ihn losschicken würde, nachzusehen, was da kommen möge.
Bis dahin widmete er sich seinem Tagewerk, traf Vorkehrungen und machte alles sicher. Seit der Sache vor einiger Zeit war er vorsichtiger geworden, wusste er doch, dass dies mehr als angebracht war.

Damals kamen sie zu dritt, ihn zu stören, aufzuscheuchen, zu klagen, wettern, bitten und schließlich wimmernd die Augen zu schließen. Noch einen solchen Zwischenfall wollte er nicht, schätzte er nicht, rein gar nicht.

So ging er auf seinen Ausguck, und beobachtete die eine Figur, die sich nun zügig näherte und schon nur noch ein Siebtel der Baumhöhe ausmachte.  Wo war bloß die verdammte Brille? Seit zwei Tagen vermisste er sie und auch seine Helfer konnten ihm nicht den Gefallen tun, sie zu finden.

Er schickte ihn los und kaum, dass er wieder da war, rannte er - immer noch ohne Brille -  los, in den Wald, tiefer und tiefer, hetzte sich bis zur Erschöpfung und brach keuchend zusammen.
DAS NICHT! Alles, nur das nicht.

Wie sollte er sich wehren? Was geschah hier? Wer hatte sie geschickt? Und vor allem: WARUM?

Fieberhaft und verzweifelt zermarterte er sich sein Hirn, grübelte in Schlaufen um immer dieselbe Frage herum, ohne zu einem Schluss zu kommen.

Sie würde nicht nachlassen, ihn drängen, zwingen, an ihm zerren und immer und immer wieder dieselbe Frage stellen.
Das konnte er nicht überstehen. Er wanderte auf und ab, zerbrach Äste, schlitzte sich den Unterarm an Dornen auf und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Ohne Erfolg.

Da hörte er es: ein leises Knacken ungeübter Schritte auf dem Waldboden. Rascheln, Atmen, alles zu laut, zu LAUT.

Wut packte ihn, er geriet in Rage, zornesmutig stürzte er in die Richtung aus der der Lärm auf ihn einprasselte und zögerte nur einen Sekundenbruchteil, als er das liebliche Gesicht vor sich sah. Im Sprung griff er sich einen dicken Ast und schlug fallend auf sie ein. Augenblicklich verstummte der Wald. Kein Vogel, kein sanftes Rauschen der Blätter, kein Plätschern des dichten Baches.

Zitternd ging er zurück, nun nahm er endlich das Dampfen des Waldbodens, die sanfte Brise und die sirrenden Insekten wieder wahr. Frieden. Wieder Frieden.

Es wäre nicht nötig gewesen, dachte er kurz, dann verscheuchte er den Gedankenanflug und ging sachte weiter.
Alles war wieder gut. Er hatte das Richtige getan.
Und ihm entgegen flog sein Kolibri.

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Kommentare zu diesem Text

managarm (57)
(09.02.19)
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 PollyKranich meinte dazu am 10.02.19:
Vielleicht weiss ich auch nicht, was genau passiert ist...; )
Schön, dass es Dir gefällt. Beste Grüße von Polly

 Dieter Wal (10.02.19)
Beeindruckend. Willkommen bei kV!

 PollyKranich antwortete darauf am 10.02.19:
Herzlichen Dank!
MfG (38)
(11.02.19)
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 PollyKranich schrieb daraufhin am 21.02.19:
Das freut mich sehr! :)
LG
Stimulus (54)
(20.02.19)
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 PollyKranich äußerte darauf am 21.02.19:
Genau so wollte ich das haben. Ich weiß möglicherweise auch nicht, was da passiert ist...
Vielen Dank fürs Lesen und empfehlen,
schöne Grüße von Polly :)

 Dieter_Rotmund (01.07.20)
Hat Potential, ist aber zu wolkig-vage.

 PollyKranich ergänzte dazu am 28.12.22 um 11:05:
Das liegt in der Natur der Sache. Danke fürs Lesen und schöne Grüße
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