Stofftiere bringen Glück - Erzählung II

Text

von  pentz

II. Die Polizei muss Ermittlungen anstellen


Gina kam mit dem Telefon in die Küche, hatte die Freisprechtaste eingeschaltet, so dass man den Wahlton laut hörte. Sie wollte offenbar Zeugen haben. Meine Freundin und ich schauten uns fragend an: „Was das noch geben wird?“
„Ja, hier Polizei!“
„Ja, hier Gina. Ich muss den Verlust eines Hundes melden.“
„Name. Seit wann? Aussehen...“
„Name Benno, seit heute nacht, braun-grau.“
„Rasse.“
„Äh, Phantasierasse.“
„Wie bitte? Eine Mischung.“
„Kann man so sagen.“
„Von was!“
„Äh, das kann ich nicht sagen. Der Designer hat eine gute Phantasie gehabt und so ziemlich alles eingemischt.“
„Sind Sie betrunken?“
„Nur ein bisschen“, gab sie noch ehrlicherweise zu.
„Mann, verschwenden Sie nicht unsere Zeit...“
„Aber wirklich, Polizist. Erstens bin ich eine Frau, damit Sie das wissen. Und zweitens, mein Hund ist heute nacht aus meinem Bett gestohlen worden. Oder meinen Sie, der ist freiwillig davongelaufen?“
„Möglich ist alles!“
„Sie beleidigen mich! Ich liebe meinen Hund über alles und würde für ihn sogar verhungern! Der würde mich deshalb niemals verlassen, nicht freiwillig, hundertprozent.“
„Also, okay Miss. Wir schicken nachmittags einen Beamten vorbei!”
„Das würde ich Ihnen auch geraten haben, äh.“
„Wie bitte! Wiederholen Sie noch einmal, was Sie eben gesagt haben!“
„Das beruhigt mich ungeheuer, dass sich die Polizei einschaltet, die Ermittlungen durchführt. Jedenfalls bin ich beruhigt, dass Sie sich um meinen Hund kümmern!“
„Äh, selbstverständlich!“
Und Klacken.
Meine Freundin und ich schauten uns wieder in die Augen.
Ich erlaubte mir doch Kritik an der Polizei zu üben. „Die hätten sofort kommen müssen!“, finde ich. „Wer weiß, wie lange die Lebensdauer einer genetischen Spur wohl beträgt?“
Ich hoffte, Gina dachte dabei nicht explizit an Spermien.
„Hä?“, fragte sie mich doch. So musste ich leider mit der Wahrheit herausrücken.
„Na, Haare, Spermien...“ Weiter kam ich nicht, denn Gina wurde es hundeelend zumute bei der Vorstellung, ihr Kuscheltier sei vergewaltigt worden und bekam einen Weinkrampf. Das tat mir natürlich leid.
„Also, das hättest Du nicht erwähnen müssen...“
Sie hatte auf etwas, was ich gesagt habe, reagiert, was zunächst für sich positiv war und ein Zeichen, dass sie allmählich vom Traum auf den Boden der Tatsachen oder der Welt zurückkehrte, auch wenn es eine Rüge gewesen war. Wurde auch allmählich Zeit.
Aber Gina war untröstlich und nicht mehr zu halten, kurzum drehte völlig durch.
„Jetzt reicht es mir. Wer kann es mir verdenken, bei dieser Art von Polizei, dass man da zum Alkoholiker wird...“
Ich ergänzte: „Besser bleibt.“
Gina schaute mich angesichts dieser neunmalklugen Bemerkung schief an, aber nur einen kurzen Moment, denn sie fing sich wieder schnell: „Genau, bleibt. Ich hol mir einen Flachmann.“ Meine Freundin war gerade dabei, Protest und Warnung einzulegen, aber es war zu spät. Gina wirbelte wie der weiße Wirbelwind aus dem Haus, setzte sich gekonnt wie ein Cowboy auf den Sattel ihres Fahrrades und strampelte wütend los, Richtung Kiosk, Richtung Tankstelle, Richtung Discounter, einer Schnapsbude, wo immer Alkohol angeboten wurde.
