Brassens

Kalendergeschichte zum Thema Gemeinsamkeit

von  eiskimo

Am letzten Sonntag im Juni feiert man in Frankreich „La Fête des Voisins“. Überall trifft man sich mittags zu einem opulenten Picknick mit den Nachbarn. Da ich bei französischen Freunden in einem burgundischen Dorf weilte, war ich erstmals bei so einem Fest dabei.
Die Sonne war auch zur Stelle, und so konnten alle draußen die Camping- und Tapeziertische vollladen mit reichlich Knabberzeug, Charcuterie, diversen Tartes und Salaten sowie dem unverzichtbaren Wein.
Die ca. 50 Personen, die sich da einfanden, gehörten eher der älteren Generation an. Die Jungen, so erklärten mir meine Freunde, schliefen noch, da es am Vorabend den „Bal des Pompiers“ gegeben habe (den Feuerwehr-Ball) – es sei bis vier Uhr morgens getanzt worden.
So fielen mir die zwei jüngeren Männer auf – Mitte zwanzig, unrasiert, gar nicht festlich gekleidet – die sich ganz am Rande dieser nun laut parlierenden Runde niederließen. „Das sind gar keine Nachbarn,“ spekulierte ich einmal halb im Spaß – „die wollen nur kostenlos mitkonsumieren!“ „Nein, die sind sehr wohl von hier,“ klärten mich meine Gastgeber auf. "Das sind zwei Handwerker, die unten am Ortsende ein halb verfallenes Haus billig erworben haben und das jetzt peu à peu wieder in Stand setzen.“ Die beiden hatten nichts für das Büffet mitgebracht, hatte ich bemerkt. Und ordentlich zuschlagen, das konnten sie auch, vor allem beim Wein. Schmarotzer, dachte ich ein bisschen oberlehrerhaft bei mir.
Doch dann begann der Jüngere der beiden an zu singen. Und er sang gut. Er sang so nebenbei. Keiner hatte ihn angekündigt oder gar aufgefordert. Es hörte auch anfangs keiner der munter Speisenden zu. Doch dann kamen Lieder, die wohl in der Runde bekannt waren, jedenfalls stimmten ein paar der Gäste spontan mit ein.
„Brassens,“ klärten mich meine Freunde auf. „Der gehört bei uns zum allgemeinen Kulturgut. In den 60er-70ger Jahren war er das Idol der Nonkonformisten und antibürgerlichen Jugend – ein ganz großer Poet, unvergessen!“
Ja, und diesen Georges Brassens, den sang dann unser trinkfreudiger Handwerker. Chanson um Chanson, oft sechs oder sieben Strophen lang – alles aus dem Kopf. Der Kollege hatte derweil einen Cassettenrekorder aufgestellt, der zu den Liedern die Instrumental-Begleitung intonierte, so dass es ein richtiges Konzert wurde. Manche der Chansons wurden dann sogar im Chor mitgesungen. Es wurde gelacht und fröhlich applaudiert.  Französischer ging es nicht.
Die frechen Brassens-Texte, durchaus mit Spitzen gegen die „braven Bürger“, taten dem Nachbarschaftsfest keinen Abbruch. Im Gegenteil. Es wurde noch ein langer, harmonischer Nachmittag.


Anmerkung von eiskimo:

In Deutschland wären vielleicht H. Wader, R. Mey oder Degenhard mit Brassens vergleichbar

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Kommentare zu diesem Text


 Annabell (05.07.19)
Hallo eiskimo,
flüssig geschriebener Text, gern gelesen. Dafür ein *chen.
Aber bitte berichtigen:
... Knabberzeug (ein "r" fehlt)
... sang unser trinkfreudiger... (ein "r"fehlt)
... mitgesungen (ein Wort - zusammengeschrieben)
... mitkonsumiieren (ein Wort - zusammengeschrieben)

Ein schönes WE wümscht
Annabell

Kommentar geändert am 05.07.2019 um 09:09 Uhr

Kommentar geändert am 05.07.2019 um 09:11 Uhr

Kommentar geändert am 05.07.2019 um 09:17 Uhr

 eiskimo meinte dazu am 05.07.19:
Danke für das * und die Korrekturen - ich war noch zu sehr in den Melodien aus Frankreich gefangen....
Auch ein schönes WE
Eiskimo

 Isaban (05.07.19)
Meine Oma sagte immer: Jeder Gast trägt etwas zu einem gelungenen Gastmahl bei, und seien es auch nur ein paar Worte, ein Prosit oder die reine Würdigung der Speisen.
Sie hat zeitlebens nie jemanden "ungefüttert" aus dem Haus gelassen, ganz gleich, wie unerwartet oder wenig beliebt dieser Gast auch war, selbst wenn sie ihm dabei (in finanziell oder politisch ungünstigen Zeiten, deren ihr Leben viele kannte) den größten Teil ihrer eigenen Mahlzeit abtrat.
Jemand, der so singen kann, bringt etwas mit, das nur wenige bieten können.

LG Isaban

(Bei uns darf übrigens auch jeder mitessen, der uns den Schnatermann singt. )

 eiskimo antwortete darauf am 05.07.19:
Ich würde ja kommen, aber wer/was ist Schnatermann?
Brassens würde sagen
Les copains d´abord!
Eiskimo

 Isaban schrieb daraufhin am 05.07.19:
Der Held der Regenballade von Achim Reichel.

Antwort geändert am 05.07.2019 um 13:22 Uhr
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