Lückenhaft

Text

von  monalisa

Sie kauert am Boden und fühlt sich so klein,
sucht stammelnd nach Namen und findet sie nicht.
Was wollte sie fragen? Es fällt ihr nicht ein,
und durch die Gardinen dringt Vorgesternlicht.
Erinnerung flimmert im mageren Schein,
streift kurz ihre Stirn und erhellt das Gesicht.

Dann sinkt sie verloren ins Dunkel zurück,
ihr zum Verhängnis, vielleicht auch zum Glück?

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Kommentare zu diesem Text

Trainee (71)
(06.03.19)
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 monalisa meinte dazu am 06.03.19:
Liebe Trainee,
wer kann wissen, wie sich ein dementer Mensch fühlt, man kann nur beobachten und versuchen, sich eine wenig einzufühlen. Demenz ist ja auch nur ein Oberbegriff für ganz verschiedene Phänomene aus unterschiedlichen Ursachen, die mit räumlicher und zeitlicher Desorientierung und Beeinträchtigungen vor allem des Kurzzeitgedächtnisses einhergehen. Aus meinen Beobachtungen im Pflegeheim ergibt sich, obwohl es natürlich individuell bei jedem ein wenig anders abläuft, eine Tendenz. Demnach gibt es eher am Beginn oder bei mäßig fortgeschrittener der Erkrankung eine Phase in der die Betroffenen extrem unglücklich sind, weil sie ihre Verwirrung selbst wahrnehmen, die Veränderungen, Defizite in lichten Momenten an sich erleben, sich hilflos fühlen, gegensteuern möchten, aber nicht wissen wie, sich selbst nicht finden, nicht annehmen können. Manche neigen zu Aggression, andere zu Depression ... Später, wenn die Demenz schon weit fortgeschritten ist, werden sie meist ruhiger, wirken gelassener, ja glücklich. Man hat den Eindruck, dass sie ihren eigenen Verfall nicht mehr mitansehen müssen, weil sie schon so weit abgerückt sind in eine ganz eigene Welt. Ob es so ist? Wir wissen es nicht! Ein bisschen wollte ich das gern anklingen lassen in diesem Text.

Hab vielen Dank für deinen Kommentar .
Liebe Grüße
mona

 niemand (06.03.19)
Könnte Demenz sein, könnte aber auch jemand im Suizid sein,
der einige klare Momente hat bevor ein Mittel gänzlich wirkt.
Auf jeden Fall sehr berührend, besonders weil es nicht so übertrieben geschrieben ist, sondern genau ausgewogen.
Mit lieben Grüßen, Irene

 monalisa antwortete darauf am 06.03.19:
Ja auch andere Deutungen sind möglich, liebe Irene.
Es freut mich sehr, dass du es genau ausgewogen und nicht übertrieben findest. Das ist mir nämlich sehr wichtig, gerade an diesam Text.

Ein herzliches Dankeschön und liebe Grüße
mona
Jo-W. (83)
(06.03.19)
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 monalisa schrieb daraufhin am 06.03.19:
Du scheinst ganz ähnliche Erfahrungen und Beobachtungen gemacht zu haben wie ich. Dank dir fürs Mitteilen/mit uns teilen!

Liebe Grüße
mona
Easy (32)
(06.03.19)
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 monalisa äußerte darauf am 06.03.19:
Hallo Easy,
ich glaube das 'verloren ' kommt' schon hin, wenn LI im Zuge seiner Demenz immer mehr den Faden und damit sich selbst verliert.
Vielen Dank für dein Nachspüren und die Anregungen.

Liebe Grüße
mona
Easy (32) ergänzte dazu am 06.03.19:
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 LottaManguetti (06.03.19)
Das "Vorgesternlicht" hat es mir besonders angetan, mona. Im Zusammenhang mit den Gardinen, durch die es einfällt, finde ich das Bild supergut!
Und insgesamt beschreibst du sehr passend den Zustand einer Demenzkranken. So könnte es sich anfühlen. So betrachten wir es von außen.

