Auftritt Michael.

Geschichte

von  Willibald

Illustration zum Text
Er hörte sie, zuerst leise, dann ganz genau, sie sagten, du kannst nichts, du bist nichts, du wirst nichts, du da vor dem spiegel.

Und michael betrachtete sich ganz genau, knochig die figur, langbeinig, wasserhelle augen, flaumhaare auf der oberlippe, hellbaune haare, ein mitesser auf dem kinn, ein farbloses gesicht, ein mund, der sich jetzt spöttisch verzog. Der fremde mund da, seiner.

Als sich sein gesicht dem spiegel näherte, beschlug das glas, die lippen berührten die lippen im spiegel und für einen augenblick blieb ihr abdruck stehen im hauch des atems.

Michael fiel der schminkkasten ein, der unter dem bett stand. Einige zerdrückte tuben, eine mit blauer, eine mit weißer farbe. Vor dem spiegel in position gehen, eine pose einnehmen, zwei blaue striche auf das silberglas ziehen, nicht auf das gesicht selber. Den kopf so bewegen, dass die augenbrauen mit den blauen strichen auf gleiche höhe kamen,  und dann den kopf pendeln lassen: die augenbrauen sind wieder zu sehen, die blauen striche daneben.

Er strich das weiß in das glas, eine maske entstand im spiegel, in die man das gesicht einpassen konnte, ein farbloses gesicht immer noch, jetzt verdeckt von der weißen maske. Wasserhelle, müde, kluge augen, aquamarin, pulsierende helle und für einen kurzen, fast beschämenden augenblick: er mochte sich.

Michaels hand berührte die kühle creme auf dem silbernen spiegel, die finger strichen über den ort der wange im spiegel, eine zarte rinne entstand. Dann tauchte er die finger in das blau und malte zwei blaue gezackte pfeile in das weiß. Dann sah er, wie sich seine faust ballte, eine kriegspfadfaust, er spürte, wie seine füße ihn trugen, davontrugen, in einem schwung, in einem schwung hinunter die treppen, hinaus auf die straße.

Der bürgersteig rieb an seiner sohle, die ballen rollten ab, der bürgersteig schleuderte ihn hoch. Michael war die echse, die das luftreich durchschnitt, seine augen sprühten funken, sein mund spie feuer. Und entsetzen packte die menschen, als sie seinen heißen atem spürten und die asphaltstraße zu kochen begann.

Ja, sie waren huschende, kuschende schatten, sie duckten sich wie der hahn vor dem geier, sie schwangen sich - erbärmliche gestalten - auf ihre tandems und beugten keuchend den kopf, als könne das ihre fahrt beschleunigen durch den zähen, dampfenden, fetten teer in die rettenden berge.

Doch der sturm brauste ihnen entgegen, die speichen sprangen aus den naben, die streichhölzer knickten wie telegraphenstangen und der drache, die echse, die blaugestreifte maske, sie sprach zu den kuschenden, verzagten schatten: „Ihr könnt keinen schritt tun, ohne dass ich es will. Und ich will nicht.“

Und sie schauten zu ihm auf, lautlos,  und seine stimme tönte aus dem silber und er redete mit zungen und er war, der er war, und er war alles, was sein würde.



........................
Leser-Kommentare zum Text und Gedanken dazu:

Liebe LottaManguetti,  Lluviagata, Aha, Isaban,  Cora, Jack, aliceandthebutterfly, Buchstabenkrieger, herzlichen Dank für die Rückmeldungen auf den Haupttext.  Hier ein paar Gedanken dazu.

Uns allen gut bekannt:  Was beim Texten abläuft,  erinnert an eine oft  seltsame Mischung aus Trance und Reflexion, Halbbewusstem und scheinbar ganz Bewussten. Außerdem: Man weiß aus Erfahrung mit Lesern und Autoren, wie komisch es sein kann, wenn sich ein Autor als Durchblicker und Herr seines Textes und der Deutungen  versteht. Daher jetzt nur das, was beim Lesen der Kommentare  besonders angeregt hat zum Nachdenken, und das auch nur eher aus der hohlen Hand formuliert:

1. Vorlage Margret Steenfatt und was daraus werden kann (Buchstabenkrieger)
Eine Geschichte von Margret Steefatt hat hier  Buchstabenkrieger und W.  zu eigenen Geschichten angeregt. Man vergleiche dazu die Exposition bei Steenfatt und deren Variation durch B. und W.

