Brief an Hochwürden Bergamotte

Brief zum Thema Seele

von  LotharAtzert

Seele statt Emotion - einverstanden! (Du weißt aber schon, daß der Buddhismus jede Art von unveränderlicher Substanz zurückweist, aber gut, daran soll es nicht scheitern, gibt Schlimmeres.)
Seele gleich Emotion. Wir Schüler der Münchner Rhythmenlehre, quasi mein zweites Standbein, wir sprechen da vom 2. Quadranten. Der erste ist die Erscheinung und der zweite eben jetzt die lebenspendende Seele, gebildet aus den drei archetypischen Zeichen: Krebs, Löwe und Jungfrau.
(Das ist nicht ein "Glaube", sondern die Möglichkeit eines geordneten Verstehens unseres Daseinsprinzips. Je mehr sich dieses aus dem Kreisen selbst erschließt, umso tiefer offenbart sich darin das Uni-Versum.)

"Atzertonisches Steingemeißele" ist das nicht, aber du liegst natürlich auch nicht ganz falsch - du spürst aus meinen Sätzen den Saturn-Pluto im Löwen. Saturn ist der Archetyp der Zeit, der Himmelsordnung, und Pluto, wenn verdrängt, die Zwangsvorstellung, ansonsten auch die Bindung an Begegnendes. Sinnzusammenhänge sind das. Beides zusammen wurde von Döbereiner mal als Moses-Konstellation bezeichnet - wegen des Meißelns der biblischen Gesetzestafel und so. Und ein anderer Autor spricht von "zerstört jeden Witz, jede Leichtigkeit" - darin erkenne ich mich schon manchmal. Aber wir sollten beim Thema bleiben.

Andere beschnüffeln, schreibst du - nee, bei meinem chronischen Schnupfen ist das keine Option, bringt uns aber auch nicht dem Thema der Seele näher. Und "... innerlich ängstlich zitterndes kleines Menschlein" - da verspottest du mich auch noch  arg, das ist Stuß! Meine sowie deine Befindlichkeit spielt bei der Suche, was denn Seele genau ist, keine Rolle. Im Gegenteil, man muß es unvoreingenommen aus der Distanz betrachten, sonst verliert man sich im Detail und ergänzt es durch Vorstellungen.

Also: Seele, deren irdisches Leben vom Herzschlag abhängt,  definiert die Rhythmenlehre als 1. Empfindung, 2. Ausdruck des Empfundenen, sowie 3. der Aussteuerung des Subjekts gegenüber den objektiven Gegebenheiten in der Welt und dem Ausgedrückten - gemäß den genannten Zeichen Krebs, Löwe, Jungfrau. Krebs=Empfinden, Löwe=Ausdruck (Kreativität) und Jungfrau=Vernunft. Diese Drei entsprechen dem 4, dem 5. und dem 6. Haus.
Das ist Telegrammstil und entsprechend lückenhaft, liefert aber eine glasklare dreifache Deutungsgrundlage - mit der Einschränkung, daß das Prinzip des 4, Quadranten, oder wie es bei Aristoteles genannt wird, der Causa finalis, natürlich zuerst verstanden werden muß, da die anderen drei Quadranten bloß Erscheinung, Seele und Geist dieses Daseinsprinzips verkörpern. Eins erwirkt das nächst, links herum, rechts herum und gegenüber ist immer das, was dem Zeichen, in welchem die Sonne steht, am meisten fehlt: beim Krebs fehlt der Steinbock, beim Gipfel das Tal.  Beim Löwe der Wassermann und bei der Jungfrau die Fische - entsprechende Gleichungen darfst du selbst finden.
So. Mehr wäre zuviel.
Gehabe dich wohl und sammle dich im Gebet.

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Kommentare zu diesem Text

Hannah (72)
(28.03.19)
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 LotharAtzert meinte dazu am 28.03.19:
Danke. Naja, ich tue, was ich kann.
Wie - du ahnst nicht, wem dies gilt?? Der wird nicht allzu viel verstehen (wollen), fürchte ich.

Gruß
Lothar
MichaelBerger (44) antwortete darauf am 29.03.19:
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 LotharAtzert schrieb daraufhin am 30.03.19:
Aber meistens doch: 'Lasset die Windlein zu mir kommen'.

