Der Dichter und sein Frühling

Gedicht

von niemand

Dieser Text gehört zum Projekt Sonette.

Ach, Lenz, du kommst mir Jahr um Jahr so gleich,
mit Knospen, Blättern, Vögeln und Narzissen.
Dein Dichtungs-Bild sei, sagt man, längst verschlissen -
ich martre mir bereits die Birne weich,

wie setz ich dich ins Wort mit solchem Wissen,
wie schreibe ich dich neu, Poetenleich?
Das Blatt vor mir – wie eine Jungfer bleich -
will Federdruck, samt Tintenstrahl nicht missen.

Sprich, könntest du mir nicht was andres zeigen -
vielleicht ein Moos beschuhtes Elfenbein,
statt Weidekätzchen an stets gleichen Zweigen?

Kann nicht dein „Blaues Band“ heut lila sein -
ein gelber Lolly-Regen sich mir neigen?
Das wäre ungewöhnlich, aber fein!

Dem Krokus dort, näh einen Frack mit Fliege -
nein, lieber allen, das gibt ein Orchester
und schenk ein Amsel-Stimmchen meiner Schwester,
damit sie nicht mehr meckert, diese Ziege.

Lass schmelzen Sonne, Mond zur Einheit, Bester,
mach dass der Tag die Nacht im Tango wiege,
derweil ich auf karierten Wiesen liege -
auf meinem Kopf Luftvogels Schirmchen-Nester.

Färb mir den Wald Karmin, mit Ocker-Streifen,
mach dass die Felder rosa, hochkant stehen -
ich will nach Ungewöhnlichkeiten greifen,

will dass Vanille-Stürme mich umwehen,
oranggetünchte Winde mich umpfeifen -
schaff etwas mir, das keiner je gesehen!

Jedoch was täte ich, würd dies passieren?
Ich schmierte diesen Zirkus Schwarz auf Weiß,
bezahlt mit einem viel zu hohen Preis -
nun hieße es, den Frühling lang drauf stieren.

Die ganze Zeit auf solchen fremden Scheiß.
Mein Weltbild würde sich total verlieren.
Was ich gefordert, will ich annullieren -
drum bitte, Lenz, hör nicht auf solch Geheiß!

Ich will dich nicht mit Karos, nicht in Pink -
bleib wie du bist, samt Krokus und Narzissen.
Solch fremde Welten waren nie mein Ding,

drum wird ihr Bild in meinem Kopf zerrissen.
Ich bitt dich sogar, lieber Frühling, bring
mir heut dein „Blaues Band“ - ich würds vermissen!