„Du kannst nichts“, sagten sie, „du machst nichts“, „aus dir wird nichts“. Nichts. Nichts. Nichts. Waswar das für ein NICHTS, von dem sie redeten und vor dem sie offensichtlich Angst hatten, fragte sichAchim, unter Decke und Kissen vergraben. Mit lautem Knall schlug die Tür hinter ihnen zu.Achim schob sich halb aus dem Bett. Fünf nach eins. Wieder mal zu spät. Er starrte gegen dieZimmerdecke. – Weiß. Nichts. Ein unbeschriebenes Blatt Papier, ein ungemaltes Bild, eine tonloseMelodie, ein ungesagtes Wort, ungelebtes Leben.
Margret Steenfatt: „Im Spiegel“ (1984)  (Erster Abschnitt)
Resonanz und Echo in der Michael-Geschichte
Er hörte sie, zuerst leise, dann ganz genau, sie sagten, du kannst nichts, du bist nichts, du wirst nichts, du da vor dem spiegel.
Und michael betrachtete sich ganz genau, knochig die figur, langbeinig, wasserhelle augen, flaumhaare auf der oberlippe, hellbaune haare, ein mitesser auf dem kinn, ein farbloses gesicht, ein mund, der sich jetzt spöttisch verzog. Der fremde mund da, seiner.
Als sich sein gesicht dem spiegel näherte, beschlug das glas, die lippen berührten die lippen im spiegel und für einen augenblick blieb ihr abdruck stehen im hauch des atems.

Als ich allein in der Küche war, fischte ich die Tube aus dem Abfalleimer. Ich verstaute sie in der Hosentasche und verzog mich in mein Zimmer.
Mehrere Wochen hatte ich warten müssen, bis ich endlich mein neuestes Stück ergattern konnte. Den Text auf dem Aufkleber der winzig kleinen Tube, der extrascharfen Chilipaste, kannte ich in- und auswendig. Inhaltsstoffe: Habanero, Bhut Jolokia, Knoblauch, Essig. Totenkopfsymbol für den höchsten Schärfegrad 10+++. So, wie mein Vater sein Gesicht verzog, war ihm die Paste wohl zu scharf. Und dabei hatte er bloß eine Messerspitze seinem großen Topf Chili beigemischt.
Unter dem Bett stapelten sich die alten Keksdosen. In ihnen bewahrte ich die zerdrückten Tuben. Andere in meiner Klasse sammelten Paninis oder Spielzeugautos. Meine Sammelstücke besaßen alle eine eigene Geschichte, die Erinnerungen in mir weckten. Ich legte also die Totenkopfpaste hinzu und hoffte, dass sie besser wirken würde als alles Bisherige.
Buchstabenkrieger

2. Das psychotische Motiv ( Isaban)
Mir scheint, die Geschichte hat einen ihrer Ströme in der Dynamik von Frustration/niedermachende Kritik/Verachtung und daraus resultierender Aggression und Größenphantasie.  Die imaginierte Metamorphose und Transformation. Die Echse ist das mächtige vernichtungsstarke Tier - in alten Mythen und in neueren bei Tolkien und Game of Thrones.

Die Übergänge von psychischer Störung zu Psychose sind dabei durchaus fließend. Mir scheint, dass hier von Krankheit bis hin zum irgendwie wirkungsvollen Selbstheilungprozess in der Rachephantasie etwas liegt, was auch der "normale" Leser nachvollziehen kann, vielleicht selbst erlebt hat.

3. Verdeckte religiöse Motive (Jack)
Der Name Michael ist im christlichen Mythos mit "Wer ist wie Gott" kombiniert: Die Michaelsfigur kämpft vernichtend gegen Engel, die sich anmassen,  wie Gott zu sein. Unser Protagonist fabuliert in einem Gedankenstrom "er war, der er war, und er war alles, was sein würde". Das kann an die Selbstaussage des AT-Gottes erinnern: "!Ich bin, der ich bin." Damit ist eine Art Selbstvergottung des Protagonisten fassbar. Der Michael dieser Geschichte erfreut sich an luziferischer Zerstörungswut  und kompensiert vielleicht - hoffentlich halbwegs erfolgreich - seine Geschichte passiver Demütigung. Jacks "Erzengelisierung" greift da. Auffällig auch die schon fast biblische Sprache und die Anklänge an die Apokalypse.