Antwort geändert am 30.03.2019 um 09:49 Uhr
Easy (32)
(28.03.19)
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 LotharAtzert äußerte darauf am 28.03.19:
Ich hoffe doch, du bist nicht beleidigt, das täte mir leid. Wir beide haben sicher eine Quadratur mit irgendwas, da es immer wieder mal zu kleinerem Mißverstehen kommt. Du sollst jedoch wissen, daß ich keinerlei Feindseligkeiten hege und Kritik zwar nicht immer, aber immer öfters zu schätzen weiß.

Ein Astroabitur gibt es bei der Münchner Rhythmenlehre nicht. Der Adressat, ja also, keine Ahnung, der muß vielleicht erst noch die Welt retten.

Das Thema Daseinsprinzip ist mein Lieblingsthema. Die Texte werden zwar meistens gut gelesen, aber Kommentare bekommen nur die inhaltlich Seichteren. Insofern: doppelten Dank.
Dir auch einen schönen Tag, Easy
Easy (32) ergänzte dazu am 28.03.19:
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 LotharAtzert meinte dazu am 29.03.19:
Oh ich liebe Heidegger und Hölderlin! Danke!
MichaelBerger (44) meinte dazu am 29.03.19:
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 Dieter Wal (28.03.19)
In "Vision und Dichtung - Der Charakter von Dantes göttlicher Komödie", 1946, vergleicht Romano Guardini die Vorstellung von Seelen im 11. Gesang von Homers Odyssee mit Dantes Weg durch Hölle und Himmel und seinen dort dargestellten Seelen. Das Buch bietet im meinen Augen eine ideale Einführung in Dantes Göttliche Komödie, wobei Guardini den Gedanken ausbreitet, inwieweit Dante ein prophetisches Epos schrieb und authentisch als solcher schreibt. Er fragt, ob nicht echte seherische Erfahrungen dem Epos zugrunde liegen. Eine in meinen Augen reizvolle gute Frage. Guardini meint, die Seelen bei Homer sind Schatten ihrer selbst, Abbilder ohne Erinnerung und Leben. Sie trinken durstig den Lebenssaft des Opferblutes. G. ordnet diese völlig untergeordnete Vorstellung des Begriffs Seele im Epos der durch Homer vertretenen theologischen Vorstellung zu, nach der den chthonischen Göttern durch Homer ein untergeordnete Bedeutung zukommt und mit ihr der Vorstellung eines Lebens nach dem Tod. Völlig anders dagegen wirken die von Dante dargestellten Seelen, gleich ob in Hölle oder Himmel. Sie sind sehr plastisch und vital dargestellt und verfügen über volle Bewussheit und Erinnerungen ihrer Leben.

Die verschiedenen Vorstellungen über Seele beschreibt der Wikipediaartikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Seele

Im vielleicht schönsten antiken Märchen der Griechen von Lucius Apuleius (124-180 n. Chr.) aus dem wohl ersten eigentlichen Roman überhaupt, dem "Goldenen Esel", dem Märchen von Amor und Psyche, wird eine glückliche erotische Verbindung des Liebesgottes mit der weiblichen Seele als Frau dargestellt. Das Märchen kann sowohl als Liebesgeschichte, als auch Parabel und Allegorie verstanden werden. Darin spiegelt sich auch die im Späthellenismus nicht allein im Chistentum mit entstandene Vorstellung einer unsterblichen Seele.

Dass Seele gleich Emotion ist, kann nur bejaht werden. Die Vorstellungsbreite mit oder ohne Erinnerung, mit oder ohne Leben nach dem Tod, mit oder ohne eigentliche Persönlichkeit oder individuelle Handlungsfähigkeit kann die verschiedensten Formen im Lauf der Zeiten und Kulturentwicklungen annehmen. Die Verschiedenheit der Vorstellungen sagt mir zu. Mir persönlich bedeutet ein Leben nach dem Tod nichts. Ich kann gut ohne leben.

