Frei sein von .. , frei sein für .. , frohe Ostern!

Predigt zum Thema Reflexion

von  eiskimo

Was den Menschen frei macht, ihn befreien kann von seinem umtriebig-beschränkten Ego, das sind in meinen Augen die Kunst (Musik,Literatur,Malerei...) die Religion, die Wissenschaft (der Wissenschaft wegen!)  und sicher auch die Liebe, solange sie dem Anderen gilt.
Notre Dame barg und birgt (Gott sei Dank!) allein schon zwei dieser befreienden Elemente, wobei ich Notre Dame stellvertretend sehe für alle „heiligen Stätten“. Es sind erhabene Stätten, die der kleinkrämerischen Denke dieses Homo sapiens etwas entgegensetzen; etwas Größeres, das im klaren Kontrast steht zu einer achtlosen Betriebsamkeit, die bei vielen nur noch den persönlichen materiellen Vorteilen verhaftet ist.
Notre Dame könnte also dem, der sich darauf einlässt, die Augen für dieses „Andere“, ja, auch für die „Anderen“ öffnen – kurz: ihn befreien und ihn entdecken lassen, dass es mehr gibt als das möglichst gut belohnte Funktionieren in einer durchrationalisierten Erwerbswelt.
Vor ein paar Tagen habe ich hier geschrieben, dass ich mir wünsche, Notre Dame bliebe den Parisern erhalten als Zufluchtsstätte mitten in ihrer pulsierenden Metropole, die leider mehr und mehr Bühne für Luxus, vorfabriziertes Amüsement und eitle Selbstdarstellung wird.
Flucht meinte ich nicht im Sinne von Kirchen-Asyl, wobei sich Notre Dame sicher auch darin schon auszeichnete. Ich meinte es vor allem als Möglichkeit, einer offenbar nur noch dem Götzen des Marktes gehorchenden Welt entfliehen zu können.
Entfliehen, damit man seine Seele nicht verliert. Damit man, ohne zum Einsiedler irgendwo in den Bergen werden zu müssen,  mitten im Alltag der Großstadt noch erleben kann, was Spiritualität bedeutet. Damit man am Sonntag vielleicht dort mit seinen Kindern hin geht, damit sie eine Ahnung davon bekommen, besser noch:  mit allen Sinnen aufsaugen, wie toll ein Choral klingt, wie sich Gemeinschaft anfühlt, wie groß und wie großartig Kunst sein kann. Und dass man sich ruhig davor mal etwas klein machen kann.

PS: Ich bin in Frankreich aufgewachsen, dicht bei Paris. Mein Vater war Fotograf. Er sang auch in einem französischen Kirchenchor. Mit ihm „musste“ ich an vielen Wochenenden raus nach Chartres, Beauvais, Senslis und natürlich auch viele Male zu Notre Dame. Er liebte diese Kathedralen und hat mir im wahrsten Sinne dafür die Augen (und das Herz) geöffnet. Heute empfinde ich das als Geschenk. Ich habe da aber nicht nur „Kunst“ erlebt, sondern auch beseelte Menschen, Pilger, Suchende oder auch junge Leute, die sich in ihrer Freizeit bereit hielten, um Besuchern diese Kathedralen zeigen zu dürfen. Sie waren „frei“ dafür, so wie ich das eingangs meinte.

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (21.04.19)
Ein Geheimtipp wäre z.B. der Bamberger Dom. Die Stadt hat nur 100 000 Einwohner, blieb vom Krieg unversehrt und der Tourismus hält sich in Grenzen. Die Altstadt sieht noch aus wie im Mittelalter. An Wochentagen kannst du, wenn nicht gerade Führungen oder Gottesdienste sind, im Dom mit 0 bis 3 Menschen im Innenraum rechnen, so dass du ganz in Ruhe die Gotik auf dich wirken lassen kannst. Dort steht auch ne berühmte Steinfigur, der "Bamberger Reiter", während in Paris die Monumente vom Tourismus überlaufen sind, aber, ja, N.D. hat die größere Bedeutung. LG Gina

 eiskimo meinte dazu am 21.04.19:
Danke für den Tipp - es freut mich, dass es (noch) viele derartiger Oasen gibt, die zeigen, dass Menschen Großes und Schönes errichten können... Umso mehr tut es weh,dass immer wieder das Destruktive durchschlägt.
lG
Eiskimo

 TrekanBelluvitsh (21.04.19)
Klar, Religion macht frei. Sonst gäbe es ja nicht so viele bombing free lancers.

 eiskimo antwortete darauf am 21.04.19:
.. und Sport tötet! Immer wieder fallen Senioren beim Marathon tot um!

 TrekanBelluvitsh schrieb daraufhin am 21.04.19:
Was - der Sport - dann aber die Entscheidung des einzelnen war. Kein Marathonläufer schlägt einen anderen Marathonläufer tot, weil er den falschen Marathonlauf verehrt.
MichaelBerger (44) äußerte darauf am 21.04.19:
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Cora (29) ergänzte dazu am 21.04.19:
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Nimbus† (45)
(21.04.19)
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 eiskimo meinte dazu am 21.04.19:
Wenn mir die Stille eines Kirchenraumes hilft, mich von einer immer hektischeren, mich vereinnahmenden Welt zu lösen, ist das eine Art Befreiung. Wenn ich die Muße habe, einen ähnlichen Effekt in Gottes freier Natur zu erleben - umso schöner. Ich sehe da überhaupt kein Entweder-Oder.
Mit den Ostereiern hast Du aber völlig Recht....
lG
Eiskimo
Nimbus† (45) meinte dazu am 21.04.19:
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 eiskimo meinte dazu am 21.04.19:
Mir fehlt bei dem, was Du Kirche nennst (Nimbus) das Miteinander, die Gemeinschaft. Immer nur allein um sich selbst herum kreisen, das "trägt" nicht. Ich weiß nicht, ob Du einmal Chor gesungen hast, Volkstänze mitgemacht, einen Mannschaftssport ausgeübt - da entstehen Effekte, die schon beglückend sein können. Diese Gruppen-Erlebnisse hast Du eher in geschlossenen Räumen, miefig muss das da gar nicht sein.
Aber ich kann auch Deine "Gottesnähe" allein oben in einem Segelflugzeug nachempfinden - das muss "himmlisch" sein, aber auf die Dauer und nur das - das wäre es mir zu einsam.
lG
Eiskimo
Nimbus† (45) meinte dazu am 21.04.19:
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 eiskimo meinte dazu am 22.04.19:
Olala - da habe ich Dich falsch eingeschätzt, sorry! Aber es ist höchst interessant, wie unterschiedlich die Wege zu Gott (oder sowas) sind...
Ich finde das sehr schön zu lesen!
lG
Eiskimo
Nimbus† (45) meinte dazu am 22.04.19:
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 eiskimo meinte dazu am 22.04.19:
Ein sehr anschauliches Bild, das mit dem Teller und der Blattlaus. Die Größenverhältnisse, das glatte Geläuf.... Ein bisschen Grün wäre schön!
Und nicht verlaufen!
lG
Eiskimo
Nimbus† (45) meinte dazu am 22.04.19:
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Cora (29)
(21.04.19)
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 eiskimo meinte dazu am 22.04.19:
Finde ich Klasse, was Du da sagst - viel besser und klarer als mein Versuch!
Danke, auch für die Bemerkung zu meiner Familie.
Eiskimo
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