Nur fliegen ist schöner

Monolog zum Thema Fortschritt

von  eiskimo

Kennt ihr das? An der Security-Kontrolle des so blitzblank daher kommenden Airports werdet ihr durch Sperr-Banderolen erst 300 Meter seitlich im Zick-Zack hin und her gelotst, bis ihr zehn Meter hinter eurem Startpunkt zu den mäßig beschäftigten Sicherheitspersonal vorgelassen werdet. Vorher hatte man bei diesem Hin- und Herwandern mehrfach Gelegenheit, die auf der Gegenspur passierenden Mitbetroffenen mit verzweifelten Grimassen aufzuheitern.  Wehe euch rational Denkenden, die ihr vielleicht frech die Sperr-Banderole löst, um euch diesen Affen-Parcours zu ersparen …..
Ähnlich erheiternd sind auf demselben Flughafen die futuristischen Toiletten. Nachdem schon die Klospülung ferngesteuert viel zu früh los schießt, muss man an der 15 Meter breiten Wasch-Bar erst das minimalistische Design enträtseln, um tatsächlich so etwas wie einen Seifenspender zu entdecken. Frage: Spendet er durch Drücken, Wedeln oder gar per Voice Control?  Ein bisschen Ingenieursdenken, und bald weiß man: Ehrfurchtsvolles Wedeln ist die richtige Option. Und nur drei Fehlschüsse des rosa-sämigen Produktes reichen, um das richtige Timing raus zu haben. Dann muss man nur noch den ähnlich verspielten Sensor für das Wasser überlisten, und schon kann man sich (heiß!) die Hände waschen.
Den Handtrockner-Fön zu betätigen, ist danach schon fast Routine. Ja, man hat dabei sogar Zeit,  die nächsten Toilettenbesucher zu beobachten, wie komisch-unbeholfen  die sich an diesen Armaturen versuchen:  Wedeln, drücken, klopfen, fluchen....
Apropos fluchen. Dieser Fluchhafen ist gespickt mit Flachbildschirmen. Überall läuft dasselbe Werbeprogramm, das sehr bunte Marco Polo-TV, das einem so richtig Geschmack macht auf alle bunten Destinationen dieser Welt. Am Gate wird es immer enger, das Boarden verzögert sich, und man hat endlos Zeit, bei Marco Polo diese jungen Menschen mit Model-Figuren an paradiesischen Sandstränden zu bewundern. Selber übergewichtig, fliegt man leider nur dienstlich nach Stuttgart....
Aber man ist an diesem Airport auf alles vorbereitet. Kommt jemand mit den beschriebenen Merkwürdigkeiten nicht klar, dann gibt es – die Bildschirme spielen den Hinweis immer wieder ein -  auch einen Gebetsraum und seelsorgliche Betreuung. Multikonfessionell.  Nein, es soll keiner in Turbulenzen kommen hier. Weder durch Zick-Zacks, rätselhafte Nasszellen noch Destinationen, die immer nur den Reichen und Schönen  vorbehalten sind.


Anmerkung von eiskimo:

Flughäfen, das sind mehr als Bahnhöfe für Luftfahrzeuge. Es sind quasi überirdische Orte, abgehoben, mit eigenem Flair, eigener Sprache....

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