Auswintern

Pantun zum Thema Abschied

von  monalisa

Er sollte wirklich eine Auszeit nehmen,
der greise Griesgram grummelt Graupelschauer,
spuckt Schnee und Eis, ist aber nur noch Schemen
von einst, besieht man sich den Typ genauer.

Der greise Griesgram grummelt Graupelschauer,
die Sonne leckt am blanken Frostgesicht
von einst, besieht man sich den Typ genauer:
Er schrumpft bereits zum kümmerlichen Wicht.

Die Sonne leckt am blanken Frostgesicht,
und seine Zeit läuft ab in klaren Bächen.
Er schrumpft bereits zum kümmerlichen Wicht,
besonders, wenn noch laue Lüfte schwächen,

und seine Zeit läuft ab in klaren Bächen.
Er meidet alles Bunte, das da sprießt,
besonders, wenn noch laue Lüfte schwächen,
weil ihm das nur die Tagesform vermiest.

Er meidet alles Bunte, das da sprießt,
fidelen Vogelsang mag er nicht hören,
weil ihm das nur die Tagesform vermiest.
Gewillt ist er, dem allen abzuschwören.

Fidelen Vogelsang mag er nicht hören,
er sollte wirklich eine Auszeit nehmen,
gewillt ist er, dem allen abzuschwören,
spuckt Schnee und Eis, ist aber nur noch Schemen.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 tulpenrot (26.02.19)
Ich bewundere diese Kunst - diese Art des Durchkomponierens und die vielen aussagekräftigen und ideenreichen Bilder - und schwelge schweigend...
Viele Grüße
tulpenrot

 monalisa meinte dazu am 26.02.19:
Dankeschön für den schwelgenden Kommentar. Das freut mich natürlich liebe Tulpenrot.

Liebe Grüße
mona
Sätzer (77) antwortete darauf am 26.02.19:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 monalisa schrieb daraufhin am 26.02.19:
Hallo Sätzer,
so schwer ist das gar nicht, man braucht nur ein wenig Geduld und Zeit. Es ist von Vorteil es ein wenig abhängen zu lassen, wie ein gutes Steak, und sich öfter mal mit Abstand neu dran zu setzen.
Ich mag so eine Knobelei, ist sozusagen Sudoku-Ersatz 😉.
Vielen Dank und liebe Grüße
mona
Sätzer (77) äußerte darauf am 26.02.19:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 tulpenrot ergänzte dazu am 26.02.19:
Also der Vergleich mit dem Sudoku gefällt mir - ich bin sudoku-süchtig. Knobeln ist auch mein Ding. Aber ob ich mich an ein Pantun wage ...? Ich wollte ja mal Sonette schreiben und dann mich zu einem Sonettenkranz hochschrauben - es blieb ein frommer Wunsch.
Stimulus (54)
(26.02.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 monalisa meinte dazu am 26.02.19:
Hallo Stimulus,
deine Vorbehalte gegenüber der Form kann ich gut nachvollziehen, ich teile sie größtenteils. Mich wundert, dass du den 'unernsten Grummelgreis-Vers' nicht zum Rest passend empfindest. Das Ganze war recht unernst von mir gemeint, ein bisschen als Kontrapunkt zu der nun aufkeimenden euphorischen Frühlingswelle. Im Übrigen finde ich, ists eine gute Fingerübung, um mich wieder an Reimgedichte heranzutasten.

Ich danke dir herzlich für die positive Bewertung, obwohls nicht deinen persönlichen Geschmack trifft.