Ich atmete auf. Ich war gerettet.
Nur, wo war das Stofftier „Benno“, der Hund, hin verschwunden?
Nun aber setzte mich meine Freundin unter Druck. „Das können wir so nicht stehen lassen, Mann. Die Polizei muss sofort herkommen, irgendetwas unternehmen, zumindest sich den Tatort anschauen.“
„Ähm, ich weiß nicht!“
Aber sie war jetzt pikiert, weil ich zu weit gegangen war und schloss aus ihrer Anklage, dass die Polizei sofort zu kommen hatte. Das überraschte mich völlig.
„Und ich finde, D u solltest bei der Polizei anrufen!“
„Warum ich?“
„Zum einen, weil du Gina aus dem Konzept gebracht hast.“
„Ich geb’s ja zu“, räumte ich ein.
Etwas zugeben und daraus Konsequenzen zu einem bestimmten Handeln zu ziehen, war bei unserer Art des Umgangs zwei paar Stiefel. Im Gegenteil! Ein vages Schuldeingeständnis zu machen, verminderte die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Konsequenz in Handlung manifestierte. Folgerungen erübrigten sich dadurch meist oder wurden wieder fallengelassen.
„Zum anderen, weil Du als Mann mehr Autorität verkörperst. Du kannst überzeugender darstellen, dass es für alle Beteiligten eine Gefahr bedeutet, wenn jemand in die Wohnung, das Zimmer einer schwachen Frau eingedrungen ist, auch wenn er letztlich nur ein Kuscheltier entwendet hat und niemand ernsthaft an Körper und Gegenständen zu Schaden gekommen ist. (Sie war wach, eindeutig.) Umso gefährlicher. Das kann ein Psychopath sein, ein total Verrückter, nicht nur ein Liebhaber Ginas, wie sie vielleicht glaubt. Mann, da muss die Polizei sofort vorbeischauen, Protokoll aufnehmen, etwas tun, wenn auch nur...“
„Ich versteh Dich!“, sagte ich, obwohl mir durchaus nicht wohl dabei war, den Behörden Druck zu machen. Aber irgendwie lag alles im Grünen Bereich. Soll die Polizei sofort kommen, sie würden schon keine Spuren von mir entdecken, nein, das glaubte ich nicht. Oder?
Ich befand mich in einer Zwickmühle. Weigerte ich mich, würde mein Verhalten in ein verdächtiges Licht geraten. So aber, wenn ich was tat, entlastete ich mich letztlich.
Das gab den Ausschuss! Beiße in den saueren Apfel, um von dir abzulenken.
Ich warf all meine Überzeugungskraft in die Waagschale und siehe da, ein Mann hat doch mehr Chancen bei der Polizei als eine Frau, oder eine, die nur Rotz und Wasser heult, so gesehen.
Jedenfalls erklärte der Polizeisprecher am Telefon die Bereitschaft, mal morgen gleich einen Beamten vorbeizuschicken. Vielleicht beabsichtigten sie auch etwas anderes, als nach dem Täter zu suchen? Vielleicht waren die nicht ganz sauber, würden die Beamten denken. schauen wir einmal in diesem Haus vorbei, bei den Mitbewohnern deutet vieles darauf hin, dass die nicht ganz dicht, äh, irgendwie komisch waren oder was hätten Sie gedacht, wenn Menschen behaupteten, ein Stoffhund wäre entführt worden, mitten aus einer Wohnung heraus, die sich im ersten Stock befand? Und die Besitzerin war nicht Frau Rothschild, Frau Schickedanz oder sonst eine Millionärin?
Gebärdete sich aber nichtsdestotrotz wie selbige, wenn nicht schlimmer.

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