Kalter Kaffee

Kurzprosa zum Thema Traum/ Träume

von  Moja

Hellbeleuchtet der Bahnhofseingang, die Tür offen, Gaststättenlärm. Wir treten ein. Kellner eilen vorüber, Tabletts auf den Armen, Geschirr und Speisen. Da sitzen wir nun, wo wir nicht sitzen wollten und lesen uns vor. Nichts als Zeichen und Texte. Wie uncharmant der Kellner, beschwert sich Gerd. Aus meinem grauen Pappkoffer hole ich einen Tischläufer heraus und breite ihn auf dem dunklen Holztisch aus. Dennoch, wir zweifeln am Essen und an der Literatur, und kommen von nun an immer wieder her.
  Frühzeitig bin ich da, sage einen Zauberspruch auf und siehe da: Aus meinem Koffer fliegt ein eleganter Tischläufer heraus, bordeauxfarben, ein Pfeffer-und-Salz-Muster, und bedeckt den schäbigen Tisch. Das hilft nicht wirklich.
  Dann eines Morgens, schon nach Acht, ich warte, kein Mensch kommt. So sitze ich eine Weile in der zugigen Halle, ziellos laufen Kellner herum, Gäste strömen herein und gleich wieder hinaus. Durch bodentiefe Fenster schaue ich ins Stadtzentrum, ein leerer Platz frühmorgens, ohne absehbares Ziel. Ich sitze in dieser Bahnhofshalle und lese wie in einem Zwischenraum, wo nicht mal der Kaffee schmeckt. Und als keiner kommt, gehe auch ich.

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Kommentare zu diesem Text


 Cathleen (02.06.19)
Deine Art zu schreiben erinnert mich an Michael Endes "Der Spiegel im Spiegel". Man kann die Bilder nicht rational erfassen. Aber man kann sie "im Kopf stehen lassen".
Das Einzige, was mich irritiert, ist dieses "ziellos laufen Kellner herum". Das funktioniert mMn nicht wirklich. "stehen herum" würde ich eher annehmen.
LG Cathleen

 FrankReich meinte dazu am 02.06.19:
@Cathleen. Sorry, meine Liebe, da widerspreche ich Dir, denn, und da hast Du recht, man kann die Bilder nicht rational erfassen, aber und da verbessere ich, man kann sie "im Kopf laufen lassen.", und genau hier kommen die Kellner ins Spiel, denn genug ist selten nur auch schon zuviel.

Ciao, Ralf

 Moja antwortete darauf am 02.06.19:
Danke an Cathleen und Ralf!
Das Buch von Michael Ende kenne ich leider nicht.

Ich verstehe den Text so, dass literarisch Interessierte sich treffen, unterschwellig schwingt Missklang mit, der auch nicht durch faulen Zauber, Dekoration übertüncht werden kann, sie gehen generell auseinander, dazu der Bahnhof als Motiv des Ankommens, Abfahrens, herumlaufende Kellner verdeutlichen die Sinnlosigkeit, Sinnentleerung. Ich denke trotzdem mal über das Herumstehen nach.

Grüße, Moja

 EkkehartMittelberg (02.06.19)
Es ist gar nicht so leicht, Texte zu schreiben, die nicht unsinnig sind, und dennoch kaum deutbar.
LG
Ekki

 Moja schrieb daraufhin am 02.06.19:
Genauso ist es, lieber Ekki!
Schmunzelnde Grüße,

Moja

 FrankReich äußerte darauf am 02.06.19:
Es ist aber auch gar nicht so leicht, Texte zu schreiben, die unsinnig sind, und dennoch deutbar.

Ciao, Ralf

 AchterZwerg (03.06.19)
Es geht um eine Stätte, in der man zu Gast ist.
Das kann ein Lokal sein, ein Hotel oder ein Forum.
Mit dem Service ist man nicht immer einverstanden. Zudem fehlt ein Tic Ästhetik, welcher der scheinbaren Gemeinsamkeit der Gäste die passende Unterlage verleiht.
Immer wieder kommen auch grundsätzlche Zweifel an der Location auf. Nicht alles passt und einiges verläuft sich in den Rillen des alten Tisches.
Aber:
... wir zweifeln am Essen und an der Literatur und kommen von nun an immer wieder her.

Lächelnde Grüße
der8.

 Moja ergänzte dazu am 03.06.19:
Ja, der Kernsatz natürlich, aus guter Distanz betrachtet!

Ich lächle zurück,
Moja
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