Lieben Gruß
Lotta
Trainee (71) meinte dazu am 06.03.19:
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 monalisa meinte dazu am 06.03.19:
Liebe Lotta, liebe Trainee,
danke für das Eingehen auf mein 'Vorgesternlicht', es bltzt etwas heraus aus dem sehr einfach gehaltenen übrigen Vokabular, darf es auch solange es nicht blendet.
Und insgesamt beschreibst du sehr passend den Zustand einer Demenzkranken. So könnte es sich anfühlen. So betrachten wir es von außen.
Genau das wollte ich versuchen. Danke für diese Rückmeldung, Lotta!

Liebe Grüße
mona

 EkkehartMittelberg (06.03.19)
Hallo Mona,
die Hirnforschung ist heute so weit, dass sie Kriterien für unterschiedliche Krankheiten des Vergessens benennen kann, aber hinsichtlich der Gefühle der Erkrankten bleibt sie auf Hypothesen angewiesen.. Deshalb finde ich es richtig, dass du dem Dunkel Verhängnis oder vielleicht auch Glück zuschreibst und das Gedicht mit einer offenen Frage enden lässt. Aber wer die Kranken sieht, fühlt sich doch eher an eine Haft der Lücken als an Glück erinnert.
Die Frage nach dem Sinn wage ich gar nicht zu stellen.
Liebe Grüße
Ekki

 monalisa meinte dazu am 06.03.19:
Vielen Dank, lieber Ekki, ja aus Beobachterin hat man manchmal den Eindruck, dass Demenzkranke gerade in den 'lichten Momenten' besonders unglücklich, weil sie den eigenen Zustand reflektieren und sich schwer tun, ihn anzunehmen. Insofern ist er vielleicht weniger unglücklich, wenn er wieder ins Dunkel des Besinnens 'zurückfallen. Vielleicht ist die 'Haft der Lücken' also eine Art Schutzhaft, aber immer noch Haft.

Vielen Dank für deine einfühlenden Worte.
Liebe Grüße
mona

 GastIltis (06.03.19)
Hallo mona,
der Umgang ist schwierig. Vor Jahren besuchte ich auf Wunsch seiner Frau einen Ex-Kollegen. Ihre Annahme, dass noch ein Gespräch zustandekommen könnte, zerschlug sich sehr schnell. Sein Anteil daran hatte sich auf „Ach so“ und „Aha“ reduziert. Eine Schnitte haben wir zusammen gegessen, dann ist er nach oben zu seiner Modelleisenbahn gegangen. Acht Wochen zuvor ist er noch Auto gefahren. Aber er war friedlich. Manche werden ja aggressiv oder widerspenstig. Ist sehr bedauerlich. Deine Zeilen strahlten sehr viel Mitgefühl aus. Und Tiefe. LG von Gil.

 monalisa meinte dazu am 06.03.19:
Hallo Gil,
seit über zehn Jahren mache ich nun schon ehrenamtlichen Besuchsdienst im örtlichen Pflegeheim. In diesen Text habe ich versucht, meine Erfahrungen und Beobachtungen einfließen zu lassen. Sie sind manchmal deprimierend, manchmal auch sehr berührend, wenn man, ich muss es jetzt einfach so kitschig sagen, weil ich keine anderen Worte habe, wenn man zu ihren 'Kinderseelen' durchdringt und mit Vertrauen und Liebe belohnt wird.

Vielen Dank, Gil,
liebe Grüße
mona

 Isaban (06.03.19)
Fieberwahn oder Demenz - ein feingezeichnetes Bild, liebe mona.


Lieben Gruß
Sabine.

 monalisa meinte dazu am 06.03.19:
Ja, auch das ist möglich, liebe Sabine, und vielen Dank für das 'feingezeichnete Bild', das mich sehr erfreut.

Liebe Grüße
mona

 TassoTuwas (06.03.19)
Man kann nur vermuten, aber alle in frage kommenden Möglichkeiten erscheinen trostlos.
Liebe Grüße
TT

 monalisa meinte dazu am 06.03.19:
Ja, schon auch trostlos, lieber Tasso, aber nicht nur. Wenn du vielleicht weiter oben mitlesen magst.

Herzlichen Dank und
liebe Grüße
mona
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