Lockruf

Sonett zum Thema Abendstimmung

von  Isaban

Gedankenwärts, da hab ich dir
ein Haus gebaut, am Meer.
Die Salzluft streicht uns übers Haar,
das Haus ist beinah leer,

bis auf den Herd, Bett, Stühle und
den großen, alten Tisch.
Er ist aus Eibenholz und rund.
Wir essen abends Fisch

und trinken Rotwein oder Tee.
Wir reden viel, gedankenwärts,
beim Warten auf den letzten Schnee.

Es ist egal, was vorher war,
gedankenwärts ist alles klar.
Es riecht nach Frost. Noch klopft mein Herz.

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Kommentare zu diesem Text


 Irma (14.02.19)
Mir kam als erstes das Lied von Heintje in den Sinn: „Ich bau dir ein Schloss so wie im Märchen. Da wohn ich mit dir dann ganz allein.“ LyrIch will jedoch kein Traumschloss für LyrDu bauen, sondern „ein Haus (…) am Meer“. Keine prächtige Villa, sondern ein ganz einfaches Haus, das „beinah leer“ ist, kärglich ausgestattet mit dem Lebensnotwendigen, quasi eine kleine Fischerhütte.

„Gedankenwärts“, dieses Wort kommt dreimal vor im Gedicht und unterstreicht, wie wichtig LyrIch dieser Traum ist. Zum Inventar zählen Herd, Bett, Stühle und ein runder alter Tisch, und wohl nicht ohne Grund fällt das Bett in eine Senkung, bleibt beim Lesen unbetont. Anscheinend ist etwas vorgefallen, über das LyrIch am liebsten hinweggehen möchte. Ich denke hier an einen Seitensprung, der der Beziehung einen Knacks gegeben hat. LyrIch will weiter mit LyrIch zusammenleben, mit ihm ‚Tisch und Bett teilen‘, wie man so schön sagt, aber indem der Schwerpunkt auf die Mahlzeiten und den ‚runden Tisch‘ (der ja für gewöhnlich für Gemeinsamkeit steht) gelegt wird, schiebt sich das Bett in den Hintergrund.

Per „Lockruf“ will LyrIch den Partner in eine Abgeschiedenheit ziehen, wo kein Dritter (keine Dritte) die Zweisamkeit gefährden kann, wo allein „die Salzluft“ an LyrDu herankommt und ihm „übers Haar“ streicht (dem „dir“ in V.1 wird in V.3 als (Un-)Reimpartner das „Haar“ zugesellt). LyrIch malt sich dieses einfache Leben mit LyrDu schön aus: Fisch essen, Rotwein oder Tee trinken. Und vor allem das „reden viel“ scheint ihm wichtig zu sein. Im „Warten auf den letzten Schnee.“ scheint die Hoffnung zu liegen, dass die Kälte (zwischen den beiden) auf diese Weise langsam weichen wird, auch wenn es im Moment noch ‚nach Frost riecht‘.

LyrIch will vergessen, was geschehen ist („Es ist egal, was vorher war,“), denn es liebt LyrDu noch („Noch klopft mein Herz.“). Es ist bereit, LyrDu zu verzeihen (Paarreim V.12 „war“ und V.13 „klar“). Aber es ist und bleibt eben doch alles ein Wunschtraum von LyrIch und ungewiss, ob LyrDu diesem „Lockruf“ von LyrIch folgen wird. „Gedankenwärts ist alles klar.“, aber was die Zukunft in Wahrheit bringt und wie sich die Beziehung zwischen den beiden tatsächlich entwickeln wird, steht in den Sternen. Das „Herz“ von Lyrich träumt jedenfalls reimmäßig weiter „gedankenwärts“ in die Ferne.

Gefällt mir, liebe Sabine! LG Irma

Kommentar geändert am 14.02.2019 um 08:36 Uhr

 monalisa meinte dazu am 14.02.19:
Ein toller Kommentar Irma, der gefällt mir auch, nicht nur Isabans Sonett. Ich mach es mir heute einmal einfach und schließe mich hier an.

Ein überzeugendes Sonett, liebe Sabine :).

Liebe Grüße euch beiden
mona

 claire.delalune antwortete darauf am 14.02.19:
Auch ich kann mich hier nur anschließen: Dein Kommentar, Irma, ist ganz ausgezeichnet.
Vielen Dank dafür!

Und das Gedicht selbst gefällt mir auch sehr.
Ich mag Sonette. Doch ist es mir noch nicht gelungen, eines zu schreiben. Deshalb hab ich immer besonders Hochachtung, wenn ich ein gelungenes vor mir habe. Dies ist hier ganz zweifelsfrei der Fall!

Liebe Grüße
Kathrin

 Isaban schrieb daraufhin am 14.02.19:
Hallo zusammen!

Ich fange mal unten an. ;)

@claire.delalüne:

Ja, Irma schreibt definitiv geniale Kommentare, dem schließe ich mich ebenfalls glatt an.

Herzlichen Dank für deine Rückmeldung und für das große Lob - ich fühle mich geschmeichelt!

@ Mona:

Gedichte werden erst durch Kommentare geadelt. Irmas Interpretationen sind - wie auch deine - jederzeit eine großartige Auszeichnung. Tausend Dank dafür.

@ Irma:

Was für eine wundervolle Interpretation! Ich muss zugeben, dass sie meine Intentionen nicht überall trifft, das jedoch mindert nicht im Geringsten den Genuss, nachzuverfolgen, wie du meine Verse liest. Eine grandiose Geschichte und ich bin stolz darauf, dass ich diesen Kopfkinofilm entstehen lassen konnte. Ich danke dir vielmals für deine Rückmeldung, die intensive Beschäftigung mit meinem Text, die fantastische Interpretation und dein Gefallen an meinem Text. Merci beaucoup!

Liebe Grüße,

Sabine

 AZU20 (14.02.19)
Gedankenwärts gefiels mir sehr. LG

 Isaban äußerte darauf am 14.02.19:
Was mich gedankenwärts sehr freut. LG
Ira (53)
(14.02.19)
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 Isaban ergänzte dazu am 14.02.19:
Danke sehr!

LG
Sabine
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