(4) Woher  die Bausteine stammen
Nun ja, bei Rumschnuffeln in alten Raabit-Ordnern vor zwei Wochen gefunden: Die Spiegelgeschichte von Margret Steenfatt.

Allerlei Martialisches von Jack gelesen, selber an die "300", den fiesen Film, rangegangen.
Den Hinweis  bei Jack auf Unbeweibtsein offensichtlich in Michaels Feuermetamorphose im Begriff "Tandem" hervorlugend.

In meiner Kinderzeit aggressive Rauschzustände nahezu beim Kriegsspielen in der Idylle des Untermains. Die Lieder der Don-Kosacken auf den Schallplatten der Eltern. Auf einem der Umschläge eine Michaelsfigur.

Vater liest dem Jungen den daktylischen Dietrich von Bern vor:
Riesenstark, adlig an Antlitz und Gliedern, wuchs Dietrich heran.  Lichtbraun wellte sich um die Schläfen das Haar. Versonnenen  Geistes litt er lang, wenn die Spielkameraden spottend den Schweigenden reizten, geriet er aber in Grimm, dann stoben sie schreiend vor Schrecken davon, denn jählings verkehrte er sich, daß er einem Dämon gleich anzusehen war: funkensprühend sträubte sich steilauf sein Haar, und aus der entbrannten Brust schlug ihm in heißer Lohe das Feuer zum Munde hervor.
Der Schriftsteller Elias Canetti schreibz, der Wald sei ein militärisches Symbol. „So wie die Bäume nebeneinander stehen, stehen die Soldaten.“ Mag ja sein. Der Forstwald. Der Hochwald erzieht sein Bäume, da vielleicht.  Der Wald, den ich um das Gaggellhaus und auf dem Grauberg hatte, der ist wild. Hexen leben darin, Ungeheuer, Drachen, Hänsel und Gretel, Rotkäppchen, das Unheimliche und das Heim (e-) liche.
Puh, im Untergrund findet sich aus dem Jahre 1933, immer wieder neu aufgelegt bei Rowohlt, ein autobiografischer Roman von Ernst von Salomon:
Ja, das sind sie, so sehen sie aus, die Kadetten. Da stehen sie in Reih und Glied, mit Fühlung, Richtung, Vordermann, die Knaben mit den noch runden, noch unausgebildeten Gesichtern, Gesichtern eines Typs, der noch von der verdammten Pflicht und Schuldigkeit weiß und von der Liebe zum Tode, wenn mit ihm einem Prinzipe gedient ist, und einem Staate, von diesem Prinzip geformt. Da stehen sie, mit ihren geschorenen Köpfen, die kleinen Rüpel, in die knappe, barbarisch-bunte Uniform aus rauhem Tuch gepreßt, bis oben hin durch goldene Knöpfe und einen harten bunten Kragen geschlossen, die kleinen Füße in genagelten Stiefeln, und auf den schmalen Schultern die unverhältnismäßig breiten Achselklappen. Ja, das sind sie, die Kadetten von Leningrad. Sie sehen ganz so aus, als würden sie, durch ein Kommando aus der Starre erlöst, mit wildem Geheul davonstürzen, um Europa zum Dessert zu verspeisen wie die «armen Ritter» .
Die Helden- und Bösewichtfiguren im amerikanischen Comic-Kosmos, mit ihrer Doppelexistenz.
Vor einer Woche nochmal die Exposition  der Steenfatt-Geschichte gelesen, dann das Ding ein bisschen setzen lassen und dann hat sich da so eine Pubertätsgeschichte rausentwickelt, ein  deprimierter Teenager mutiert vor dem bedrückenden Spiegelbild per indianischer Schminke zum feuerigen Echsen-Wurm und faucht  in Destroyermanier über die Kleinstadt.

Als die Geschichte fertig ist, in KV rumgeschnüffelt: Ei der Daus, da hat Buchstabenkrieger eine eher zurückgenommene, unkriegerische Variante. Mit dem Gag, dass der Vater wohl ein sexuelles Irritandum unwissentlich um sieben Ecken rum für den Sohn verhindert hat - und der Thomas  ist in der Überschrift dankbar. "Michaels Auftritt" unmittelbar nach Lektüre des Thomas gepostet und das Wort "Kriegspfadfaust" eingesetzt .