Kommentar geändert am 28.03.2019 um 21:50 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 29.03.19:
Romano Guardini gehörte zu den Favoriten des verstorbenen Wolfgang Döbereiners, von daher kenne ich den einen oder anderen Satz von ihm und die gefielen mit auch recht gut. Ansonsten ist es so: kenntest du nur eine Stanze von Hölderlin und richtetest dein Leben nach ihr aus, wäre der Gewinn um ein vielfaches größer, als wenn du die ganze Weltliteratur bis zur letzten Seite gelesen hättest, alles zitieren könntest, aber nichts daraus in den Alltag integriertest. Aus dem Grund werde ich nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, daß die tägliche Praxis entscheidend ist. Das scheint unter westlichen Intellektuellen ein böhmisches Dorf zu sein: die tägliche Praxis zur Reinigung von Körper, Rede und Geist.
Falls du nun zu diesem Gedanken mehr lesen möchtest, findest du ihn in "Meditationssutras des Mahayana-Buddhismus, Band 1" unter "Das Diamant-Sutra", Origo Verlag Zürich. (Ein Kapitelchen darüber habe ich im kV bereits geschrieben)

Was die Seele ist, tut sie selber kund, sobald man sich ihr nähert, was nichts anderes bedeutet, als das Ego zur Ruhe zu bringen und schon sind wir wieder beim Praktizieren, denn von selbst wird kein Ego jemals schweigen. Es plappert und plappert und plappert ... Das soll jetzt nicht gegen ein Lesen der Werke vom Homer, Dante usw, gesagt sein, sondern lediglich auf die Gefahr aufmerksam gemacht, sein Leben mit den Erfahrungen anderer zu verbringen und sich aufgrund des Angelesenen eine Seele vorzustellen. Diese Gefahr der Seelenvorstellung durch angelesenes Wissen sehe ich zum Beispiel bei meinem Hochwürden Bergamotte.

"Mir persönlich bedeutet ein Leben nach dem Tod nichts. Ich kann gut ohne leben."
Am ersten Teil tust du gut daran. Über den zweiten Satz ließe sich einwenden, daß du ebenso gut oder sogar besser mit leben könntest. Im nondualen Vajrayana werden Unterscheidungen zwischen Diesseits und Jenseits völlig ad absurdum geführt, aber wie gesagt: praktizieren, einatmen, ausatmen, einatmen ...

Danke für deinen ausführlichen Kommentar.

 Dieter Wal meinte dazu am 29.03.19:
"Aus dem Grund werde ich nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, daß die tägliche Praxis entscheidend ist. Das scheint unter westlichen Intellektuellen ein böhmisches Dorf zu sein: die tägliche Praxis zur Reinigung von Körper, Rede und Geist."

"Über den zweiten Satz ließe sich einwenden, daß du ebenso gut oder sogar besser mit leben könntest. Im nondualen Vajrayana werden Unterscheidungen zwischen Diesseits und Jenseits völlig ad absurdum geführt, aber wie gesagt: praktizieren, einatmen, ausatmen, einatmen ..."

Wenn mir ein Leben nach dem Tod gleichgültig ist, liegt das nicht an einer Theorie, sondern einer Gotteserfahrung. Sie war so überwältigend, dass es für mich danach völlig gleichgültig schien, ob es ein solches Leben gäbe oder nicht. Als zerschmölze Schnee unter der Sonne. Nicht einmal auch nur ansatzweise entscheidend war es, ob die Erfahrung nun "echt" oder was auch immer war. Sämtliche Vorstellungen, die ich davor darüber hatte, verdampften. Ich sprach mit so gut wie niemandem darüber. Jahre später entdeckte ich Theologia Negativa. Dafür passte die Erfahrung perfekt. Es gab demnach doch eine Schublade, in die ich mich damit einordnen konnte. Was Rudolf Otto in "Das Heilige" auf seine Weise beschrieben hatte, war mir genauso begegnet. Auch Otto hatte eine prägende Erfahrung, bevor er seinen Bestseller von 1924 schrieb.

Für mich sind die Vorstellungen über Seele und Leben sehr interessant. Nur sind sie für mich nicht fixiert. Ich habe keine Meinung, doch finde Gedanken anderer darüber wie zB Homers oder Dantes wundervoll. Heute las ich in Amor und Psyche und erfreute mich am Reichtum der Sprache des Apuleius. Er ist in meinen Augen ein Autor, dessen Schriften mit zu den kostbarsten der Menschheit gehören.

Mir ist Buddhismus sympathisch. Es gibt in meiner Wohnung keine eigentlich christlichen Darstellungen. Hauptsächlich buddhistische, gefolgt von hinduistischen, altgriechischen und altägyptischen. Derzeit vertiefe ich mich in Meister Eckehart. Vorher beschäftigte mich Hesekiel 37,1-14. Mir sagt es auch heute noch sehr viel, was er an seine babylonischen Mitverschleppten richtete. Und erst im Original. Unglaublich schön. Es hat eine Wucht und sprachliche Kraft, da können Spätere einpacken.