Liebe Grüße

Antwort geändert am 26.02.2019 um 10:59 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.02.19:
Hallo Monalisa,
Stimulus hat schon recht, dass die Form des Pantun "zu Aufzählgedichten(Abzählreimen) verleitet". Man sollte sein Gefallen oder Missfallen äußern, weil dies Hinweise auf den zeitgebundenen Geschmack gibt, dem wir alle mehr oder weniger unterliegen. Vielleicht kommen wieder Zeiten, die das Artifizielle an der Kunst mehr schätzen. Ich lege Wert auf die Feststellung, dass das einzig Zuverlässige bei der Einschätzung von Gedichten das Beherrschen einer Form, also das Können, ist .
Insofern ist dein Gedicht gelungen, Kunst.
Liebe Grüße
Ekki

 monalisa meinte dazu am 26.02.19:
Liebe Ekki,
für mich ist dieser Text eher so etwas wie ein Stück Kunsthandwerk, spannend finde ich das vernetzen der Verse, sodass der einzelne nicht zu isoliert und abgehackt daherkommt, was ja dann wirklich einen Abzählreim ergeben würde. Mein Ziel ist es auch, die Verse in verändertem Umfeld jeweils etwas anders schillern zu lassen und dadurch trotz der vielen Wiederholungen eine Handlung zu erzählen.

Vielen herzlichen Dank für deine so freundliche Bewertung!

Liebe Grüße
mona
ElviraS (73)
(26.02.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 monalisa meinte dazu am 26.02.19:
Danke vielmals, Elvira. Das freut mich 😊.

Liebe Grüße
mona

 Dieter Wal (26.02.19)
Meisterhafte Formbeherrschung. Gefällt mir ausgezeichent. Reiche es bei Oscar ein.

Mag die Alliterationen in "der greise Griesgram grummelt Graupelschauer".

Las erfreut den Wikipediaartikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Pantun

Wolf von Kalckreuth übernahm die Form offensichtlich von Baudelaire und Verlaine, die er beide kongenial nachdichtete.

Fand auf die Schnelle zwei Pantuns bei WvK. 1. "Nun sinkt die Dämmerung zum Himmelsrand" und 2. "Lass wortlos uns mit kühlen Lippen schreiten".

Was mich begeistert, du kannst dein Pantun nicht nur mit einem derartigen Virtuosen der Formkunst wie Wolf von Kalckreuth messen, sondern schneidest dabei sogar eher besser ab.

 Dieter Wal meinte dazu am 26.02.19:
Nun sinkt die Dämmerung zum Himmelsrand,
Gelassen, wie ein Zug von grauen Reihern,
Und leise hüllt sie mit saphirnen Schleiern
In tiefes Ruhen das erstorbne Land.

Gelassen, wie ein Zug von grauen Reihern,
Zerschmilzt der Wolken duftgeeintes Band.
In tiefem Ruhn liegt das erstorbne Land.
Ein spätes Rot blinkt aus den schmalen Weihern.

Es schmilzt der Wolken duftgeeintes Band,
Die Nacht erhebt sich riesenhaft und bleiern,
Ein spätes Rot blinkt aus den schmalen Weihern -
Nun ist die große Sonne ausgebrannt.

Die Nacht erhebt sich riesenhaft und bleiern,
Die unser furchterfülltes Auge bannt.
Nun ist die große Sonne ausgebrannt,
Bis wir in ew'ger Sternendämmrung feiern.

 monalisa meinte dazu am 26.02.19:
Ich freue mich natürlich sehr über deine Einschätzung, Dieter 😊, glaube aber, dass auch eine wenig Überschätzung sein könnte. Wie ich oben schon schrieb, betrachte ich es eher als Kunsthandwerk. Mit einem Augenzwinkern und inhaltlich nicht allzu anspruchsvoll, habe ich mich hier mehr auf die Form gestürzt und versucht aus den Vorgaben etwas zu machen.
Mit dem von dir angeführte Beispiel von von Kalckreuth können sich meine Zeilen kaum vergleichen. Erstaulich ist, dass er sein Gedicht nicht im Kreuzreim sondern im umarmenden Reim verfasst hat. das finde ich sehr reizvoll. Auch kehrt er am Ende nicht zu den Versen 3 und 1 der sersten Strophe zurück, wie das sonst üblich ist.

Ich bedanke mich herzlich für das große Lob!
Liebe Grüße
mona

 Dieter Wal meinte dazu am 26.02.19:
Deine Bescheidenheit ehrt dich.