(Geheime Fäden wabernd und netzend wirken im Wirrsaaal des Forums, fast.)

greetse und herzlichen Dank in die Runde

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Kommentare zu diesem Text


 LottaManguetti (09.08.19)
Mein erster Gedanke: ein Schatten seiner selbst.
:)

Dein Text ist anspruchsvoll. Man liest ihn nicht so einfach runter, man muss sich konzentrieren, dabeibleiben und ggf. mehrmals lesen.
Schöner Text!

Lotta

 Willibald meinte dazu am 09.08.19:
Vielen Dank für die Rückmeldung, in einer Anmerkung zum Text der Versuch, mit den Rückmeldungen an den Michaeltext ranzugehen. Natürlich ohne Anspruch auf Durchblickerstatus.
greetse
ww

 Lluviagata (09.08.19)
Eine ähnliche Spiegelszene las ich gerade in einem anderen Text, der heute auch veröffentlicht wurde. Wobei mir deine auf eine andere Art gefällt, besser gefällt - sie ist spannender, angsteinflößender. Der ganze Text macht mir Gänsehaut. So muss das sein.

Liebe Grüße
Llu ♥

 Willibald antwortete darauf am 09.08.19:
Danke Dir, Llu,

die Michaelgeschichte ist von der gleichen Autorin angeregt wie die Spiegelgeschichte die dir schon aufgefallen ist: Steenfatt.

Vielen Dank für die Rückmeldung, in einer Anmerkung zum Text der Versuch, mit den Rückmeldungen an den Michaeltext ranzugehen. Natürlich ohne Anspruch auf Durchblickerstatus.
greetse
ww

Antwort geändert am 09.08.2019 um 18:40 Uhr
Aha (53)
(09.08.19)
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 Willibald schrieb daraufhin am 09.08.19:
Vielen Dank für die Rückmeldung, in einer Anmerkung zum Text der Versuch, mit den Rückmeldungen an den Michaeltext ranzugehen. Natürlich ohne Anspruch auf Durchblickerstatus.
greetse
ww

 Isaban (09.08.19)
Hallo Willibald,

ja, Lotta hat recht, es ist ein Text, den man nicht so einfach runterlesen kann, es ist einer, der Aufmerksamkeit verlangt, einer, bei dem man auf jede Kleinigkeit achten muss - oder zumindest dafür sensibilisiert wird, falls das nicht entsprechend intendiert war.

Zu Beginn wird der Name des Protagonisten nicht genannt, er ist nur ein „er“ in der Menge der kleingeschriebenen Worte. In Abschnitt 2 wird sein Name zwar genannt, aber ebenfalls noch kleingeschrieben. Schon allein die Kleinschreibung, die mit Ausnahme der Satzanfänge und der "Creme" in Abschnitt 6 durchgezogen wird, macht, dass der Leser auf ganz neue Weise eintaucht in die Welt des Protagonisten, dass auch dem Leser in dieser kleinmachenden Welt die "Creme" ins Auge fällt, dass er zusammen mit dem Protagonisten diese "Creme" berührt, die andere Welt berührt.

Wenn man mit den Symptomen von Schizophrenie vertraut ist, erkennt man in der Schilderung einen Beginn, einen Einstieg, einen Übertritt in die Krankheit:

Erst sind es nur Kleinigkeiten (Kleinschreibung trotz groß geschriebener Satzanfänge, ein erst namenloser, dann zunächst kleingeschriebener Protagonist inmitten all der Kleinschreibung, dann der großgeschriebene Name - eine Werdung!), dann sieht die Welt auf einmal ganz anders aus, alles sieht anders aus, alles ergibt ein neues Bild, andere Farben, andere Wahrnehmungen, Verfremdung bis hin zu Alleinstellungs-, zu Einzigartigkeitsgefühlen (Michael tritt auf, Michael betritt die Bühne, Michael steht am Satzanfang, Michael wird groß geschrieben, Michael taucht immer wieder großgeschrieben auf, Michael ist groß, ist der Anfang und das Ende, wird einem Gott ähnlich, ist gottgleich), bis hin zu Allmachtsgefühlen - oder dem Gegenteil, wenn das Ganze aus einer anderen Perspektive (von außen) betrachtet wird. Von außen betrachtet ist Michael krank. Aus seiner Warte ist es der Rest der Welt, der nicht so funktioniert, wie man es erwarten könnte.