Dem von dir erwähnten " nondualen Vajrayana" werde ich nachgehen. Mal sehen, was ich davon da habe. Danke für den Hinweis.

Antwort geändert am 29.03.2019 um 17:44 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 30.03.19:
Auch die Münchner Rhythmenlehre ist vom Feinsten und weit davon entfernt, das zu sein, was das Volk verächtlich Astrologie nennt. Zum Beispiel ist die Seele, dir wir als 2. Quadranten identifiziert haben, aufgrund ihrer Lage subjektiv, während der dritte, "geistige" Quadrant mit Waage, Skorpion und Schütze objektiv ist. Da gibt es dann kein Rumgestochere a la Bergamotte, sondern allein durch ihre Lage sind die Bedeutungen definitiv nicht zufällig.
Alle vier Übergänge entsprechen denen der Jahreszeiten und schon deshalb ist der Kreis mir seinem Kreuz ein wunderbares Ordnungs- und Meditationsobjekt.

"Sie war so überwältigend, dass es für mich danach völlig gleichgültig schien, ob es ein solches Leben gäbe oder nicht."
- ja, das übersteigt natürlich alle Spekulationen und gehört zum 4, Quadranten, der Causa finalis, oder, wie wir sagen, dem Daseinsprinzip, (Fische-Wassermann-Steinbock) welches Gewissheit verleiht.

Antwort geändert am 30.03.2019 um 09:35 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 30.03.19:
"während der dritte, "geistige" Quadrant mit Waage, Skorpion und Schütze objektiv ist. Da gibt es dann kein Rumgestochere a la Bergamotte, sondern allein durch ihre Lage sind die Bedeutungen definitiv nicht zufällig.
Alle vier Übergänge entsprechen denen der Jahreszeiten und schon deshalb ist der Kreis mir seinem Kreuz ein wunderbares Ordnungs- und Meditationsobjekt."

Experimentierte numerologisch mit Geburtstagen. Kannte sämtliche Personen, deren Geburtstage ich auf Quersumme hin mit den mir bekannten Eigenschaften verglich. Nach einer Tarot-Lese-Art wurde immer eine Persönlichkeits- und Wesenszahl (also jeweils zwei verschiedene) ermittelt. Tarot-Karten allein waren mir zu wenig. Also erstellte ich eine Liste, auf der wie bei esoterischen Tarot-Karten mehr oder weniger üblich mehrere weitere Symbolsysteme enthalten waren. Ich wählte 1. hebräische Buchstaben. Dazu hatte ich in ihren Symboliken reichhaltige Sekundärliteratur. 2. Futhark-Runen. Ich mag Schriftgeschichte im Vergleich und finde ihre skandinavisch-germanische Symbolik bildschön. 3. Astrologische Symbole. 4. Altgriechische Buchstaben, 5. Lateinische Buchstaben. Tarot-"Jahreskarten" lassen Zyklen und Symmetrien erkennen, zeichnet man mehrere Jahrzehnte auf. Die individuellen "Persönlichkeits"- und "Wesenszahlen" sind in ihren unverwechselbaren Bezügen auf konkrete Personen und Eigenschaften erstaunlich. Vieles hat tiefen Sinn. Dennoch enthalten solche "magische" Methoden keine eigentliche Logik, sondern es sind assoziative und strukturalistische Methoden zur Lebenserforschung, mithin künstlerische Mittel, jedoch durchaus keine Mittel, die wissenschaftlich sein können oder wollen. Es blieb in meinen Augen eine erhebliche Unschärferelation. Keine Wissenschaft, Parawissenschaft. Eine wie das Wort "Para" bezeichnet, danebenliegende Form von Erkenntnisbildung. Zum Rationalen finden sich zahlreiche Entsprechungen, jedoch liegt eine vorwissenschaftliche, durchaus auf ihre Art wertvolle Form vor. Doch nicht mehr. Die von mir erwähnte Liste hatte den Vorteil, dass sie völlig divergente Vorstellungen und Mythologien enthielt und dadurch eine relativ große, bunte und vielfältige Vorstellungsbreite erzeugte.

Dass der von dir erwähnte Astrologe ein guter Lehrer war, glaub ich. Divinatorik war für mich ein interessantes Experiment. Dagegen sehr viel brachte mir Auseinandersetzung mit Buchstaben und Zahlen-Palindrom-Quadraten. (Verfasste etliche auf Althebräisch, Latein, Englisch, Deutsch und mit verschiedenen Schriftsystemen. Bei Altassyrisch ging ich nicht tiefer in die Schriftgeschichte.) Interessante Wirkungen. Sie lassen sich mit dem Malen eines Bildes vergleichen. Das oben erwähnte numerologische Experiment war nur ein kleinerer Seitenast davon. Ihre vierfache symmetrische Anordnung empfand ich als ausgesprochen wohlltuend und weiterführende Auseinandersetzungen und Gespräche darüber waren wundervoll.

"4, Quadranten, der Causa finalis, oder, wie wir sagen, dem Daseinsprinzip, (Fische-Wassermann-Steinbock) welches Gewissheit verleiht."

In der Kabbala wird von Aziluth gesprochen.


"kenntest du nur eine Stanze von Hölderlin und richtetest dein Leben nach ihr aus, wäre der Gewinn um ein vielfaches größer, als wenn du die ganze Weltliteratur bis zur letzten Seite gelesen hättest, alles zitieren könntest, aber nichts daraus in den Alltag integriertest. "

Sehe ich auch so. Hölderlin schrieb keine Stanzen. Seine lesenwerten ersten metrisch-gereimten Gedichte sind an Schillers angelehnt. Ich lebe mit einigen von ihnen und lernte sie auswendig. Das mache ich bei Gedichten, die mir etwas bedeuten, immer.

Antwort geändert am 30.03.2019 um 11:26 Uhr

Das ist eins von Hölderlins Gedichten, das ich liebe:

Der Jüngling an die klugen Ratgeber

Ich sollte ruhn? Ich soll die Liebe zwingen,

Die feurigfroh nach hoher Schöne strebt?

Ich soll mein Schwanenlied am Grabe singen,

Wo ihr so gern lebendig uns begräbt?

O schonet mein! Allmächtig fortgezogen,

Muß immerhin des Lebens frische Flut

Mit Ungeduld im engen Bette wogen,

Bis sie im heimatlichen Meere ruht.



Des Weins Gewächs verschmäht die kühlen Tale,

Hesperiens beglückter Garten bringt

Die goldnen Früchte nur im heißen Strahle,

Der, wie ein Pfeil, ins Herz der Erde dringt.

Was sänftiget ihr dann, wenn in den Ketten

Der ehrnen Zeit die Seele mir entbrennt,

Was nimmt ihr mir, den nur die Kämpfe retten,

Ihr Weichlinge! mein glühend Element?



Das Leben ist zum Tode nicht erkoren,

Zum Schlafe nicht der Gott, der uns entflammt,

Zum Joch ist nicht der Herrliche geboren,

Der Genius, der aus dem Aether stammt;

Er kommt herab; er taucht sich, wie zum Bade,

In des Jahrhunderts Strom und glücklich raubt

Auf eine Zeit den Schwimmer die Najade,

Doch hebt er heitrer bald sein leuchtend Haupt.



Drum laßt die Lust, das Große zu verderben,

Und geht und sprecht von eurem Glücke nicht!

Pflanzt keinen Zedernbaum in eure Scherben!

Nimmt keinen Geist in eure Söldnerspflicht!

Versucht es nicht, das Sonnenroß zu lähmen!

Laßt immerhin den Sternen ihre Bahn!

Und mir, mir ratet nicht, mich zu bequemen,

Und macht mich nicht den Knechten untertan.



Und könnt ihr ja das Schöne nicht ertragen,

So führt den Krieg mit offner Kraft und Tat!

Sonst ward der Schwärmer doch ans Kreuz geschlagen,

Jetzt mordet ihn der sanfte kluge Rat;

Wie manchen habt ihr herrlich zubereitet

Fürs Reich der Not! wie oft auf euern Sand

Den hoffnungsfrohen Steuermann verleitet

Auf kühner Fahrt ins warme Morgenland!



Umsonst! mich hält die dürre Zeit vergebens,

Und mein Jahrhundert ist mir Züchtigung;

Ich sehne mich ins grüne Feld des Lebens

Und in den Himmel der Begeisterung;

Begrabt sie nur, ihr Toten, eure Toten,

Und preist das Menschenwerk und scheltet nur!

Doch reift in mir, so wie mein Herz geboten,

Die schöne, die lebendige Natur.


Es gibt zwei Versionen. Das ist die zweite.

Dieses zitierte öfter mein Vater. Er machte mich auch mit dem vorigen bekannt.

Hast du Verstand und ein Herz, so zeige nur eines von beiden!
Beides verdammen sie dir, zeigest du beides zugleich.

Antwort geändert am 30.03.2019 um 18:25 Uhr

Oder das:

Eines zu sein mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen.

Eines zu sein mit Allem, was lebt, in seliger Selbstvergessenheit wiederzukehren ins All der Natur, das ist der Gipfel der Gedanken und Freuden, das ist die heilige Bergeshöhe, der Ort der ewigen Ruhe, wo der Mittag seine Schwüle und der Donner seine Stimme verliert und das kochende Meer der Woge des Kornfelds gleicht.

Eines zu sein mit Allem, was lebt! Mit diesem Worte legt die Tugend den zürnenden Harnisch, der Geist des Menschen den Zepter weg, und alle Gedanken schwinden vor dem Bilde der ewigeinigen Welt, wie die Regeln des ringenden Künstlers vor seiner Urania, und das eherne Schicksal entsagt der Herrschaft, und aus dem Bunde der Wesen schwindet der Tod, und Unzertrennlichkeit und ewige Jugend beseliget, verschönert die Welt.

Auf dieser Höhe steh ich oft, mein Bellarmin! Aber ein Moment des Besinnens wirft mich herab. Ich denke nach und finde mich, wie ich zuvor war, allein, mit allen Schmerzen der Sterblichkeit, und meines Herzens Asyl, die ewigeinige Welt, ist hin; die Natur verschließt die Arme, und ich stehe, wie ein Fremdling, vor ihr, und verstehe sie nicht.

Ach! wär ich nie in eure Schulen gegangen. Die Wissenschaft, der ich in den Schacht hinunter folgte, von der ich, jugendlich töricht, die Bestätigung meiner reinen Freude erwartete, die hat mir alles verdorben.

Ich bin bei euch so recht vernünftig geworden, habe gründlich mich unterscheiden gelernt von dem, was mich umgibt, bin nun vereinzelt in der schönen Welt, bin so ausgeworfen aus dem Garten der Natur, wo ich wuchs und blühte, und vertrockne an der Mittagssonne.

O ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt, ein Bettler, wenn er nachdenkt, und wenn die Begeisterung hin ist, steht er da, wie ein mißratener Sohn, den der Vater aus dem Hause stieß, und betrachtet die ärmlichen Pfennige, die ihm das Mitleid auf den Weg gab.

https://gutenberg.spiegel.de/buch/hyperion-264/4

Antwort geändert am 30.03.2019 um 19:10 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 31.03.19:
Ist dir eine Zuordnung astrologischer Symbole mit Zahlen bzw. Buchstaben bekannt? Da ich nicht nicht bei Agrippa fündig wurde, übernahm ich sie aus einer Korrespondenz-Tabelle Crowleys in seinem Buch Toth. Verglich alle anderen ihrer Zurdnungen und fand sie koscher. Er übernahm die meisten Buch-Inhalte aus Golden Dawn-Instruktionsmaterial.

Antwort geändert am 31.03.2019 um 10:32 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 31.03.19:
"Bis sie im heimatlichen Meere ruht." (Hölderlin ist auf 0° Widder geboren, wie übrigens auch J.S.Bach, da spielt das Meer resp. Neptun stets die Hauptrolle)

Ich fang mal hinten an: Mir ist nur, wie könnte es auch anders sein, die Zuordnung der Zahlen zu den Zeichen von Wolfgang Döbereiner bekannt, aber selbst da müsste ich erst wieder nachschlagen, denn ich arbeite, mit wenigen Ausnahmen, im Alltag nicht damit. (dh. ich mach keine astrol. Beratung)

Eine dieser Ausnahmen ist die dem Mondrhythmus zugeordnete Zahl 7. Der 7-Jahre Rhythmus ist der wichtigste. Praktisch sieht das so aus: Ein astrol. Haus gleich 7 Jahre, da siehst du immer, an welchem Punkt du angelangt bist und wenn dort ein Planet steht, (- oder in Opposition, oder Quadrat) ereignet sich dann das Entsprechende.
Am zweitwichtigsten ist lt. Döbereiner der 10-Jahre Rhythmus, den es den Sonnenrhythmus nennt.
(Ich mach später weiter, wg keine Zeit momentan. Du sollst nur wissen, daß ich dran bin!)

