Die Turnschuhe des Escorts

Parodie zum Thema Kosmos

von  toltec-head

Doch welcher Weg führt zum Zeughaften des Zeuges? Wie sollen wir erfahren, was das Zeug in Wahrheit ist? Das jetzt nötige Vorgehen muss sich offenbar von jenen Versuchen fernhalten, die sogleich wieder die Übergriffe der gewohnten Auslegungen mit sich führen. Davon sind wir am ehesten gesichert, wenn wir ein Zeug ohne eine philosophische Theorie einfach beschreiben.

Wir wählen als Beispiel ein gewöhnliches Zeug: ein Paar Turnschuhe. Zu deren Beschreibung bedarf es nicht einmal der Vorlage wirklicher Stücke dieser Art von Gebrauchszeug. Jedermann kennt sie. Aber da es doch auf eine unmittelbare Beschreibung ankommt, mag es gut sein, die Veranschaulichung zu erleichtern. Für diese Nachhilfe genügt eine bildliche Darstellung. Wir wählen dazu ein bekanntes Gemälde von Jens Bisky, der solches Schuhzeug mehrmals gemalt hat. Aber was gibt es da viel zu sehen? Jedermann weiß, was zum Schuh gehört. Solches Zeug dient zur Fußbekleidung. Entsprechend der Dienlichkeit, ob zur Arbeit oder zur Freizeit, sind Stoff und Form anders.

Solche richtigen Angaben erläutern nur, was wir schon wissen. Das Zeugsein des Zeuges besteht in seiner Dienlichkeit. Aber wie steht es mit dieser selbst? Fassen wir mit ihr schon das Zeughafte des Zeuges? Müssen wir nicht, damit das gelingt, das dienliche Zeug in seinem Dienst aufsuchen? Zwei wie aus der Leibstandarte Adolf Hitler entsprungene,  blonde Jünglinge halten gemeinsam einen Nike in ihren Händen, um an diesem abwechselnd zu sniffen. Hier erst sind die Schuhe, was sie sind. Sie sind dies um so echter, je weniger die beiden total-narzisstischen Nazi-Twinks beim Sniffen an die eigentliche Zweckbestimmung der Schuhe, nämlich das an den Füßen Tragen, denken. Erst jetzt dienen die Schuhe wirklich. An diesem Vorgang des des Zeuggebrauches muss uns das Zeughafte wirklich begegnen.

Solange wir uns dagegen nur im allgemeinen ein Paar Schuhe vergegenwärtigen werden wir nie erfahren, was sdas Zeugsein des Zeugens in Wahrheit ist. Oder nehmen wir einen anderen Bisky, auf dem wir nicht einmal feststellen können, wo die Turnschuhe stehen. Um dieses Paar Turnschuhe ist nichts, wozu und wohin sie gehören könnten, nur ein unbestimmter Raum. Nicht einmal, wie auf einem Dritten Bild, mehrere volle Ladungen von Sperma kleben daran, was doch wenigstens auf ihre Verwendung hinweisen könnte. Ein Paar Turnschuhe und nichts weiter. Und dennoch.

Aus der dunklen Öffnung des ausgetretenen Inwendigen des Schuzeuges starrt die Mühsal der Arbeitsschritte des Arsch-Vertickers von Profession. In der derb-gediegenen Schwere des Schuhzeuges ist aufgestaut die Zähigkeit mit der das Penetrieren der immer gleichen Furchen älterer Kunden in Gang kommt. Plastik und Leder strömen einen leichten Triethylamin-Geruch aus und erinnern an Tod. Unter den Sohlen schiebt sich hin die Einsamkeit von Escort und Escort-Konsument, wenn beide später wieder in ihren getrennten Wohnklos hocken. In dem Schuhzeug schwingt der verschwiegene Zuruf der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft, ihr stilles Verschenken oder ihr unerklärtes Versagen des einzigen Dinges, das streng genommen noch res extra commercium ist: die männliche Erektion. Durch dieses Zeug zieht das klaglose Bangen um die Sicherheit des kleinen Zubrots zum Hartz4, die wortlose Freude, wenn es auch mal ausreicht, mit einem alten Knacker bloß zu reden, das Beben vor einem Tripper und das Zittern in der Umdrohung von Syphhillis und HIV, als wenn ganz normale Parodontitis und Fußpilz nicht schon schlimm genug wären oder die Rückkehr der Filzläuse. Zur Erde gehört dieses Zeug und in der Welt des Escorts ist es behütet. Aus diesem behüteten Zugehören ersteht das Zeug selbst zu seinem Insichruhen:

Noch unverrückt, o schöne Schuhe, schmücket ihr,
An euren Senkeln zierlich aufgehangen hier,
Die Decke des nun fast vergessnen Lustgemachs.
Auf euren weißen Seitenstreifen, deren Band
Ein abstrakt Gebild von goldengrünem Erz umflicht,
Schlingt fröhlich eine Swastika den Ringelreihn.
Wie reizend alles! lachend, und ein sanfter Geist
Des Ernstes doch ergossen um die ganze Form -
Ein Kunstgebild der echten Art. Wer achtet sein?
Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst.

Aber all dieses sehen wir vielleicht nur dem Schuhzeug im Bilde an. Der Escort dagegen trägt einfach die Schuhe. Wenn dieses einfache Tragen so einfach wäre. Sooft der Escort am späten Abend, oder eher am frühen Morgen, in einer harten, aber gesunden Müdigkeit die Schuhe wegstellt und am späten Nachmittag schon wieder nach ihnen greift, oder, wenn mal nix los ist, an ihnen vorbeikommt, dann weiß er ohne Beobachten und Betrachten all jenes. Das Zeugsein des Zeuges besteht zwar in seiner Dienlichkeit. Aber diese ruht in der Fülle eines wesentlichen Seins des Zeugs. Wir nennen es die Verlässlichkeit. Kraft ihrer ist der Escort eingelassen in den schweigenden Zuruf der Erde, kraft der Verlässlichkeit des Zeuges ist er seiner Welt gewiss. Welt und Erde sind ihm und denen, die mit ihm in seiner Weise sind, nur so da: im Zeug. Wir sagen "nur" und irren dabei; denn die Verlässlichkeit des Zeuges gibt erst der einfachen Welt ihre Geborgenheit und sichert der Erde die Freiheit ihres ständigen Andranges.


Anmerkung von toltec-head:

 Ausgesnifft

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Kommentare zu diesem Text


 Willibald (29.04.19)
Hm. HEIDEGGER und seine Überlegungen zu den Bauernschuhen im Gemälde vanGoghs.
Nach der Lektüre hier kommt mir H..s Text gar nicht mehr so doof und hyper vor..

Weiß der Teufel, warum.

Hallo! Antwort versuchen.

ww

 toltec-head meinte dazu am 29.04.19:
Jemand Oberschlaues, der weiß, wie man sofort schlechte Prosa erkennt:

https://vimeo.com/9524605

Aber Heidegger war mehr wie ein Forenliterat. Er wollte nicht gut, sondern mitreißend schreiben.

 Willibald antwortete darauf am 29.04.19:
Mehr wie oder mehr als oder beides?fragt (sich)
Oberschlau.

 toltec-head schrieb daraufhin am 29.04.19:
"Mehr wie oder mehr als oder beides"

Ein Changieren wie zwischen genetivus objectivus und genetivus subjectivus. Ich denke aber sicherlich mehr als beides.

Ist "res" eigentlich ein Pluraletantum?
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