Ein sehr spannender Text!

LG Isaban

Kommentar geändert am 09.08.2019 um 13:12 Uhr

 Willibald äußerte darauf am 09.08.19:
Vielen Dank für die Rückmeldung, vor allem für die Hinweise zur sprachlichen Mikrostruktur und zum "paradoxen" Phänomen des Umschlagens von Gedrücktsein in die Allmachtsphantasie und die Nähe zur Psychose; in einer Anmerkung zum Text der Versuch, mit den Rückmeldungen an den Michaeltext ranzugehen. Natürlich ohne Anspruch auf Durchblickerstatus.
greetse
ww

Antwort geändert am 09.08.2019 um 18:50 Uhr
Cora (29)
(09.08.19)
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 Willibald ergänzte dazu am 09.08.19:
Vielen Dank für die Rückmeldung, in einer Anmerkung zum Text der Versuch, mit den Rückmeldungen an den Michaeltext ranzugehen. Natürlich ohne Anspruch auf Durchblickerstatus.
greetse
ww
Cora (29) meinte dazu am 11.08.19:
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 Willibald meinte dazu am 12.08.19:
Grüss dich, Cora.

Bin nicht ganz sicher, welcher Hintergrund von "nein, mein Kommentar war nicht als Durchblick gemeint" anzusetzen ist. Daher zur Sicherheit:
Ich meinte etwas, was sich immer wieder beobachten lässt. Der Texter eines kommentierten Textes irrt sich, wenn er glaubt die Deutungshoheit und den Durchblick hinsichtlich seines eigenen Textes zu besitzen.

Beste Grüße
ww
Jack (36)
(09.08.19)
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 Willibald meinte dazu am 09.08.19:
Vielen Dank für die Rückmeldung (Motiv des Erzengelns) , denke auch an "The Preacher" (Dominic Cooper), "American Gods", "Good Omens" ....; in einer Anmerkung zum Text der Versuch, mit den Rückmeldungen an den Michaeltext ranzugehen. Natürlich ohne Anspruch auf Durchblickerstatus.
greetse
ww

Antwort geändert am 09.08.2019 um 19:06 Uhr
aliceandthebutterfly (36)
(09.08.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Willibald meinte dazu am 09.08.19:
Vielen Dank für die Rückmeldung, in einer Anmerkung zum Text der Versuch, mit den Rückmeldungen an den Michaeltext ranzugehen. Natürlich ohne Anspruch auf Durchblickerstatus.
greetse
ww

 Buchstabenkrieger (09.08.19)
Hallo Willibald,

hat mir gefallen, deine Interpretation der Steenfatt-Geschichte.
War wahrscheinlich Zufall, dass sie direkt nach meiner Interpretation "Wie mich mein Vater ..." gepostet wurde

Habe ich dich inspiriert, auch eine Version zu schreiben oder deine Version aus der Schublade zu ziehen?

.. sie sagten, du kannst nichts, du bist nichts, du wirst nichts, ...
So dein Anfang ...

"Du kannst nichts", sagten sie, "du machst nichts", "aus dir wird nichts"
... und so das Original von M. Steenfatt.
Da hätte ich mir ein wenig mehr "Eigenleistung" gewünscht.
Nein - geht natürlich in Ordnung.

Der fremde mund da, seiner.
Klasse!

Einzige Punkte:
Ich persönlich kann mit der permanenten Kleinschreibung nichts anfangen, finde dort keinen Sinn.

Und:
Noch zu erkennen: wasserhelle, müde, kluge augen, aquamarin, pulsierende helle und für einen kurzen, fast beschämenden augenblick: er mochte sich.
Für mich persönlich wirken zwei Doppelpunkte innerhalb eines Satzes eher befremdlich.

LG, Buchstabenkrieger

 Willibald meinte dazu am 09.08.19:
Vielen Dank für die Rückmeldung, in einer Anmerkung zum Text der Versuch, mit den Rückmeldungen an den Michaeltext ranzugehen. Natürlich ohne Anspruch auf Durchblickerstatus.
Bei der Kleinschreibung habe ich auch den Eindruck, das ist unnötig und eher täppisch. Vielleicht hat das was mit der Größenphantasie des Protagonisten zu tun. Im Alter verhebt er sich an poetisch-lyrischen Moden...
greetse
ww

 Buchstabenkrieger meinte dazu am 10.08.19:
Hallo Willibald,

danke für die Anmerkung.

Mich hätte trotzdem noch brennend interessiert, ob du die Geschichte "frisch" geschrieben hast oder ob sie schon fertig war.
Nur mal so, um einen Eindruck zu bekommen, weil ich neugierig bin.

Danke dir.

LG, Buchstabenkrieger

 Willibald meinte dazu am 11.08.19:
Jou, Tiefgründelndes ist dabei rausgekommen, siehe oben,

Beste Grüße an den Buchstabenkrieger
ww

 AchterZwerg (10.08.19)
Der Erzengel gilt ja in der neutestamentarischen Offenbarung als Bezwinger Satans. In der jüdischen Tradition und auch im Koran wird er weniger pathetisch gesehen.
Welcher Auslegung folgt nun uns' Willi?
Zunächst einmal mag er sich selber nicht mehr sehen. Verständlich. Nach all der Verkünderei, den Kämpfen und der langweiligen Gewissheit, immer nur auf e i n e r Seite stehen zu dürfen, bedarf es einer längeren Wellnesskur. - Manch einer flöge dafür nach Davos ... Der politisch korrekte M. versucht es jedoch erstmal mit einer kostengünstigern Coldcream (auch weil er weiß, wie schwierig es ist, mit dem Herrgott Belege abzurechnen).
Aus der Chefetage hört er es schon poltern:
„Ihr könnt keinen Schritt tun, ohne dass ich es will. Und ich will nicht.“
Dann lieber doch Weleda .

Obs was nütze' duut?

 Willibald meinte dazu am 11.08.19:
Salute, Vergnügliches hören meine viel gehört habenden Ohren, sehr Vergnügliches sogar.

Pater Lorenzo spricht leicht luziferisch und drogenaffin:

Nunja der Glaube generell sich schickt -
ob nun an Gott, Gedichte oder Cremen -,
Ein solches Spiegelbild gewiss dann kickt.
mit solchen Sachen bis nach Behmen
am Meer.

greetse

ww


greetse
ww

 Fridolin (01.11.21)
ein eindrucksvolles Abbild einer gar nicht seltenen, ziemlich unschönen Realität, das ein großes Kompliment verdient. Das zu lesen ist nicht einfach, um wie viel schwerer wird das Schreiben gewesen sein?
Dein Kommentar-Kommentar enthält einen Satz mit einem Wort, das mir ein wenig quer steht:
"Mir scheint, dass hier von Krankheit bis hin zum irgendwie wirkungsvollen Selbstheilungprozess in der Rachephantasie etwas liegt, was auch der "normale" Leser nachvollziehen kann, vielleicht selbst erlebt hat."
Ich glaube nicht an ein Selbstheilungspotential von Rachephantasien. Selbstheilung könnte einsetzen, wenn er über sein "ich will nicht.“ stolpert, wenn ihm klar wird, dass er hier das "du kannst nichts, du bist nichts, du wirst nichts" fortschreibt. Die Erkenntnis, dass damit niemandem geholfen ist, könnte Selbstheilungspotential haben.
Das schmälert natürlich in keiner Weise den Wert der Geschichte.

 Willibald meinte dazu am 01.11.21:
Danke an Fridolin.

Non serviam
Das Potential der Geschichte, das ein wenig Rettung liefern kann, liegt wohl im Befassen mit dem Bilderstrom. Der kann in die Wut reißen wie ein Mahlstrom, der kann zur Erschöpfung führen, vielleicht zur Katharsis. Die Demütigung des Prager Golems und seine Raserei spuken durch die Zeilen.

James J. hat das Motiv des Engels, der nicht dienen will und daher von Michael niedergeworfen wird, in seinem "Portrait" und einer Exercitienpredigt verdichtet. Der Michael meiner Geschichte ist eben nicht der Mächtige, von Gott Bestallte und den Willen Gottes Bewahrende, sondern der Gedemütigte, der nicht Anerkannte.

– Adam und Eva, meine lieben Jungen, waren, wie ihr wisst, unsere ersten Eltern, und ihr werdet euch erinnern, dass sie von Gott geschaffen wurden, damit die Stühle im Himmel, welche durch den Fall Luzifers und seiner rebellischen Engel frei waren, wieder besetzt werden konnten. Luzifer, so wird uns berichtet, war ein Sohn des Morgens, ein strahlender und mächtiger Engel; und doch ist er gefallen: er fiel, und es fiel mit ihm ein dritter Teil der himmlischen Heerscharen: er fiel und wurde mit seinen rebellischen Engeln in die Hölle geschleudert. Was seine Sünde gewesen ist, vermögen wir nicht zu sagen. Theologen mutmaßen, es möchte die Sünde des Stolzes gewesen sein, des sündigen Gedankens, binnen eines einzigen Augenblicks hervorgebracht: non serviam: ich will nicht dienen. Dieser Augenblick war sein Ruin. Er verhöhnte die Majestät Gottes durch den sündigen Gedanken eines Augenblicks, und Gott stieß ihn aus dem Himmel in die Hölle auf immerdar.

Joyce, James: Ein Porträt des Künstlers als junger Mann: Roman . Manesse Verlag 2015, S.142-143.

Antwort geändert am 01.11.2021 um 16:10 Uhr

 Fridolin meinte dazu am 03.11.21:
<Mahlstrom> scheint mir ein sehr passendes Bild. Er wird in Deiner Geschichte ausgelöst von dieser unseligen Trias <kannst, bist, wirst nichts> und das führt mich zu der Frage, wie solche Äußerungen zustande kommen. In der Regel sind solche Aussagen Gipfelpunkte längerer und wenig erfolgreicher "pädagogischer" Bemühungen, somit auch Ausdruck von Verzweiflung.
Letzten Endes lande ich also bei der Vermutung, dass dieser Mahlstrom nicht auf den Michael beschränkt ist. Kann das eine Rolle spielen?
Und: ist es nicht Michael, der am Eingang des Paradieses schon Nein sagt zu den Ausgeschlossenen?

 Willibald meinte dazu am 03.11.21:
Vielleicht ist der Mahlstrom - bei aller Gefahr der Grandezza und Selbstvernichtung und Fremdvernichtung - ein Träger, der zur Revolte und dann zu Besinnung führen kann, ohne Einknicken des Protagonisten.

Nochmal: Der Michael der Geschichte schwingt sich zu einer Luziferischen Flugechse auf. Das ist der Kontrast zur religiös fundierten Erzengelfigur im Dienste des Gehorsam verlangenden Gottes, der keine Konkurrenz duldet.

Der junge Joyce beschreibt so einen Wahrnehmungs- und Bewusstseinsstrom, ein Durchwandern der Straßen, immerhin ein Dädalus und kein abgestürzter Ikarus:

....den Blitzen der Intuition, Blitzen freilich von einer so klaren Pracht, dass die Welt in diesen Momenten zu seinen Füßen unterging, als sei sie einer Feuersbrunst erlegen: und sodann wurde ihm seine Zunge schwer und er begegnete den Augen anderer mit antwortlosen Augen, denn er spürte, dass der Geist der Schönheit sich wie ein Mantel um ihn gelegt hatte und dass er in seinen Tagträumereien zumindest mit wahrem Adel vertraut geworden war. Als aber dieser flüchtige Stolz des Schweigens ihn nicht länger trug, war er froh, sich nach wie vor mitten im gewöhnlichen Leben wiederzufinden, auf seinem Weg weiterschreiten zu können inmitten des Drecks und des Lärms und der Trägheit der Stadt, furchtlos und leichten Herzens.

Joyce, James: Ein Porträt des Künstlers als junger Mann (S.216-217).

p.s.
Noch Lust auf Crossroads?

Antwort geändert am 03.11.2021 um 10:55 Uhr

 Fridolin meinte dazu am 04.11.21:
ein wunderschönes Zitat, das ich aber mit dem Michael, der vor meinem inneren Auge entstanden ist, schwerlich zusammenbringe. Dessen Gedanken müssen nachtschwarz und bleischwer sein. Wenn die "Welt in diesen Momenten zu seinen Füßen unterging, als sei sie einer Feuersbrunst erlegen" würde schon passen, aber eine Brücke zu den folgenden Sätzen fehlt für mich.
Einstweilen suche ich aber (für mich selbst) weiter nach dem beschriebenen Mantel; wir sind ja schließlich mitten im Herbst.

p.s.
Crossroads liegt auf meinem Nachttisch.

Antwort geändert am 04.11.2021 um 00:03 Uhr
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