 Dieter Wal meinte dazu am 31.03.19:
"Du sollst nur wissen, daß ich dran bin!"

Danke. Ich freue mich darauf.

 Dieter Wal meinte dazu am 31.03.19:
Gematrie und Zuordnungen von Buchstaben für Zahlen findet sich in sehr alten Texten der Tora, weil Hebräer keine eigenen Zahlen für Rechnungen, sondern auch Buchstaben nutzten. Griechen zB übernahmen arabische Zahlen. So findet sich in der Johannesoffenbarung die berühmte gematrische Verschlüsselung 666 für Caesar Nero(n), die damals dafür sorgte, dass weniger Christen von Nero und Nachfolgern hingerichtet wurden. Es hätte ja zunächst jemand beweisen müssen, was 666 bedeutet. Und der Beweis erfolgte 2000 Jahre später. Ab dem 15./16. Jh. entstanden für alle möglichen Bereiche Korrespondenztabellen. Vor allem im Barockzeitalter gab es praktisch kein Gebiet, das nicht der Korrespondenzlehre zugeordnet wurde, was ich faszinierend finde.

 LotharAtzert meinte dazu am 01.04.19:
Ich vermute bei dir einen Pluto-Merkur, aber das ist ein anderes Thema.
Zu Hölderlin fiel mir noch ein 'Es ereignet sich aber das Wahre und mit diesem wird es sich wenden' - ein Satz, der von vielen Soldaten in den Schützengräben vollkommen falsch, nämlich in ihrem Sinne, ausgelegt wurde und so stürmten sie mit aufgepflanztem (auch ein schönes Wort!) Bajonett und mit Hölderlinworten auf den Lippen in den sicheren Tod. Immerhin wurde er damals noch vom Volk gelesen.

Ja Dieter, die mittelalterliche Sigillenlehre hat auch mich einmal interessiert, Agrippa usw. Kennst du Franz Bardon? Der lebte zwar im 20. Jh., hat aber lesenswerte Bücher verfasst, u.a, "Der Schlüssel zur wahren Quabbalah" und "Die Praxis der magischen Evokation" - sehr lesenswert! Aber ich bin da anders, als du, dh. ich merkte frühzeitig, daß es mir nichts bringt, wenn ich das alles inhaliere, dann kommt es zu Vermischungen des nur halb Verstandenen und am Ende hast du nichts davon. Ein Steinbock braucht Klarheit, nicht Vielfalt. Kurzzeitig war ich auch vom I-Ging fast besessen - dasselbe! - es war nur ein Herumstochern in den Rosinen. Freilich - ich sah etwa im Alter von 19 Jahren in einer Discco ein sehr schönes Groupi mit den Schafgarbenstengeln hantieren und beraten und das Bild hat mich natürlich auch beeinflußt. Ja, sowas gab es damals noch: Disco und l-Ging. Heute nicht mehr denkbar.

Als ich das erste mal einem begegnete, der als "erleuchtet" galt - Seine Heiliglkeit, der 16. Gyalwa Karmapa, inzwischen ist die 17. Reinkarnation bereits inthronisiert - fiel das alles von mir ab. Nur an der Münchner Rhythmenlehre hielt ich fest, da ihre Deutungsmethode auch jenseits allen Zweifels ist und ich ebenso wie beim Karmapa, ihrem Gründer Wolfgang Döbereiner begegnen durfte. Das "Auge in Auge" ist schon was ganz Besonderes.

 Dieter Wal meinte dazu am 01.04.19:
"Pluto-Merkur" Stier, Aszendent Löwe.

Hölderlin und 2. WK:

Mein Vater (*1928) berichtete, er hätte Hyperions Schichsalslied in seiner deutschen Schule in Sibiu (Herrmannstadt) in Rumänien, als Wand-Inschrift gelesen. https://de.wikipedia.org/wiki/Hyperions_Schicksalslied

Die Schlussstrophe sei ihm bedeutungsvoll erschienen.

Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahr lang ins Ungewisse hinab.



Bardon hielt sich unangenehmerweise für allwissend. Einer seiner "Schüler" teilte mit ihm dieselbe Selbeinschätzung. Er lebte als "Magier" von Amulettverkäufen und anderen Betrügereien und nutze die deutsche und österreichische Regenbogenpresse für seine PR. Bardons, rosenkreuzerische und theosophische Bücher verschenkte ich vor dem letzten Umzug.

Sigillen interessieren mich nicht. Sie können durch Zahlen-Palindrom-Quadrate erstellt werden. Mein Interesse an Buchstaben- und Zahlen-Palindrom-Quadraten war ästhetischer Natur. Mich interessierten ihre Strukturen, Herkunft, Funktionsweise, Wirkungen und Ideengeschichte. Abraham von Worms überliefert Buchstaben-Palindrom-Quadrate . Agrippa bringt neben hebräischen Buchstaben- entsprechende Zahlen-Quadrate, weshalb ich Buchstaben- und dazugehörige Zahlen-Quadrate schrieb.

Las Marie-Luise von Franz "Zahl und Zeit - Psychologische Überlegungen zu einer Annäherung von Tiefenpsychoogie und Physik" Zum I Qing und seinen mathematischen Strukturen lassen sich Parallelen zu Palindrom-Quadraten erkennen.

I Ging ist so komplex wie zuverlässig.

Zuordnungen astrologischer Symbole mit Zahlen bzw. Buchstaben bei Döbereiner gefunden?

Antwort geändert am 01.04.2019 um 22:32 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 01.04.19:
Die Zuordnungen muß ich dir zum größten Teil schuldig bleiben - ich habe den Band 3 verliehen und nicht zurück bekommen. An wen, weiß ich leider nicht mehr.
Aber Jupiter ist die 3, das ist so klar, wie ein Herbstnachmittag. Und Saturn die 4, das Kreuz. Die 11 ist der Karneval. pardon, der Wassermann mit sein Bewegungsprinzip Uranus, auch der Prinz vom Elferrat, vom 1. FC Köln usw.
Und - was fängst du damit an?

Mein letzter Kommentar war noch nicht zuende. Ich mache einen neuen Thread daraus, damit die Textwurst hier nicht ausufert und etwas Aktualität, die Geisel der Neuzeit, hinein gemischt wird. Homöopathisch verschüttelt sozusagen.
MichaelBerger (44)
(29.03.19)
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 LotharAtzert meinte dazu am 29.03.19:
O Oh du nennst das Codewort zur Schwärzung des Textes, bloß weil er auf der Liste zum Vorschlag zum Literatur-Nobellpreis war, bloß weil deiner abgelehnt wurde. Das ist gemein! Sogar hundsgemein.

 Teichhüpfer (29.03.19)
Wo die Seele sitzt, weiß man schon, aber mit dem Geist haben die Mediziner das Problem. Der menschliche Geist ist organisch unauffindbar.
MichaelBerger (44) meinte dazu am 29.03.19:
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 LotharAtzert meinte dazu am 29.03.19:
Und? Scherzt du?

Und wenn ja: warum?

Antwort geändert am 29.03.2019 um 22:05 Uhr

 Teichhüpfer meinte dazu am 29.03.19:
Das ist Interessant, die Zeit soll ja auch fast in messbarer Form, Wissenschaftlich nachweisbar existieren...

 LotharAtzert meinte dazu am 29.03.19:
Die Zeit - ja den Pimmel vom Uranus hat der Saturn abgehauen und so konnte ein sparsamer Schwabe die Uhr erfinden. Und zwischen den Millisekunden hofft man jetzt die Zeit zu erwischen.

Aber die Himmelsordnung entzieht sich dem Profanen.
(Hochwürden, wie gefällt Ihnen das?)

Antwort geändert am 29.03.2019 um 22:18 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 29.03.19:
"Wo die Seele sitzt, weiß man schon,"
- ja wo denn? Viele hätten sie gern im After, aber das ist natürlich Unfug. Die Seele sitzt im Herzen, jedenfalls bis zu unserm Tod.

 Teichhüpfer meinte dazu am 29.03.19:
Der liebe Gott sitzt im Herzen, und da soll Er auch gut behütet bleiben...die Selle allerdings in der Neurologie.

Antwort geändert am 29.03.2019 um 22:44 Uhr
MichaelBerger (44) meinte dazu am 29.03.19:
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 LotharAtzert meinte dazu am 29.03.19:
Hm … du meinst den Sellerie?

(das gehört natürlich eins höher. Ob die Zeit ein Bewußtsein hat?
Na klar!

Was ist knatschig - ein mongolischer Männername?

Antwort geändert am 29.03.2019 um 23:34 Uhr
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