Exakt dieselbe mutmaßlich eigenständige Bauart verwendete Kalckreuth auch in "Lass wortlos uns mit kühlen Lippen schreiten". Ob es damit noch als Pantun bezeichnet werden kann oder nicht, will ich nicht entscheiden. Ich halte es in seiner suggestiven Wirkung jedoch für gegeben. Ich will es auswendig lernen, um es in seiner Funktion besser zu verstehen.

Die musikalischen Einbindungen dieser Formen im Wikipediaartikel beeindrucken mich.

 LottaManguetti (26.02.19)
Ein schöner Abgesang auf den alten Griesgram. Nicht mehr lange und er kommt als Jüngling zurück.

Ick finds juut!

Lotta

 monalisa meinte dazu am 26.02.19:
Liebe Lotta,
wat findste juut? Dass er als Jüngling bald zurückkommt? Ich erwarte jetzt erst mal einen ganz anderen Jüngling, nämlich den taufrischen Frühling, hab ihm schon Primmeln auf Fensterbrett gestellt, um ihn anzulocken 😊!
Den alten Griesgram schicken wir zur Verjüngungskur, die kann dauern!

Vielen Dank und liebe Grüße
mona

 GastIltis (26.02.19)
Hallo mona, denk dran. Ich bin hier hinten und werde gern vergessen. Nein, dein Auswintern gefällt mir gut. ich werde den Prozess genießen. LG von Gil.

 monalisa meinte dazu am 26.02.19:
Hach, dran gedacht 😊! Es ist noch nicht alles verloren.

Lieber Gil, freut mich, wenn dir mein Auswintern gefällt. Mir gefällt es auch, wenn der alte Griesgram endlich klein bei gibt!

Dankeschön und liebe Grüße
mona

Antwort geändert am 26.02.2019 um 16:37 Uhr

 Isaban (26.02.19)
Vollendetes Handwerk!

 monalisa meinte dazu am 26.02.19:
Vielen Dank, Sabine!
Das aus deinem berufenen Mund 😊!

Liebe Grüße
mona

 TassoTuwas (26.02.19)
Ohne Frage, das ist natürlich gekonnt und formvollendet verdichtet. Das haben hier vor mir Berufenere überzeugend beschrieben.
Also was treibt einem Nostalgiker um!
Vielleicht ein Gedicht schreiben, über eine altes, kraftloses und ausgemergeltes, durch den Klimawandel zur Witzfigur degradiertes Winterweichei. Keine Schneeballschlachten, kein Eisglitschen auf den Bürgersteigen, kein Iglubauen, keine sausende Schlittenfahrt, keine klammen Finger und rote Wangen und den herrlich heißen Kakao danach
Ja, es hat sich ausgewintert, schade oder?
Liebe Grüße
TT

 monalisa meinte dazu am 27.02.19:
Lieber Tasso,
unter dem Aspekt habe ich das gar nicht gesehen, gute Idee! Wir hatten heuer einen außerordentlich schneereichen Winter (hier im österreichischen Voralpenland). Diesbezüglich habe ich kein 'schwächeln' des Winters festgestellt. Wenns aber auf den März zugeht, wird er halt alljährlich schwächer, um dem Frühling Platz zu machen, von uns Winterhockern auch herbeigesehnt. ganz kampflos gibt er aber auch nicht auf der alte Zausel und pfuscht oft im März und April noch mit kurzen Graupelschauern und unergibigen Schneefällen in die aufkeimende Frühlingspracht.
Da bin ich dann ganz froh, wenn es sich endlich ausgewinter hat.

Herzlichen Dank für deinen Beitrag,
liebe Grüße
mona
Trainee (71)
(27.02.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 monalisa meinte dazu am 27.02.19:
Herzlichen Dank, liebe Trainee, freut mich sehr 😊!

Liebe Grüße
mona

 Schreibfan (10.09.23, 00:32)
Ein schönes Pantun. Formal gut gelungen und liest sich flott.
LG Schreibfan

 monalisa meinte dazu am 28.10.23 um 08:20:
Oh, ich war lange nicht hier!

Vielen Dank, Schreibfan, für den positiven Kommentar :) !

Liebe Grüße
mona
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram